Ende Oktober letzten Jahres antworteten Sie im Umweltausschuss auf unsere Fragen zur blauen Plakette, dass diese ein Einfahrverbot zur Folge hätte, das zu einem deutlichen Rückgang des Verkehrsaufkommens führen würde, da mehr als 50 % der Fahrten mit Dieselfahrzeugen erfolgten. Richtig: Die blaue Plakette führt zu einem Einfahrverbot für alle Dieselfahrzeuge, die die Euro-6-Norm nicht erfüllen. Das sind die meisten. Diese Fahrverbote würden für ganze Stadtteile gelten und nicht nur für einzelne Straßenzüge. Noch heute steht die Überschrift „Blaue Plakette besser als Fahrverbote“ auf der Homepage des Umweltministeriums. Das ist Unfug. Nehmen Sie diese Fake News von Ihrer Ministeriumsseite.
Es sind Fahrverbote. Wenn es in Deutschland weiterhin keine Entschädigung für den Betrug der Automobilindustrie gibt, läuft die blaue Plakette darauf hinaus, Millionen von Dieselfahrerinnen und -fahrer für den Betrug der Autohersteller in Mithaftung zu nehmen. Das kann doch nicht Ihr Plan sein, Frau Ministerin. Das kann doch nicht die Position der Politik sein. Wir müssen doch die geschädigten Menschen an der Stelle vor der Industrie schützen, und Sie müssen die Verantwortung tragen.
Wie sollen die Betroffenen in die Städte kommen, wenn Sie außer dem Einfahrverbot durch die blaue Plakette keine Alternativen schaffen? Verbot ohne Ersatz – wie soll das gehen? Darüber hinaus braucht es für die blaue Plakette eine Bundesregelung. Meine wenig verwegene Prognose ist: Solange die CSU den Bundesverkehrsminister stellt, wird es keine blaue Plakette geben.
Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr die Kennzeichnungsverordnung ändern sollte, bräuchte die Hessische Landesregierung zur Umsetzung der Einfahrverbote wiederum ein weiteres Jahr. Laut Auskunft der Ministerin würden die Grenzwerte frühestens 2022/2023 eingehalten werden können. Frau Ministerin, das zeigt doch, dass es unrealistisch ist, das Stickoxidproblem mit der blauen Plakette zeitnah lösen zu wollen. Sie führen hier eine Phantomdiskussion, die von dem Unvermögen der GRÜNEN, die viel beschworene Verkehrswende einzuleiten, ablenken soll. Nichts anderes ist das.
Wenn wir die Klimaschutzziele einhalten wollen, müsste ab 2030 der Großteil des Verkehrs klimaneutral sein, d. h. auch ohne Diesel-Pkw auskommen. Daher ist es zu spät, sich jetzt für eine blaue Plakette und neue, vermeintlich saubere Diesel einzusetzen, die dann wiederum noch mehr als zehn Jahre fahren würden. Man muss den Menschen, die das Zeug kaufen, ja auch die Möglichkeit geben, es noch zu benutzen. Man kann sie nicht heute kaufen lassen und es morgen untersagen. – Haben Sie die Zeitabläufe völlig vergessen?
Wir müssen jetzt alle erdenklichen Maßnahmen für die Verkehrswende ergreifen. Wie sonst sollten wir die Klima
schutzziele des Pariser Abkommens erreichen? Weder Software-Upgrades noch die blaue Plakette, noch der für die meisten Menschen unerschwingliche Umstieg auf Elektroautos führen zum Ziel. Wir brauchen keine wirkungslosen Software-Upgrades. Wir brauchen Politik-Upgrades – und das heißt Verkehrswende.
empfehle ich ihnen einfach einen Blick in ihre alten Wahlprogramme. Dort steht das alles drin. Wenn wir die Verkehrswende machen wollen, wenn wir Klimaschutz ernst meinen und wenn wir lebenswerte Städte schaffen wollen, brauchen wir auch den Nulltarif. Verkehrswende heißt nicht nur ein massiver Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Verkehrswende heißt auch, allen Menschen den Zugang zur Mobilität zu ermöglichen und ihnen den Umstieg zu erleichtern, und zwar unabhängig von ihrem Portemonnaie. Wer auf sein Geld achten muss und sich ein Auto leisten muss – –
Wer sich ein Auto leisten muss, der kann es sich eben nicht mehr leisten, bei allen möglichen Gelegenheiten mit der Bahn zu fahren. Da ist überhaupt kein Jahrmarkt, da herrscht bittere Armut. Die geht in ganz vielen Teilen an Ihnen vorbei.
