Frau Präsidentin, namens der FDP-Fraktion beantrage ich gemäß § 25 unserer Geschäftsordnung, dass der Wirtschafts- und der Finanzminister zu der Beratung beigezogen werden. Die Begründung lautet: Wir halten es für zumindest ungehörig und auf alle Fälle für nicht parlamentarisch, dass bis vor Kurzem überhaupt kein Staatsminister, sondern nur Staatssekretäre anwesend waren. Ich sage nichts gegen Staatssekretäre, aber unsere Verfassung sagt genau, wer Mitglied des Kabinetts ist.
Nein, Herr Wintermeyer ist gerade erst gekommen, als der Redner derjenigen Fraktion, die das Thema gesetzt hat, mit seiner Rede fertig wurde. Das ist nicht in Ordnung. Deswegen beantragen wir nach § 25 unserer Geschäftsordnung, dass der Wirtschaftsminister und der Finanzminister jetzt hierherkommen.
Herr Kollege Hahn, ich glaube, Ihr Wunsch ist schon erfüllt worden. Wir brauchen gar nicht mehr darüber abzustimmen.
Dann können wir weitermachen. Ich bitte Frau Kollegin Kinkel von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu uns ans Pult. Sie haben jetzt das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Arbeitswelt und die Wirtschaft stehen vor immensen Veränderungen. Auf der einen Seite haben wir globalisierte Wirtschaftsströme. Auf der anderen Seite werden die Rahmenbedingungen in vielen Staaten der Erde immer unsicherer. Deshalb ist es für Unternehmen und für die hessische Wirtschaft
sowie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von hoher Bedeutung, dass Innovationen auch in Zukunft eine Grundlage für die hessische Wirtschaftskraft sind.
Natürlich brauchen wir Innovationen dringend, um der Klimakrise zu begegnen, um die Energiewende zu gestalten und um die Verkehrswende zu erreichen. Kurz gesagt: Der Schlüssel, den Herausforderungen von heute zu begegnen, sind gute Ideen.
Deshalb finde ich es außerordentlich gut, dass wir hier auf Initiative der FDP über das Thema Innovationsförderung sprechen. Allerdings erwarte ich schon, wenn man so ein Thema auf die Tagesordnung setzt, dass man sich auch anschaut, was bereits existiert, anstatt zusammenhanglos die Schaffung einer neuen Agentur zu fordern.
Wie sieht es also in Hessen hinsichtlich der Innovationsförderung aus? Wir haben z. B. die klassische Innovationsförderung, die von der Hessen Agentur und der WIBank übernommen wird. Dabei geht es nicht nur um die Förderung innovativer Projekte. Vielmehr berät die Hessen Agentur auch im Vorfeld zu fachlichen Fragen, diskutiert die Projektidee und prüft die inhaltliche Ausrichtung der Ideen. Schwerpunkt dieser Förderung sind Technologie, CO2-Reduktion und Digitalisierung.
Daneben gibt es weitere Angebote für junge Unternehmen und für innovative Geschäftsmodelle. Da geht es z. B. darum, den Zugang zum Kapital zu ermöglichen. Das ist für junge Start-ups ein sehr wichtiges Thema, die, je nachdem, in welcher Phase des Unternehmens sie sich befinden, unterschiedlich hohen Kapitalbedarf haben.
Um dies zu ermöglichen, haben wir z. B. den Futury Venture Fonds gegründet, einen Fonds, der sich zur Hälfte durch private Sponsoren und zur anderen Hälfte aus Mitteln des Landes speist. In der Wachstumsphase, in der viele Start-up-Unternehmen hohe Kreditanforderungen haben, können sie den Innovationskredit Hessen in Anspruch nehmen.
Wichtig ist aber nicht nur der Zugang zum Kapital, sondern auch Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen. Hier haben sich in den letzten Jahren Hessen und insbesondere die Region Frankfurt/Rhein-Main mit Unterstützung des Landes hervorragend entwickelt. Mit dem Cluster Techno
logieland Hessen wurden alle relevanten Akteure zusammengeführt und die Innovationskraft in Hessen gestärkt. Auch die sogenannten „Houses of …“ sind wichtige Vernetzungsstrukturen. Vor diesem Hintergrund gibt es z. B. das House of Finance, das House of IT, das House of Energy usw.
