Protocol of the Session on August 22, 2018

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben mir eben unterstellt, ich würde hier im Landtag immer die gleiche Rede halten. Ich muss schon sagen: Ich

persönlich finde es eher bedenklich, wenn Politikerinnen und Politiker alle naselang etwas anderes erzählen.

(Beifall der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Herr Minister, ich würde mir ja wünschen, Sie würden heute noch einmal die gleiche Rede halten, wie Sie sie vor fünf Jahren in der Opposition gehalten haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Sie erkennen vielleicht zu viele Ähnlichkeiten zwischen meinen Reden. Mir fällt es, ehrlich gesagt, schwer, zwischen dem Tarek Al-Wazir aus dem Jahr 2013 und dem Tarek Al-Wazir aus dem Jahr 2018 noch die Gemeinsamkeiten zu erkennen, zumindest auf der inhaltlichen Seite.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn und Jürgen Lenders (FDP))

Was Sie vermutlich mit dem „Ich erzähle immer das Gleiche“ meinen – was semantisch natürlich nicht stimmt, aber von der politischen Ausrichtung her sehr wohl –, ist, dass ich auf ein Verteilungsproblem hinweise. Das werde ich auch weiterhin tun.

Wenn wir in einer reichen Volkswirtschaft wie in Hessen die Situation haben, dass Menschen gezwungen sind, im Alter Flaschen zu sammeln, weil ihre Rente nicht reicht,

(Zuruf von der CDU: Oh, oh, oh!)

dass Menschen, die den ganzen Tag arbeiten, am Ende des Monats ihren Kindern erklären müssen, dass das Geld für den Ausflug, das Kino oder das Eis einfach nicht drin ist, und wenn es eine immer weiter steigende Zahl von armen Kindern gibt, dann sind das Zustände, mit denen wir uns erstens nicht abfinden werden und auf die ich zweitens in diesem Land immer wieder hinweisen werde, bis sich das geändert hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Reden Sie doch einmal über Ihre Bilanz, über die schwarzgrüne Bilanz in diesen Bereichen. Da sagen Sie: Rekord, Rekord, 2,5 Millionen Beschäftigte. – Ja, das ist richtig. Aber wenn ein Fünftel dieser Beschäftigten zu Niedriglöhnen arbeitet – –

(Zuruf des Ministers Axel Wintermeyer)

Das ist nicht meine Zahl. Herr Wintermeyer, ich empfehle zur Lektüre den Landessozialbericht Ihrer Landesregierung. Sie können es da nachlesen. Darin steht genau die Zahl 500.000. Ich war auch überrascht, weil ich eine etwas niedrigere Zahl erwartet hatte. Lesen Sie das, was Ihre Landesregierung schreibt, Herr Wintermeyer. Das kann ich Ihnen nur empfehlen. Da sind teilweise gute Zahlen drin.

Aber wenn ein Fünftel der Beschäftigten zu Niedriglöhnen arbeitet, dann sollten Sie das doch wenigstens einmal als ein Problem benennen, Herr Minister. Machen Sie doch wenigstens deutlich, dass das ein Problem ist, anstatt hier Rekordzahlen zu verkünden und so zu tun, als ginge es allen gut.

Schauen wir uns z. B. die Lohnentwicklung im Baugewerbe an. Dann stellen wir fest, dass Hessen da wirklich hinter anderen Bundesländern zurückgeblieben ist. Das hat natürlich auch etwas mit der öffentlichen Hand zu tun, weil viele für die öffentliche Hand bauen. Es hat auch damit zu tun, dass die Tariftreue hier nicht vernünftig kontrolliert

wird und wir kein wirksames Tariftreue- und Vergabegesetz haben.

Schauen wir uns Ihre Bilanz im Bereich der Wohnungspolitik an – gut, dafür ist Ihre grüne Kollegin im Kabinett zuständig. Ihre Wohnungspolitik netto, schwarz-grüne Regierungsjahre: mehr als 28.000 Sozialwohnungen weniger als vor Ihrer Regierungszeit.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Es sind 1.650 Sozialwohnungen in fünf Jahren geschaffen worden; es sind in der gleichen Zeit fast 30.000 – –

(Holger Bellino (CDU): Wir haben doch Wohnungen genug!)

