Protocol of the Session on August 23, 2018

Herr Kollege Rudolph, lassen Sie Zwischenfragen zu? Frau Kollegin Lannert wollte Sie etwas fragen.

(Günter Rudolph (SPD): Bitte!)

Bitte sehr.

Herr Rudolph, verstehe ich Sie richtig: Sie wollen die Ehrenamts-Card abschaffen?

(Zuruf von der SPD: Nein! – Zurufe von der SPD: Oh!)

Herr Kollege Rudolph.

Danke schön, Herr Präsident.

(Manfred Pentz (CDU): Ich sehe nichts Positives in der Rede! Alles nur negativ! – Anhaltende Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Pentz, ich erläutere es Ihnen noch einmal, damit auch Sie das nachvollziehen können. – Wir haben 15.000 Besitzer der Ehrenamts-Card. Sie wissen, dass das ein formalisiertes Verfahren ist. Ich habe Ihnen dargelegt, dass wir Hunderttausende haben, die ehrenamtlich tätig sind, aber nicht diese Karte besitzen.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Deswegen ist die formale Verknüpfung problematisch. Das kann man machen, schafft aber mehr Probleme, als es löst. Das ist der Ansatz, um den es hier geht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Judith Lan- nert (CDU): Ja oder nein?)

Wir haben 75.000 junge Menschen, die sich in der Jugendarbeit engagieren. Wir haben 7.500 junge Menschen, die die sogenannte Juleica, die Jugendleitercard, besitzen, die übrigens jetzt auch schon die Forderung erhoben haben, gleichgestellt zu werden.

Diese Beispiele zeigen: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, das jetzt einbringen, was politisch völlig zulässig ist – das ist völlig unstrittig –, darf es Sie aber nicht wundern, wenn wir das Thema aufgreifen, weil uns das wichtig ist.

Wenn es darum geht, wie wir Ehrenamt in der Gesellschaft stärken, ist das wichtig; denn der Staat kann das nicht alles leisten. Wir brauchen den Einsatz und das Engagement der Ehrenamtlichen. Wir haben doch ohnehin das Problem, dass ehrenamtliches Engagement immer mehr zurückgeht – aus unterschiedlichen Gründen. Deswegen ist das, was Sie machen, der falsche Weg. Sie teilen das Ehrenamt in unterschiedliche Gruppen. Ich halte das für gefährlich und fahrlässig. Es schadet dem Ehrenamt und diskreditiert auch Menschen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Wenn Demokratie vom Ehrenamt lebt, dann müssen wir aufpassen, dass wir nicht solche Unterscheidungen machen, wie Sie sie machen. Die materielle Bereitstellung ist das eine. Das, was die GRÜNEN sagen, ist: Wir wollen ein Bürgerticket. – Wir haben 2 Millionen Ehrenamtliche. Sollen alle dieses Bürgerticket bekommen? Wenn ich jetzt ein GRÜNER wäre, würde ich das hochrechnen: 240 € mal 2 Millionen. Da bin ich bei 480 Millionen €. Geschenkt, das machen wir nicht,

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

sondern hier geht es darum: Wenn wir das Ehrenamt in der Verfassung verankern, wie können wir dann dieses Staatsziel nachhaltig so ausfüllen, dass Menschen auch sagen, dass es sich lohnt, sich für diese Gesellschaft und diesen Staat zu engagieren, und man etwas von der Gesellschaft zurückbekommt?

(Manfred Pentz (CDU): Jawohl!)

Ich glaube, Herr Ministerpräsident, Sie sind deutlich zu kurz gesprungen. Das ist Wahlkampf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Sie haben dazu gar keinen Vorschlag!)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Das Wort hat der Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die FDP-Fraktion in diesem Hause, aber nicht nur in diesem Hause, sondern für alle Freien Demokraten ist völlig klar, dass das Ehrenamt – der Ministerpräsident hat das Wort eben gewählt, deswegen wiederhole ich es – eine der wichtigsten Ausprägungen des Kittes in der Gesellschaft ist. Ohne Ehrenamt wären wir nichts.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wir Freie Demokraten, wir Liberale, Herr Ministerpräsident, haben das in unserem Weltbild herinnen. Sie haben das eben angesprochen. Unser Weltbild heißt nämlich „Privat vor Staat“. „Privat vor Staat“ heißt nicht nur das, was uns manche mit Blick auf die Wirtschaftspolitik auch böswillig unterstellen, sondern „Privat vor Staat“ heißt auch, dass dort, wo sich eine Gemeinschaft dafür einsetzen kann, eine gesellschaftliche Frage zu lösen oder dabei zu helfen, diese zu lösen, diese gesellschaftliche Gruppe und nicht der Staat dies übernehmen soll.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind auch der Auffassung, Herr Ministerpräsident, dass man immer wieder den Weg gehen soll: zusammenführen statt spalten. Lassen Sie mich das sehr bewusst sagen; dafür schaue ich Sie an.

