Meine Damen und Herren, damit stellt sich die brennende Frage: Wo soll denn in der Zwischenzeit der Bedarf dafür hergekommen sein? – Da gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten:
Erstens. Gibt es irgendwelche Fälle, die das in der Zwischenzeit als Problem auf die Tagesordnung gehoben hätten?
Nein, die gibt es nicht. Jedenfalls sind mir keine bekannt. Sie haben das ja einmal abgefragt, und in der Anhörung wurden auch keine Fälle benannt.
Zweitens. Haben wir eine Regelungslücke, sodass im Falle des Auftretens eines neuen Falls niemand wüsste, was zu tun ist? – Nein, auch das haben wir nicht; denn wir haben ja den mittlerweile viel diskutierten Erlass von 2012, auf dessen Basis auch schon frühere Fälle problemlos gelöst werden konnten. Und dank der von Ihnen ausgelösten Diskussion – das ist vielleicht der einzige Grund, um dankbar dafür zu sein – kennt diesen Erlass jetzt hoffentlich auch wirklich jeder.
Aber selbst wer ihn nicht gekannt hätte und mit einem solchen Fall konfrontiert worden wäre, der hätte spätestens im Staatlichen Schulamt die notwendigen Auskünfte erhalten. Das ist auch meine Antwort auf das, was Frau Abg. Geis hier vorgetragen hat: Nein, wir erwarten von unseren Lehrern und Schulleitern nicht, dass sie sämtliche Erlasse, die das Kultusministerium im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte herausgegeben hat, im Kopf haben. Ich habe sogar Verständnis dafür, wenn ein Erlass, der vor sechs Jahren ergangen ist und zu dem es in der Zwischenzeit praktisch keinen Anwendungsfall gegeben hat, der Aufmerksamkeit unserer Schulleiterinnen und Schulleiter auch einmal entschwindet.
Aber genau dafür gibt es Staatliche Schulämter, die – falls dann doch jemals ein solcher Anwendungsfall auftreten sollte – darüber Bescheid wissen, die Auskunft geben kön
Dieser spezifische Erlass wurde genau deswegen an die Schulamtsjuristen adressiert, damit die Schulämter diese zentrale Rolle, die sie in unserem System zu spielen haben, entsprechend erfüllen können.
Damit bleibt nur noch ein dritter Punkt, nämlich: Ist die existierende Regelung möglicherweise unzureichend? Das war die eigentlich spannende Frage. Deswegen habe ich mich auf den Austausch mit den Kollegen Staatsrechtslehrern bei der Anhörung gefreut. Ich darf zu dem Ergebnis feststellen: Auch der von der FDP-Fraktion benannte Sachverständige, der Kollege Schorkopf, hat sich wohlweislich gehütet – daran erkennt man gute und sorgfältige Arbeit –, hier einen Verfassungsverstoß zu konstatieren. Er hat lediglich die Empfehlung ausgesprochen, man könne ja – ich drücke es umgangssprachlich aus – vorsichtshalber auf Nummer sicher gehen. Das ist okay. Der Kollege Aust hat dann schon gar kein Problem mehr darin gesehen, und da die FDP-Fraktion ihren Vorschlag in erster Linie nach dem niedersächsischen Modell gestrickt hat, für das der Kollege Wißmann verantwortlich zeichnet, füge ich gerne hinzu, dass auch dieser Kollege in der schriftlichen Anhörung die hessische Situation ganz klar anders bewertet hat als die, die in Niedersachsen vorlag.
Sie haben offensichtlich selbst gemerkt, wie dünn das Eis wird, auf das Sie Ihren Vorschlag gründen, und deswegen noch schnell einen Änderungsantrag nachgeschoben, mit dem Sie das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz zu erfüllen vorgeben. Das fand ich schön. Das ist in der Staatsrechtslehre ein richtiger Klassiker. Aber da Sie das in Ihrer Rede, Herr Abg. Greilich, nicht weiter angesprochen haben, verzichte ich darauf, das Hohe Haus mit weiteren Zitaten aus Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu quälen.
Ich stelle zusammenfassend fest: Wenn es keine Fälle, keine Regelungslücke und keine ernsthaften Bedenken gegen die Tragfähigkeit der Rechtsgrundlage gibt, dann gibt es nur eines, was sich seit der letzten Novelle des Schulgesetzes geändert hat, nämlich dass der Termin der Landtagswahl deutlich näher gekommen ist. Sie wollen dafür einen symbolischen Punkt setzen. Das ist zwar nicht illegitim, aber über dieses Stöckchen springen wir nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich erspare Ihnen eine dritte Lesung; denn das macht wirklich keinen Sinn. Aber wenn sich alle Fraktionen gegen uns stellen, müssen Sie schon hinnehmen, dass wir wenigstens dafür sorgen, dass im Protokoll manches richtiggestellt wird, was hier quergeschrieben worden ist.
Angesichts der selektiven Herausnahmen muss ich zum Ergebnis der Anhörung sagen: Ich gebe zu, dass ich nicht al
les zitiert habe; aber ich habe die Punkte, auf die es ankam, zitiert. Das Ergebnis der Anhörung war: Es waren sich nicht alle einig, dass es unbedingt sein muss, aber es waren sich, bis auf wenige, die meisten einig – insbesondere die Staatsrechtler –, dass es mindestens zulässig, wenn nicht sogar erforderlich und auch sinnvoll ist, eine entsprechende Klarstellung in das Gesetz aufzunehmen. Das war der Befund.
