Sie dürfen das nicht alles miteinander vermengen. Deswegen haben die FDP und wir gemeinsam eine erneute schriftliche und mündliche Anhörung dieser Änderungen beantragt, weil die von diesem Gesetz Betroffenen das Recht haben, vor diesem Parlament Gehör zu finden. Ich will Ihnen sagen: Das ist der Tiefpunkt des Parlamentarismus in Hessen, dass Sie dieses Gehör nicht einräumen.
(Lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))
Die Begründung im Ausschuss, warum Sie nicht erneut anhören wollen, ist echt putzig. Der Kollege Frömmrich von den GRÜNEN wird sie gleich noch einmal vortragen.
Ich kann auf das zurückkommen, was er gesagt hat: Er hat gesagt, er wisse gar nicht, was ich wolle. In RheinlandPfalz gebe es im Polizeigesetz auch eine Regelung zur Onlinedurchsuchung. – Ja, Herr Frömmrich, und das mag in der Sache auch berechtigt sein.
Aber man muss doch den Leuten, die das umsetzen müssen, die Gelegenheit geben, dazu gehört zu werden. Herr Frömmrich, wo sind wir denn hier? Seit wann hebeln Sie den Parlamentarismus aus?
Wir reden hier über nichts Geringeres als starke Grundrechtseingriffe im hessischen Polizeigesetz, und Sie verzichten mal eben so auf die Anhörung. Meine Damen und Herren, das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Ich glaube, dass selbst die, die solche Regelungen befürworten – dazu gehören wir durchaus auch – –
Aber was ändert es daran, Herr Kollege Wagner? Das rechtfertigt also demnächst, dass wir hier darauf verzichten, die Betroffenen, die Dinge umzusetzen haben, zu hören? Oder was ist das neue parlamentarische Verfahren, Herr Wagner?
(Lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los) – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Wagner, jetzt komme ich zu etwas, wo Sie leider durch müssen. Soll ich Ihnen wirklich noch einmal historisch erläutern, warum man Regelungen im Verfassungsschutzgesetz nicht einfach so mit Regelungen im Polizeigesetz vermauscheln sollte? Soll ich Ihnen das wirklich noch einmal sagen? – Auf der Grundlage des Bundesverfassungsschutzgesetzes aus dem Jahr 1950 wurde auf Bundesebene mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz ein zentraler Inlandsnachrichtendienst geschaffen, der gerade keine exekutiven polizeilichen Befugnisse hatte. Desgleichen wurden die Landesämter für Verfassungsschutz eingerichtet, die ebenfalls keine polizeilichen Befugnisse innehatten, was mit unserer furchtbaren Historie der Nazizeit zu tun hat. Damit waren erstmals in der deutschen Geschichte die Verfassungsschutzbehörden vollständig von den Polizeibehörden getrennt. Dieser Trennungsgrundsatz ist ganz entscheidend.
(Lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))
Der Verfassungsschutz arbeitet im Wesentlichen vor Entstehen einer Straftat, im Vorfeld einer konkreten Gefahr. Das ist bei der Polizei anders. Genau deshalb wäre hier eine Anhörung zwingend erforderlich gewesen.
(Lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))
Ich will einen weiteren Punkt aufgreifen, den Sie mit Ihren Änderungen in § 71a HSOG plötzlich neu einführen. Jetzt werden sich die Zuhörer wundern. Es geht um einen völlig neuen Sachverhalt. Es geht darum, dass Sie plötzlich die Möglichkeit für Sachkundeprüfungen bei der Hundeführung und eine elektronisch lesbare Kennzeichnung und Registrierung von Hunden einführen.
Meine Damen und Herren, was fällt Ihnen noch ein für die Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes in diesem Bundesland?
Ich stelle die Frage, die in einem Parlament sicher angemessen ist: Vielleicht wären dort die Kommunen zu hören gewesen. Ich halte diesen Sachverhalt für konnexitätsrelevant. Wer soll denn die Überprüfung der Sachkunde bei Hundeführern durchführen?
Wer soll das überprüfen, Herr Kollege Bauer? Auch das mauscheln Sie in diese Gesetzesänderung hinein. Was ist das für ein parlamentarisches Verfahren?
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP so- wie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))
Meine Damen und Herren, zum Ende will ich Ihnen noch einmal sagen: Im Verfassungsschutzgesetz ist immer noch die elektronische Wohnraumüberwachung enthalten, zu der Sie bis heute nicht beantwortet haben, warum Sie das als Instrumentarium einführen wollen. Vielleicht kann der Innenminister etwas dazu sagen, welche Fälle das betrifft.
Nach wie vor gibt es keine echte Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle, wie wir sie gefordert haben. Wir haben einen umfangreichen Änderungsvorschlag zum Verfassungsschutzgesetz, zu den Rechten der Parlamentarischen Kontrollkommission, vorgelegt, ebenso wie die FDP. Wir fordern Sie auf, unserem Änderungsantrag zu folgen und echte Verstärkung von parlamentarischer Kontrolle beim Verfassungsschutz vorzunehmen.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Ich kann Sie nur auffordern, nicht nur unserem Änderungsantrag zu folgen, sondern auch die umfangreichen Änderungen, die Sie im hessischen Gesetz über die Sicherheit und Ordnung vornehmen, einer erneuten Anhörung zuzuführen. Da ich eine gewisse Vermutung habe, dass Sie das nicht vorhaben, werde ich hiermit die dritte Lesung beantragen. – Herzlichen Dank.