Überraschend und absurd ist es, dass sich in Hessen ausgerechnet Verkehrsminister Al-Wazir gegen die Einführung des Nulltarifs wehrt. Anstatt den Vorschlag der Bundesregierung aufzugreifen, den Nulltarif in Städten auszuprobieren und in die Diskussion über Möglichkeiten zur Finanzierung und Umsetzung einzutreten, rechnet der Minister Anfang dieses Jahres die Kosten für den Nulltarif bewusst hoch. Das ist unseriös.
Den vielfältigen Nutzen für Gesundheit, Umwelt, Flächengewinnung und Lebensqualität in den Städten ignorieren Sie schlicht und ergreifend. Was ist denn das für eine grüne Politik?
Dann kommt Hanaus Oberbürgermeister Kaminsky und erhält von der Landesregierung keine Unterstützung für sein Anliegen, ganz im Gegenteil. Er wollte den Nulltarif einführen. Er sagt, zu lange habe eine Mobilitätswende hin zu umweltfreundlicherem Verkehr auf sich warten lassen. Es ist höchste Zeit, zu handeln; das sagt ein Bürgermeister in diesem Land. In der Vergangenheit sei zu wenig beachtet worden, dass durch immer wiederkehrende Tarifsteigerungen Busse und Bahnen gerade für Menschen mit geringem Einkommen zunehmend schwer bezahlbar geworden sind.
(Holger Bellino (CDU): Na, na, na! – Dr. h.c. JörgUwe Hahn (FDP): Das macht ihr! Brabbeln von den Plätzen! Kollege Schaus! – Weitere Zurufe)
Gleichzeitig sei eine Gerechtigkeitslücke dadurch entstanden, dass Gruppen wie Landesbedienstete in Hessen in den Genuss von Gratisfahrten kämen.
Sie haben damit eine Neiddebatte erzeugt. Ich finde es richtig, dass die Landesbediensteten gratis fahren, aber alle anderen sollten das auch tun dürfen; denn die einen fragen sich schon, warum die anderen es bekommen, sie aber nicht.
Besonders die Menschen mit geringem Einkommen sind auf den ÖPNV angewiesen. Deshalb brauchen wir den Nulltarif. Er ist sozial und ökologisch sinnvoll.
Vielleicht könnten Sie an Ihrem persönlichen Verhalten noch ein bisschen arbeiten. Das würde sicherlich helfen.
Aber die schwarz-grüne Landesregierung weigert sich, die für den Nulltarif notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen
(Zuruf von der CDU: Benutzen Sie denn den ÖPNV? – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Natürlich!)
aber natürlich –, z. B. durch eine Änderung des Gesetzes über kommunale Abgaben. Unser Antrag eröffnet Ihnen Möglichkeiten, daran nochmals zu arbeiten. Dazu lade ich Sie herzlich ein.
Danke, Frau Kollegin Schott. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Dorn von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Schott, wir wissen, dass Sie sich in
Ob das die richtige Idee für eine linke Partei ist, müssen Sie selbst beurteilen. Aber ich würde Ihnen raten, wenn Sie das einzige Ziel haben, die GRÜNEN zu beschimpfen, dass Sie vielleicht auch Punkte heraussuchen, die Ihnen Anlass für Kritik bieten, anstatt viele Dinge vorzustellen, bei denen kein Mensch in diesem Raum versteht, worum es geht, und die überhaupt keine Faktenbasiertheit aufweisen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Es liegt an den Zwischenrufen von Herrn Boddenberg, dass man das akustisch nicht verstehen kann!)
Um alle Zweifel auszuräumen, zähle ich Ihnen auf, was Umweltministerin Priska Hinz für die Luftreinhaltung getan hat. Welche Umweltzonen sind gegründet worden, seit Umweltministerin Priska Hinz an der Regierung ist? – Dies war etwa in Darmstadt, Offenbach, Wiesbaden, Marburg und Limburg der Fall.
Wer kümmert sich denn im Bundesrat darum, Frau Kollegin Schott, für eine echte Hardwareumrüstung zu kämpfen? – Diese Umweltministerin.