Wir haben festgestellt, die SPD möchte den Betrag von 100 € für eine Freistellung bis zu fünf Stunden pro Tag festlegen. Das war damals noch kein sozialpolitischer Skandal; das war noch nicht der Untergang des Abendlandes. Das hat die Gemeinden noch nicht an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit gebracht, und Sie wollten es nur für das zweite Kindergartenjahr einführen.
Wir sind inspiriert, fragen uns, was man in dieser Systemlogik machen kann, und stellen fest: Fünf Stunden sind nicht genug, wir wollen eine Freistellung von sechs Stunden fördern. Wir sagen auch – das zeigen die Klagen der Kommunalen Spitzenverbände –, 100 € werden nicht reichen. Wir haben den Betrag auf 136 € hochgerechnet. Wir sind auch der Meinung, dass das erste und das zweite Kindergartenjahr einbezogen werden sollten; denn dadurch entsteht eine einheitliche Beitragsentlastung. Das Ganze legen wir vor.
Ich kann gar nicht ausdrücken, was es für eine Empörung gab. Ich habe die Pressemitteilungen der SPD gesammelt.
Ich kann gar nicht schildern, wie die Wortwahl war. Das reichte von „Murks“ über „grottig“ bis zu „unterirdisch“ und bezog sich auf das, was die Schwarz-Grünen vorgelegt haben. Das müssen Sie sich heute anhören. Wir legen heute einen Gesetzentwurf vor, der deutlich besser ist als das,
Wir brauchen die kreisfreien Städte nicht; die machen allein durch die Einsparung bei der Wirtschaftlichen Jugendhilfe einen Riesenschnitt. Sie sparen Millionen Euro dadurch ein. Aber auch die Kreise sparen bei der Wirtschaftlichen Jugendhilfe ein. Was ist das? Wir bezahlen für jedes in der Gemeinde gemeldete Kind 136 € pro Monat. Wenn die Eltern bisher keine Beiträge bezahlt haben, z. B. weil sie Sozialhilfeempfänger waren, haben die Kreise das erstattet. Diese Ersparnisse für die Kreise wird es on top geben. Das heißt, viele Kreise werden Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von Euro dadurch einsparen, dass sie von der Wirtschaftlichen Jugendhilfe entlastet worden sind, z. B. der Vogelsbergkreis.
Die Gemeinden bekommen für 100 % aller gemeldeten Kinder einen Zuschuss. Wir wissen um die Betreuungsquote von 92 oder 93 %. Das heißt, 92 bis 93 % der Kinder eines Jahrgangs gehen in eine Kita. Auch hier wird noch einmal ein Schnitt gemacht.
Da Sie gesagt haben, das betreffe nur kreisfreie Städte: Ich habe eine Vorlage aus Waldeck-Frankenberg mitgebracht. In Korbach waren es 105 €, in Frankenberg 100 € und in Twistetal und Edertal je 125 €. Ich bin viel getourt und weiß, in vielen Gemeinden liegt der Betrag darunter. Es gibt auch Gemeinden, in denen er höher ist. Aber dann ist es so, wie ich es eben beschrieben habe. Es werden nur 92 % der Kinder betreut, oder sie können darüber entlastet werden, dass die Kreisumlagen gesenkt werden.
Ihr letztes finanzpolitisches Argument war: Eigentlich greifen wir mit den 155 Millionen € für die Beitragsfreistellung den Kommunen in die Tasche. – Sie meinen damit, dass dieses Geld aus dem Kommunalen Finanzausgleich kommt. Sie verschweigen aber, dass im letzten Jahr der Kommunale Finanzausgleich um 386 Millionen € auf 4,7 Milliarden € angehoben wurde. Daher kann das nicht so sein.
Wenn man den Kommunalen Finanzausgleich von 4,3 auf 4,7 Milliarden € erhöht, kann es nicht sein, dass, wenn man 155 Millionen € davon zweckbindet, den Kommunen danach weniger übrig bleibt. Wenn Sie der Meinung sind, das war immer noch nicht genug – Ihre Rede kennen wir nun fast auswendig –:
2020 – 2019, hat mir der Kollege Kaufmann gerade gesagt – wird der Kommunale Finanzausgleich auf 5 Milliarden € erhöht. Es kann nicht sein, dass die Kommunen 2019 weniger Geld haben werden als vor der Einführung der KitaBeitragsfreiheit. Das ist Unfug, und das, was in dem Gesetzentwurf steht, ist richtig. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe auch noch ein paar Anmerkungen zu der munteren Debatte. Ich fange bei den Ausführungen des Herrn Rock an, die mich in der Tat etwas irritiert haben; denn sonst haben wir von der FDP immer gehört, dass die Menschen unbedingt mehr Netto vom Brutto brauchen und dass sie eigentlich selbst am besten wissen, wie sie das Geld ausgeben.
Jetzt, da es darum geht, Familien zu entlasten und den Kita-Besuch zwar leider nicht vollständig, aber zum Teil gebührenfrei zu machen, sagen Sie, das Geld wäre für die Betreuung viel besser angelegt. Ich finde, das ist eine etwas merkwürdige Aussage von der FDP.
