Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrenamtliches Engagement und sogenannte Bürgerbusse sind aus unserer Sicht ein Beitrag – von vielen – für einen lebenswerten ländlichen Raum. Deshalb möchten auch wir denjenigen Dank sagen, die sich in ihrer Freizeit engagiert für die Allgemeinheit einsetzen.
Wir stellen aber zunehmend fest, dass die Landesregierung dazu übergegangen ist, sich auf die hilfsbereiten Dorfgemeinschaften komplett zu verlassen. Das Ehrenamt kann und darf die Daseinsvorsorge aber nicht ersetzen.
Ob es das ÖPNV-Beamtenticket oder der Sanierungsstau bei den Landesstraßen ist: Schwarz-Grün rühmt sich für Maßnahmen, die zulasten des ländlichen Raumes gehen. Statt die 50 Millionen € für das Beamtenticket in den Ausbau oder in den Betrieb des ÖPNV zu investieren, wovon alle Menschen etwas gehabt hätten, geben Sie einer Gruppe ein Ticket auf Kosten aller.
Sie rühmen sich für das Schülerticket und das Beamtenticket, Sie rühmen sich auch für den S-Bahn-Ring um Frankfurt, aber den ländlichen Raum speisen Sie mit Mitfahrbänken und Bürgerbussen ab. Wenn sich dann auch noch die nordhessischen Kollegen, Kollege Landau und Frau Kollegin Müller, dafür feiern – ich bin wirklich enttäuscht –, dass es einen Bürgerbus gibt, dann kann ich nur sagen: Das ist eine Verhöhnung der Menschen in Ihren Wahlkreisen.
Den Ehrenamtlichen, die den Bürgerbus fahren, gibt Landesvater Bouffier dann vielleicht großzügig ein Freifahrtticket für den ÖPNV – den es vor Ort gar nicht gibt. Was soll denn das? – Das ist Anerkennung der Marke SchwarzGrün.
Hinter dem vergifteten Geschenk Bürgerbus steckt im Grund die Idee einer Zweiklassengesellschaft: In den Städten gibt es regulären ÖPNV rund um die Uhr, am besten
kostenlos, und auf dem Land müssen die Leute mit Mitfahrbänken und Bürgerbussen selbst schauen, wo sie bleiben und wie sie wegkommen.
Ich komme noch zu meinen Vorschlägen. – Das Freifahrtticket, ob für Beamte oder für Ehrenamtler, ist ein Geschenk an Menschen im Ballungsraum. Es kann im ländlichen Raum gar nicht genutzt werden, weil es dort gar keinen ÖPNV gibt, der diesen Namen verdient. Diese Politik ist es, die die Menschen immer weiter in die Ballungsräume zieht und die Probleme unseres Landes immer mehr verschärft.
Schwarz-Grün setzt die falschen Prioritäten, weil der Verkehrsminister nur an die grünen Wähler im Frankfurter Nordend und in Darmstadt denkt.
Der Hohn ist, dass Sie die Menschen im ländlichen Raum mit Ihrer Behauptung, dass Sie angeblich 1,8 Milliarden € für den ländlichen Raum ausgeben, auch noch für dumm verkaufen wollen.
Wir Freie Demokraten wollen das anders angehen. Wir wollen die ländlichen Regionen stärken, indem wir die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur deutlich ausbauen. Neben der Erhöhung der Mittel für die Landesstraßen auf jährlich 185 Millionen € wollen wir Landkreise, Städte und Gemeinden mit über 100 Millionen € im Jahr beim Erhalt und beim Ausbau ihrer Verkehrswege unterstützen.
Wir denken auch den Verkehr neu: Autonom fahrende, vernetzte Fahrzeuge im ÖPNV und innovative Mobilitätsplattformen können im ländlichen Raum zusätzliche Angebote und mehr Flexibilität ermöglichen. ÖPNV-Investitionen dürfen nicht auf die Ballungsräume beschränkt bleiben. Das ist momentan aber der Fall.