Die FDP fordert jetzt ein weiteres House of Production, um die Kompetenzen in dem Bereich Fabrik 4.0 zu bündeln. Aber auch da frage ich mich, warum Sie sich nicht einmal darüber informiert haben, was wir in Hessen bereits haben. Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum beschäftigt sich exakt mit diesen Themen, nämlich der Vernetzung von bestehenden Produktionsprozessen in kleinen und mittleren Unternehmen und deren Auswirkungen vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Es forscht über neue Ansätze von Industrie 4.0, was übrigens eine riesige Chance ist, um das Thema Ressourceneffizienz und Unabhängigkeit der Ressourcenströme weiter voranzubringen. Dafür hätten Sie einfach nur die Stichwörter „Fabrik 4.0“ und „Hessen“ in eine der Internetsuchmaschinen eingeben müssen, und eines der ersten Ergebnisse wäre das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum gewesen.
Ein weiterer Punkt ist mir im Zusammenhang mit der Gründungsförderung wichtig. Wir müssen viel mehr daran arbeiten, dass die Menschen wieder Lust zum Gründen und zur Selbstständigkeit haben, und vor allem, dass sie keine Angst davor haben, zu scheitern. Das ist eines der größten Hemmnisse, die Gründungen verhindern, was auch der Start-up-Monitor bestätigt hat. Fast die Hälfte der gründungsaffinen Menschen gibt an, dass sie die Angst vor dem Scheitern von einer Unternehmensgründung abhalten würde. Deshalb müssen wir daran arbeiten, dass die Toleranz der Gesellschaft gegenüber Fehlern und unternehmerischem Scheitern wächst.
Sehr geehrte Damen und Herren, Grundlage für technologieaffine Innovationen und Patente ist eine leistungsfähige digitale Infrastruktur. Glasfasern sind nicht nur die Autobahn von morgen, sondern schon von heute. Aber auch da kann die Landesregierung Erfolge vorweisen. Wir sind auf Platz 3 der Flächenländer, was die Breitbandversorgung angeht, und wir sind auf einem guten Weg, bis 2030 ein mit Gigabit versorgtes Land zu sein. Damit auch die Mobilfunkabdeckung gestärkt wird, nimmt die Landesregierung hierfür in den nächsten Jahren 50 Millionen € in die Hand.
Liebe FDP, weil Sie sich in den letzten Tagen so über den einberufenen Rat für Digitalethik lustig gemacht haben, lassen Sie mich dazu noch etwas sagen.
Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft drastisch, nicht nur die Art und Weise, wie wir wirtschaften und was die Arbeitsplätze angeht, sondern auch unser Zusammenleben und die Gesellschaft insgesamt. Digitalisierung bringt auch immense Chancen; wir müssen sie nur richtig steuern.
In einer der größten Umfragen, die zum Thema Big Data in Deutschland vom Vodafone Institut durchgeführt wurde, gab die Hälfte aller Befragten an, dass sie in dem Phänomen Big Data mehr Nachteile als Vorteile erkennen. Das ist ganz eindeutig ein Zeichen dafür, dass viele Menschen verunsichert sind, dass sie als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sorgen um ihre Arbeitsplätze und als Kundinnen oder als Privatpersonen Sorgen um ihre Daten haben. Diese ethische Dimension der Digitalisierung sowie das Leben und das Arbeiten 4.0 müssen wir mit diskutieren und mit bedenken. Wenn Sie sich dann immer noch über den einberufenen Rat für Digitalethik lustig machen, dann haben Sie nicht verstanden, was die Menschen in Hessen wirklich bewegt.
Zum Schluss möchte ich noch auf einen letzten wichtigen Punkt eingehen, den ich schon an anderer Stelle genannt habe. Unternehmen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Sie brauchen Planungssicherheit durch die politischen Vorgaben. Die Unternehmen können sich darauf verlassen, dass wir heute Wert darauf legen, dass Ökonomie und Ökologie in Ausgleich gebracht werden, und dass wir das auch morgen noch tun. Es lohnt sich, in erneuerbare Energien, in Ressourceneffizienz, in Energieeffizienz zu investieren, weil das auch zukünftig wichtige Faktoren hessischer Wirtschaftspolitik sind. Mit uns gibt es kein „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“, sondern einen klaren Kurs für eine ökologische Wirtschaftspolitik. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Kinkel. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Möller von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Auch wenn sich jetzt manches wiederholt, möchte ich doch vorweg betonen, dass es gut ist, dass wir uns einmal etwas Zeit dafür nehmen, uns damit zu befassen, was in Hessen bereits getan wird und welche Erfolge wir schon erzielt haben. Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass es nicht selbstverständlich ist, wo Hessen heute im Ranking der Bundesländer steht.