Von daher sage ich für uns noch einmal ganz deutlich: Wir wollen eine vollständige Beitragsbefreiung, nicht nur für sechs Stunden. Wir haben in Hessen keine 30-StundenWoche, sondern die Menschen arbeiten in der Regel länger, und deswegen brauchen wir eine vollständige Freistellung von den Betreuungsgebühren.
Ich will noch eines sagen; denn die Mitglieder der Regierungsfraktionen und auch der Minister haben mehrfach Frankfurt angesprochen sowie die Kommunen, die jetzt angekündigt haben, dass sie die Betreuung komplett beitragsfrei machen können.
Das Wesen von Durchschnittsbeiträgen ist, dass die einen darüber und die anderen darunter liegen. Von daher mag es Kommunen geben, die es beitragsfrei machen können; aber es gibt eben auch Kommunen, die draufzahlen werden. Diese Kommunen müssen sich jetzt überlegen, woher sie das Geld bekommen. Das einfach wegzureden und auf die anderen Kommunen zu verweisen, die unter dem Durchschnitt liegen, das ist hanebüchen. Diese Frage wird sich jetzt in vielen Kommunen stellen. Dieses Problem haben Sie leider einmal wieder komplett an die Kommunen verschoben, anstatt sich selbst darum zu kümmern. Sie feiern sich dafür, und einige Kommunen haben damit ein wirkliches Problem.
Weil jetzt viel über die Historie gesprochen wird, habe ich mich deswegen gemeldet, damit im Plenarprotokoll die historische Wahrheit steht, dass der erste Gesetzentwurf, wie Sie alle wissen, von der Fraktion DIE LINKE eingebracht wurde.
Sei es drum, wir sind der Meinung, dass wir auch andere Gesetzentwürfe unterstützen, wenn darin etwas Vernünftiges steht. Aber den ersten Gesetzentwurf dazu haben wir eingebracht.
Ich verstehe die Debatte wirklich nicht so ganz. Die SPD hat vor einiger Zeit einen Gesetzentwurf eingebracht, der nicht so weitgehend war wie das, was Sie heute beschließen. Diesen Gesetzentwurf haben wir damals kritisiert, weil er uns nicht weitgehend genug war.
Wir haben ihn kritisiert, weil er nicht weitgehend genug war. Sie haben ihn kritisiert, weil er viel zu weitgehend war.
Es ist schon absurd, dass die SPD einen eher moderaten Gesetzentwurf, als Einstieg gedacht, eingebracht hat und Sie gesagt haben, das sei völlig unbezahlbar, was die SPD vorschlägt. Sie haben nicht gesagt, dass wir erst einmal die LFA-Verhandlungen und die Entwicklung der Finanzierungssituation abwarten sollen. Sie haben nicht gesagt, dass es sich eigentlich um eine gute Idee handelt und man schauen muss, wie man vorankommt. Das haben Sie damals nicht gesagt. Sie haben den Gesetzentwurf komplett zerrissen. Sie haben sogar die Idee zerrissen, indem Sie gesagt haben: Was ist denn das für ein Unsinn? Damit entlasten wir doch nur die Reichen. – Das war Ihre Argumentation.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das gilt jetzt plötzlich nicht mehr! – Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sollten lieber richtig zitieren, das wäre angebracht!)
Herr Bocklet, seien Sie doch nicht so aufgeregt. Gegen Sie ist unser HB-Männchen Bellino heute die Ruhe selbst. Das merke ich schon.
Deswegen finde ich die Debatte schon berechtigt. Sie hätten zum damaligen Zeitpunkt auch sagen können, dass es eine vernünftige Idee ist und man überlegen kann, wie man das Ganze anpackt und abwarten muss, was die LFA-Verhandlungen bringen. – Das haben Sie alles nicht gesagt. Jetzt haben wir die Situation, dass Schwarz-Grün so tut, als hätten sie die Kita-Gebühren abgeschafft. Das tun Sie nicht vollständig, das muss man immer wieder sagen. Außerdem lassen Sie die Kommunen mit einem großen Teil des Problems allein. Deswegen finde ich, dass diese Debatte keine Werbung dafür ist, wie wir in diesem Haus miteinander arbeiten.
Wenn Gesetzentwürfe eingebracht werden, die etwas Vernünftiges vorschlagen, muss man sie nicht zerreißen, um dann zwei Jahre später selbst etwas Ähnliches einzubringen. – Vielen Dank.
Dann lasse ich über den Gesetzentwurf unter Tagesordnungspunkt 94 abstimmen. Wer ihm seine Zustimmung gibt, bitte das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD, DIE LINKE und FDP sowie Frau Abg. Öztürk. Damit ist dieser Gesetzentwurf in
Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Chancengleichheit und zur Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung (Chancengleichheits- und Qualitätsverbesserungsgesetz – ChancenG) – Drucks. 19/6330 zu Drucks. 19/6265 zu Drucks. 19/5467 –
Frau Vorsitzende, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD und der LINKEN bei Stimmenthaltung der FDP, den Gesetzentwurf in dritter Lesung abzulehnen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Bächle-Scholz, für die Berichterstattung. – Erster Redner ist Kollege Merz für die SPD-Fraktion.