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei der FDP und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es noch einen Beweis gebraucht hätte, dann haben wir ihn gerade erlebt. Der SPD geht es nicht mehr um Inhalte, sondern um Klamauk. Das wollen wir am Anfang dieser Debatte feststellen.
Kein einziges Wort zu wichtigen Eingriffsbefugnissen, kein einziges Wort zu dem, was hier war, sondern reine Kritik am Verfahren und ein reines Sich-daran-Aufhängen, wo das eine hinein- und das andere herausgekommen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Absurdität dabei ist, das wir im Prinzip nach der Anhörung das machen, was die Mitglieder der SPD-Fraktion gefordert haben. Von den gleichen Mitgliedern der SPD-Fraktion wird jetzt kritisiert, dass wir das machen. An Absurdität ist das nicht mehr zu überbieten.
Nach einer intensiven Auswertung der Anhörung zum Entwurf des Verfassungsschutzgesetzes haben wir, wie ich meine, eine gute Lösung für die in der Anhörung angesprochenen Kritikpunkte gefunden. Von vielen Anzuhörenden, von den Mitgliedern der Opposition, aber auch von Mitgliedern meiner eigenen Partei wurde kritisiert, dass die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und die Onlinedurchsuchung überhaupt als Eingriffsbefugnis im Verfassungsschutzgesetz normiert werden sollten. Nach intensiven Diskussionen haben wir uns dafür entschieden, diese beiden Maßnahmen aus dem Gesetzentwurf für das Verfassungsschutzgesetz zu streichen. Stattdessen wollen wir diese Maßnahmen im hessischen Polizeigesetz verankern. Das entsprach vielen Vorschlägen der Anzuhörenden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Ausgestaltung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Onlinedurchsuchung lehnen wir uns eng an die rechtlichen Regelungen in Rheinland-Pfalz an. Der Polizei sollen die Maßnahmen zur Verhinderung schwerer Straftaten gegen Leib, Leben und Freiheit oder solcher Taten vorbehalten bleiben, die den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen bedrohen. Diese Maßnahmen sollen also an sehr hohe materiell-rechtliche Hürden geknüpft werden.
Außerdem haben wir die entsprechenden Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich Organisatorischem und Verfahrensrechtlichem detailliert eingebaut. Die Grundsicherung ist vorgesehen.
Dazu soll es noch einen richterlichen Vorbehalt geben. Schon bei der Anordnung der Maßnahme bedarf es der richterlichen Entscheidung. Aber es ist nicht nur das. Auch bei der Auswertung der gewonnenen Daten soll noch einmal von einem Richter geprüft werden, ob der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betroffen ist. Wenn das der Fall ist, sollen die gewonnenen Erkenntnisse nicht verwendet werden dürfen. Die Daten müssten auf Anordnung des Richters unverzüglich gelöscht werden. Frau Kollegin Faeser, was ist daran zu kritisieren?
Ich will einmal sagen, wie Sie mit den Anzuhörenden umgegangen sind, über die Sie sagen, sie müssten gehört werden. Nach der Anhörung zum Entwurf des Verfassungsschutzgesetzes haben Sie eine Pressemitteilung herausgegeben, in der Sie geschrieben haben, alle Anzuhörenden hätten den Entwurf des Verfassungsschutzgesetzes in
Aber diejenigen, die dem zugestimmt haben – das waren die Vertreterinnen und Vertreter der Polizeigewerkschaften, der GdP, der DPolG und des Bundes der Kriminalbeamten, sie haben diesen Gesetzentwurf positiv bewertet –, haben Sie gerade einmal vergessen. Die wollen Sie in diesem Verfahren jetzt anhören. Liebe Frau Kollegin Faeser, an Absurdität ist das, was Sie heute hier geleistet haben, nicht zu überbieten.
Weiterhin sollen strenge Kennzeichnungs-, Protokollierungs- und Unterrichtungspflichten gelten. Das würde die betroffenen Personen in die Lage versetzen, die getroffenen Maßnahmen im Nachhinein vom Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen.
Das Gesetz verlangt auch technische Sicherungen. Bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung muss sichergestellt sein, dass ausschließlich die laufende Kommunikation überwacht und aufgezeichnet wird. Das muss technisch gewährleistet sein.
Das ist im Übrigen eine Auflage des Bundesverfassungsgerichts, die es im Zusammenhang mit der Rechtsprechung zum Bundeskriminalamt gemacht hat. Diese klare Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts ist in diesem Gesetzentwurf enthalten. Liebe Frau Kollegin Faeser, ich frage mich: Was gibt es daran zu kritisieren?
Bei der Onlinedurchsuchung muss als Voraussetzung die Abwehr einer dringenden Gefahr für die beschriebenen Rechtsgüter vorliegen. Damit würden wir über die Regelung in Rheinland-Pfalz hinausgehen. Dort fehlt das Merkmal der Dringlichkeit. Was ist daran zu kritisieren, dass wir uns gemeinsam nach langer Diskussion und intensiver Beratung dazu entschlossen haben, diese Maßnahmen ins Polizeirecht einführen zu wollen? – Nichts ist dagegen einzuwenden. Sie versuchen, hier reinen Klamauk zu machen. Liebe Frau Kollegin Faeser, das ist der Sache nicht angemessen.