Die Landesplanung soll so reformiert werden, dass die Gemeinden die sich aus ihrer Lage ergebenden wirtschaftlichen Entwicklungspotenziale nutzen können, um zusätzliches Gewerbe anzusiedeln. Das landesplanerische Konzept der zentralen Orte muss deshalb überarbeitet werden.
Die Förderprogramme zur Dorferneuerung sollen nicht mehr als Stilllegungsprämien konzipiert werden, bei denen finanzielle Zuwendungen mit dem Verzicht auf die Ausweisung von Wohngebieten verbunden werden. Das Förderprogramm zur Dorferneuerung soll gezielt die Entwicklungspotenziale und die Vielfalt im ländlichen Raum stärken.
Immer mehr junge Menschen verlassen die ländlichen Regionen zur Aufnahme eines Studiums. Wir sehen in dualen Studienangeboten die Chance, akademische Bildungsangebote aufs Land zu bringen und damit jungen Menschen in der Region attraktive Perspektiven aufzuzeigen.
Insbesondere im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung besteht der Trend, Kassenarztsitze aus ländlichen Regionen in größere Städte und Oberzentren zu verlegen. Wir wollen nicht, dass Städte und Dörfer gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr sollen insgesamt mehr Ärzte für die Versorgung zur Verfügung stehen.
All das sind Aufgaben für den ländlichen Raum, und sie sind anzugehen. Da ist ein Bürgerbus vielleicht ein kleiner positiver Baustein, der ehrenamtlich wahrgenommen wird, aber die Aufgaben im ländlichen Raum sind zu groß, als das man sich auf solche kleinen Projekte beschränken könnte.
Der ländliche Raum und wir Menschen auf dem Dorf haben mehr verdient als die ausgelaugte CDU und die Großstadtpartei der GRÜNEN. Die nächste Landesregierung muss deutlich ambitionierter handeln.
Vielen Dank, Frau Kollegin Knell. – Das Wort hat der Wirtschaftminister, Herr Staatsminister Al-Wazir.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mobilität ist gerade im ländlichen Raum von großer Bedeutung. Das wissen eigentlich wir alle. Der nächste Arzt und der nächste Supermarkt sind dort zu Fuß nicht so leicht erreichbar. Deswegen müssen wir uns selbstverständlich darüber Gedanken machen, wie wir die Mobilität im ländlichen Raum stärken können.
Ich will noch einmal ausdrücklich sagen: Wir haben ein wachsendes Problem im ländlichen Raum, weil auch dort mehr und mehr Menschen auf ein eigenes Auto verzichten, manche freiwillig, manche deswegen, weil sie schlicht keines fahren können – noch nicht oder nicht mehr. Deswegen reicht es nicht, Frau Knell, beim Thema Mobilität im ländlichen Raum nur an Straßen und Parkplätze zu denken. Wir brauchen auch ein solides Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs.
Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Der öffentliche Personennahverkehr ist auch im ländlichen Raum das Rückgrat der Mobilität.
Neben klassischen Bus- und Bahnangeboten oder flexiblen Bedienformen, beispielsweise Anrufsammeltaxis, erwarte ich in diesem Bereich für die Zukunft aber auch Verbesserungen durch neue digitale Angebotsformen. Es kann sein, dass uns autonom fahrende Beförderungsmittel in der Zukunft gerade im ländlichen Raum viele Probleme zu lösen helfen. Aber da ist vieles noch Zukunftsmusik, was den Menschen zurzeit nicht weiterhilft.
Ich habe mich deshalb sehr gefreut, als ich vor zwei Wochen in Rabenau eine Premiere erlebt habe. Ich durfte den ersten Bürgerbus im Rahmen der Offensive „Land hat Zukunft – Heimat Hessen“ übergeben. Ich will ausdrücklich sagen, Frau Kollegin Wissler: Bürgerbusse sollen dazu dienen, die Anbindung von Ortsteilen an die Kernstädte zu verbessern. Sie stellen damit die Anbindung zu Arztpraxen und Apotheken her. Ein weiterer Punkt: Bürgerbusse stärken auch das Miteinander. Es ist wirklich toll, zu sehen,
dass viele Menschen in Hessen mit anpacken wollen, um das bestehende ÖPNV-Angebot mit ehrenamtlichen Angeboten zu ergänzen – zu ergänzen, nicht zu ersetzen.