Wir haben jede Menge Wohnungen in Frankfurt, Herr Bellino. Die kann nur keiner bezahlen; das ist das Problem.

(Holger Bellino (CDU): In ganz Hessen meine ich!)

In der Zeit sind fast 30.000 Sozialwohnungen aus der Bindung gefallen. Das heißt, in Ihrer Regierungszeit

(Zuruf des Abg. Ulrich Caspar (CDU))

ist das Angebot an bezahlbarem Wohnraum gesunken. Die Bodenspekulation ist noch angeheizt worden. Die Mieten haben sich erhöht. Das ist die Bilanz Ihrer Regierungszeit.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Stehen die Wohnungen jetzt leer oder nicht?)

Welche?

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die man nicht bezahlen kann, stehen die jetzt leer?)

Das Problem ist, dass wir keinen Wohnraum brauchen für alle diejenigen, die sich sowieso schon alles leisten können. Herr Hahn, natürlich wissen Sie ganz genau, dass wir gerade im Bereich der Büroräume einen enormen Leerstand haben. Wissen Sie, was ich Ihnen auch sage: Mit Leerstand kann man in Frankfurt ziemlich hohe Gewinne machen. Das zeigen ja einige Beispiele.

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen der Präsiden- tin)

Ich will aber auch etwas zum Thema Flughafen sagen. Ich finde, beim Flughafen ist die Bilanz noch viel trauriger. Sie wollten das Terminal 3 verhindern – es wird jetzt gebaut. Acht Stunden Nachtflugverbot haben sich die GRÜNEN ins Wahlprogramm geschrieben. Wir haben nicht einmal sechs Stunden Nachtflugverbot, weil das Nachtflugverbot in einer Art und Weise verletzt wird, wie es noch nie der Fall war. Der grüne Verkehrsminister lässt sich auch noch von den Flugverkehrsgesellschaften auf der Nase herumtanzen, die jede Nacht starten und landen, wie es ihnen gerade passt.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Dass es ausgerechnet unter einem grünen Verkehrsminister möglich ist, das Nachtflugverbot einfach komplett zu unterlaufen: Sie hatten nicht nur sechs, sondern Sie hatten eigentlich acht Stunden gefordert. Stattdessen gibt es die Lärmpausen. Ja, die Lärmpausen machen jetzt gerade ein halbes Jahr Pause. Es soll Lärmdeckel geben, mit denen es noch viel lauter wird. Ryanair wurde hierher gelockt, und in Flörsheim fallen weiter Dachziegel von den Dächern. Es ist überhaupt nicht leiser geworden.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Dorn, setzen Sie einfach Ihr grünes Wahlprogramm um, und erzählen Sie nicht, dass das, was die GRÜNEN vor fünf Jahren in ihrem eigenen Wahlprogramm gefordert haben, unrealistisch ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Kollegin Wissler, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Bei der Verkehrswende setzen Sie ein paar Projekte um, die sowieso jahrzehntelang geplant sind. Bürgerbusse und Mitnahmebänke sind kein Ersatz für ein ÖPNV-Angebot. Wir brauchen Investitionen, und wir brauchen eine bessere Handlungsfähigkeit der Kommunen. Daher waren die schwarz-grünen Jahre in Hessen hier für die meisten Menschen keine guten Jahre. Es hat sich nichts an ihrer Lebenssituation verbessert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Wagner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Wissler, Sie haben recht. Es hat immense Vorteile, immer die gleiche Rede zu halten. Es macht ja auch weniger Arbeit. Aber zu jedem Tagesordnungspunkt auch die gleiche Rede zu halten, das ist ein bisschen problematisch. Sie kennen ja die 11. Feuerbach-These von Karl Marx:

(Janine Wissler (DIE LINKE): Von wegen, ich halte immer die gleiche Rede! – Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sucht euch doch einmal ein neues Zitat aus!)

Dieser Satz hat eine große Wahrheit für DIE LINKE im Hessischen Landtag. Es reicht nicht, die perfekte Welt immer nur zu beschreiben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Dann wäre es Zeit für ein zweites Marx-Zitat!)

Der Kollege Rock hat mir vorgeworfen, dass ich die Unverschämtheit einer eigenen Meinung gegenüber Unternehmerverbänden besäße.

(René Rock (FDP): Nein, ich habe Ihnen vorgeworfen, dass Sie sich überhaupt nicht äußern!)