Als kleiner Hinweis an den Kollegen Schwarz: Der „tosende“ Beifall aus der CDU-Fraktion nach Ihrem Beitrag hat gezeigt, dass man eigentlich lieber unserem Antrag zustimmen würde. Aber der Hinweis auf den Tarifvertrag hat überhaupt nicht gepasst. Es war in der Tat eine Schnapsidee, das Burkaverbot in einem Tarifvertrag unterbringen zu wollen.
Denn Tarifverträge oder andere Verträge sind in der Tat keine geeignete Grundlage für Eingriffe in die Religionsfreiheit. Das hat die Anhörung eindeutig ergeben, Herr Kultusminister. Darüber reden wir hier. Der Hinweis auf einen Tarifvertrag ist sicherlich nicht der entscheidende Punkt, aber das wollte ich zur Klarstellung sagen.
Spannend finde ich es, dass jetzt immer wieder behauptet wird, es gebe doch gar keinen Fall, in dem die von uns gewünschte Regelung eine Rolle spielen würde. Auch die Anzuhörenden haben keinen konkreten Fall gesehen. Selbst der Herr Minister hat sich eben zu dieser Behauptung verstiegen, es habe keine Fälle gegeben.
Jetzt wird mit dem Zwischenruf von der Regierungsbank: „In den letzten drei Jahren!“ zurückgerudert. – Ich darf daran erinnern, falls es dem Gedächtnis entschwunden sein sollte, dass der Kultusminister am 24. April 2018 hier ausführte:
Im Rahmen einer Abfrage zu Beginn dieses Jahres konnte allerdings festgestellt werden, dass es im Schuljahr 2014/2015 drei Fälle gab, in denen Schülerinnen vollverschleiert am Unterricht teilnehmen wollten.
Deshalb habe ich mir als letzten Punkt den „Erlass“ der früheren Kultusministerin Beer mitgebracht, von dem hier immer die Rede ist.
Das ist eine ganz spannende Geschichte. Um das klarzuziehen, Herr Kollege Schwarz: Das kam nicht aus dem Innenministerium. Es gibt etwas – um das geht es, ich erkläre es Ihnen gleich –, und das stammt aus dem Kultusministerium.
Das war aber kein Erlass, den Kultusministerin Beer oder der damalige Staatssekretär Lorz unterschrieben hat. Das,
was es gibt, was wir vom Kollegen Wagner und vom Kollegen Schwarz als „Erlass“ dargestellt bekommen, ist eine E-Mail vom 21. November 2012 an die Poststellen der Staatlichen Schulämter. Die E-Mail stammt von einem wichtigen und qualifizierten Mitarbeiter des Kultusministeriums. Darin heißt es – gerichtet an die Staatlichen Schulämter –:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Nachgang zur Dienstbesprechung der verwaltungsfachlichen Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamten weise ich aus gegebenem Anlass auf Folgendes hin …
Dann folgt die Darlegung der Rechtsauffassung, die heute schon mehrfach zitiert worden ist. Die E-Mail endet mit folgenden Worten, gerichtet an die Schulamtsjuristen:
Ich bitte, die Schulen, soweit im Einzelfall erforderlich, auf diese Rechtslage hinzuweisen. Mit freundlichen Grüßen
Was ergibt sich daraus? – Es gibt keinen Erlass der Ministerin, des Staatssekretärs oder der Hausleitung, sondern nur einen Hinweis, eine Auslegung, gerichtet von der oberen Verwaltungsebene an die nachgeordnete Verwaltungsebene. Das nennen Sie „Erlass“. Den oben zitierten Hinweis kennt im Schulalltag aber kein Mensch. Dementsprechend ist das Ganze intern geblieben. Für die Häme, die hier teilweise gegenüber den Schulpraktikern geäußert worden ist, gibt es in der Tat keinen Anlass. Es war ja schon in der Anhörung bemerkenswert, dass man versucht hat, den Schulleitern und Lehrern zu unterstellen, sie würden ihre Amtspflicht verletzen, wenn sie diesen „Erlass“ nicht kennen. Dieser „Erlass“ ist ihnen aber nie mitgeteilt worden.
Ich könnte, wenn ich Zeit hätte, zitieren, was die Vertreter der Schulen zu diesem „Erlass“ gesagt haben, ob sie ihn kennen und worum es darin überhaupt geht. Ich will aber Ihre Zeit nicht noch länger strapazieren. Das will ich Ihnen ersparen. Wenn Sie es lesen wollen, können Sie es nachlesen. Ansonsten hätten Sie damals eben zuhören sollen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes in zweiter Lesung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die FDP-Fraktion. Wer ist dagegen? – Die CDU, die SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE. Das ist mit klarer Mehrheit abgelehnt worden.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Hessisches Gesetz zum Wahlrecht für vollbetreute Menschen – Drucks. 19/6526 zu Drucks. 19/5271 –
Berichterstatter ist Abg. Alexander Bauer. Er ist nicht im Raum. Übernimmt jemand die Berichterstattung in Vertretung? – Herr Kollege Bellino.
Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich mit einem roten Ordner hier nach vorne gehe, der für Klarheit sorgt.