Der Kleinbus ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Vehikel zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und zur Verbesserung des Mobilitätsangebots. Das, was ich dort gesehen habe, ist, dass das auch das Miteinander im Dorf stärkt, dass sich Menschen wirklich gern engagieren und dass Menschen froh sind, dass eine Kommunikation untereinander stattfindet; denn viele – vor allem ältere Menschen –, die mit den Bussen abgeholt werden, sind ziemlich alleine. Auch dieser Punkt darf nicht unterschätzt werden.
Ich habe mir schon vor zwei Jahren das Modellprojekt in Homberg angeschaut, das die Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ gestartet hat. Ich habe im Sommer in Schwarzenborn – das ist die kleinste Stadt in Hessen – ein solches Projekt angeschaut, und ich war in Rabenau. Wissen Sie, was ich dort gesehen habe? – Sehr viel gute Laune, sehr viel Mut zum Anpacken, auf jeden Fall sehr viel bessere Laune, als in den Reden aus den drei Oppositionsfraktionen hier zum Ausdruck kam.
Um den Start eines Bürgerprojekts vor Ort zu erleichtern und um einen dauerhaften Betrieb sicherzustellen, unterstützen wir diese Projekte mit jeweils 1,2 Millionen € in den Jahren 2018 und 2019. Es gab eine europaweite Ausschreibung für die Fahrzeuge, und es konnte deshalb ein sehr wirtschaftliches Angebot erreicht werden. Es sind übrigens Fahrzeuge der Marke Opel geworden. Neben der Unterstützung bei der Fahrzeugbeschaffung, die das Land leistet, ist ein Beratungsangebot zentraler Bestandteil des Förderprogramms. Die Initiativen sollen sich nämlich nicht um Angebote für Fahrzeuge oder um Versicherungsfragen kümmern, sondern sie sollen sich auf die wesentlichen Fragen konzentrieren können: Wo soll gefahren werden, wie oft, und wie kann das Angebot mit dem bestehenden ÖPNV-Angeboten zusammenwirken?
Die enorme Resonanz auf das Programm gibt uns recht: Obwohl das erst vor zwei Monaten gestartet ist, wurden schon 50 Initiativen eingereicht, die eine Interessenbekundung beinhalten. Das zeigt, dass die Menschen vor Ort mitmachen wollen. Das zeigt auch, dass am Ende das Suchen in den Krümeln, das betrieben worden ist, bei den Menschen nicht ankommt. Bei den Menschen kommt nämlich an: Da gibt es ein Programm, das gut ist, und sie wollen es machen.
Vorletzter Punkt. Natürlich müssen wir uns auch Gedanken über die Aufrechterhaltung der Strukturen des öffentlichen Personennahverkehrs im ländlichen Raum machen. Wir haben gemeinsam mit dem RMV und dem NVV ein Fachzentrum Mobilität im ländlichen Raum gegründet. Wir brauchen ein solides Angebot.
Frau Knell – weil Sie es angesprochen haben –, Sie kommen aus dem Schwalm-Eder-Kreis. Sie haben gesagt, wir würden uns nur um Großstädte kümmern. Soll ich Ihnen einmal sagen, wo wir die höchsten Zuwachsraten beim Verkauf des Schülertickets in Hessen haben? – Die haben wir im Schwalm-Eder-Kreis, im Landkreis Hersfeld-Rotenburg und im Landkreis Waldeck-Frankenberg. An dieser Stelle müssten Sie eigentlich sehen, dass wir in diesem Bereich, auch mit dem Schülerticket, Angebote geschaffen haben, um Menschen zum öffentlichen Personennahverkehr hinzuführen. Mit Verlaub: Wenn es dort gar kein Angebot gäbe,