Wir sind uns natürlich einig, dass wir als Bundesland innerhalb der anderen Bundesländer eine recht gute Position haben und wir – zusammen mit dem Rhein-Main-Gebiet – zu einer der stärksten Regionen Europas gehören. Grundlage dafür ist nicht nur eine gute Ausbildung und eine Vielzahl von mutigen, innovativen Unternehmern, innovative Forschung und Ideen, sondern schlichtweg auch die Überlegung, dass wir etwas machen müssen, um die Weichen zu stellen, dass Hessen auch in Zukunft so gut dasteht. Wir sind offensichtlich ein Land mit klugen Köpfen voller guter Ideen. Die Herausforderung, die wir heute auch anlässlich des FDP-Antrags diskutieren, ist tatsächlich, wo wir bereits stehen und wo wir hin müssen.
Es ist in den vergangenen Jahren schon recht viel getan worden. Einen Teil hat meine Vorrednerin dankenswerter
weise schon angesprochen. Ich möchte einmal das herausgreifen, was man noch ergänzen kann, bzw. auf die Punkte eingehen, die im FDP-Antrag gefordert werden.
Zu der Systematik von Forschungs- und Vernetzungsstrukturen unter dem Oberbegriff „House of …“ ist bereits etwas gesagt worden. Für IT, Finance, Logistics, Energy, Pharma wie auch andere Dinge werden hiermit bereits wichtige Grundsteine für den Erfolg des Landes gelegt.
Wir haben zudem eine Bündelung von Kompetenzen. Wir haben mit „Technologieland Hessen“ genau das gemacht, was wir als notwendig erachten, um die verschiedenen Möglichkeiten und Kompetenzen zusammenzuführen. In den Bereichen Biotechnologie, Nanotechnologie, IT, Umwelttechnik und der Clusterbetreuung wird meines Erachtens schon sehr viel getan, um die hessische Wirtschaft zu unterstützen – auch bei der Vermarktung und Anwendung von Schlüssel- und Zukunftstechnologien. Zudem wird natürlich auch den Unternehmen angeboten, sich an Förderangeboten zu beteiligen.
Wir haben diverse Finanzierungsmöglichkeiten auf den Weg gebracht. Zwei wurden bereits erwähnt; eine weitere möchte ich noch hinzufügen. Wir haben mit den Mikrodarlehen – es geht dabei um überschaubare Summen von 3.000 bis 25.000 € – eine recht unbürokratische Möglichkeit der Finanzierung geschaffen zu einem Zeitpunkt, zu dem klassische Hausbanken eher zurückhaltend reagieren. Hiermit werden Gründerunternehmen mit Wagniskapital ausgestattet. Wir haben diverse Fonds, die sich bis hin zu Firmenbeteiligungen an ein Engagement anheften können. Wir haben das neu konzipierte Programm Innovationskredit Hessen mit bis zu 7 Millionen €, über die Hausbank finanziert. Wir haben den eben angesprochenen Futury Venture Fonds mit bis zu 20 Millionen € Unterstützung für einzelne Firmen und Unternehmen.
Was wir bisher allerdings noch nicht angesprochen haben – das ist für mich mit der entscheidendste Punkt, den wir als Hessen leisten können –, ist unser LOEWE-Forschungsförderungsprogramm. Das kam leider bisher noch nicht zur Sprache.
Wenn Sie allerdings in den Hochschulen – ob Universitäten oder Fachhochschulen – unterwegs sind, werden Sie es fast nicht erleben, dass nicht irgendjemand dieses Programm lobend erwähnt.
Wenn man sich die Zahlen anschaut, die zeigen, was dort in den letzten Jahren mobilisiert und bereitgestellt wurde, spricht das eigentlich für sich. In den Jahren 2008 bis 2017 wurden rund 730 Millionen € zur Verfügung gestellt. Nimmt man noch das Jahr 2018/19 hinzu, kämen weitere 130 Millionen € dazu.
Dazu kommen aber noch die Drittmittel, die initiiert werden. Sie belaufen sich noch einmal auf über 900 Millionen €. Insgesamt stehen also bei dem Punkt Forschung und Entwicklung in Hessen 1,8 Milliarden € seit vielen Jahren bereit. Das ist meiner Kenntnis nach bundesweit einmalig. Ob es so etwas in dieser Kontinuität in anderen Ländern gibt, wage ich auch zu bezweifeln.
Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, die allein durch dieses Programm initiiert werden, dann sprechen wir von 260 Verbundvorhaben mit über 800 Partnern. Das ist flächendeckend. Hier spielen alle eine Rolle: Hochschulen, Unternehmen, Forschungseinrichtungen bis hin zu Gebietskörperschaften. Das bedeutet, wir verankern Forschung, Entwicklung und Technologie im gesamten Land flächendeckend. Ich finde, das ist die richtige Antwort auf die Frage, wie wir heute etwas unternehmen können, damit Hessen auch in Zukunft stark bleibt.