Dann ist der Hinweis aber überflüssig, dass dieses und jenes von der CDU gekommen sei. Ich bin Mitglied der Enquetekommission Verfassungsreform gewesen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es bei dieser Diskussion eine besondere Aufgabe des Kollegen Heinz gewesen sei, für

das Ehrenamt zu kämpfen, weil es vorher schon unstreitig gewesen ist.

(Christian Heinz (CDU): Doch!)

Nein, Sie haben dafür nicht mehr kämpfen müssen.

(Widerspruch des Abg. Christian Heinz (CDU))

Nein, es stimmt nicht. Sie haben dafür nicht kämpfen müssen, weil das in den Fraktionen unstreitig gewesen ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Reaktion ist wieder dieselbe. Wenn Sie wirklich versöhnen wollten, würden Sie sagen: Wir freuen uns darüber, dass schon im Einsetzungsbeschluss von allen Fraktionen in diesem Hause das Ehrenamt aufgeführt worden ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das möchte ich Ihnen deutlich machen.

Wir sind dafür – da lassen wir Liberale in diesem Hause uns überhaupt nichts mehr erzählen –, dass es staatliche Hilfen für das Ehrenamt gibt. Ich kann mich daran erinnern, dass wir einige Jahre gemeinsam dieses Land regiert haben und dass wir immer – zu jedem Zeitpunkt: sowohl in der Regierungszeit von 1999 bis 2003 mit der FDP-Spitzenfrau Ruth Wagner als auch von 2009 bis 2014 mit mir an der Spitze – nach Wegen gesucht haben, wie man die Ehrenamtler noch weiter unterstützen kann. Was ist denn da noch zu tun, und – jetzt kommt das Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen – was ist da noch möglich?

Was Sie hier vorgeschlagen haben, lieber Herr Ministerpräsident in der Funktion des CDU-Landesvorsitzenden – ich bedanke mich jetzt nicht bei der CDU-Fraktion, dass sie das heute auf die Tagesordnung gesetzt hat –, ist nicht durchdacht; ich sage das ungeschützt.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Zuruf von der SPD: Warum nicht?)

Wir bieten deshalb als FDP auch an, dass wir uns in dieser Sache zusammensetzen. Ich biete ausdrücklich an, dass wir eine Arbeitsgruppe – nennen Sie das, wie Sie wollen – noch in dieser Legislaturperiode zusammenrufen – unabhängig vom 28. Oktober, es kann vorher oder nachher sein. So können wir uns überlegen: Wie können wir noch – jetzt kommt ein Wort, das eigentlich immer den Liberalen abgesprochen wird – gerecht den Einsatz von Finanzmitteln der Steuerzahler gegenüber denjenigen wahrnehmen, die das Ehrenamt möglich machen?

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Was Sie vorgeschlagen haben, ist leider selektiv.

(Nancy Faeser (SPD): Ja, so ist es!)

Das ist offensichtlich.

Lieber Herr Ministerpräsident, ich glaube, Sie haben bewusst nicht gesagt: Alle Ehrenamtler sollten dies bekommen.

(Ministerpräsident Volker Bouffier nickt.)

Dann hätten Sie jetzt zwei Millionen Tickets abzüglich derer ausstellen müssen, die sie schon haben. Vielmehr haben Sie bewusst eine Größe gesucht, um die Kosten – darüber rede ich gleich, wenn ich genug Zeit habe – ein bisschen einzudämmen.

(Zustimmung des Abg. Marius Weiß (SPD))

„Ein bisschen“ ist eigentlich falsch, es geht vielmehr darum, sie erheblich zusammenschrumpfen zu lassen.