Protocol of the Session on April 25, 2018

Die Frage ist doch: Sind Sie wirklich ahnungslos, Herr Lorz, oder verbreiten Sie nur eitel Sonnenschein in der Öffentlichkeit und ignorieren alle Versuche, Ihnen die Probleme an den hessischen Schulen nahezubringen, weil z. B. nicht sein kann, was nicht sein darf? Wäre Letzteres der Fall, würde ich sagen: Ein solcher Kultusminister ist nicht tragbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein bildungspolitischer Sprecher, der wie eine hüpfende Schallplatte ständig wiederholt, an den hessischen Schulen sei alles bestens und so gut wie nie zuvor, wäre im Übrigen auch nicht tragbar. Herr Schwarz, Ihren eigenen Aussagen zufolge sind Sie ständig an den Schulen unterwegs. Dann erklären Sie mir doch bitte einmal, warum Sie nicht einen Blick auf die Vertretungspläne werfen. Über was unterhalten Sie sich eigentlich mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort?

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Sie wundern sich über die Politikverdrossenheit junger Menschen und über das fehlende Vertrauen in die Politiker. Hier haben Sie ein Paradebeispiel dafür, wie Politikverdrossenheit entsteht.

Frau Kollegin Faulhaber, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schwarz?

Der kann eine Kurzintervention am Schluss machen. – Da behauptet ein Kultusminister jahrelang, es gebe keinen Unterrichtsausfall an hessischen Schulen, und der Landesschülervertretung gelingt es, dies durch eine simple Abfrage zu widerlegen. Das ist irgendwie peinlich, oder? Das soll Vertrauen in die Politik schaffen? Das ist geradezu abenteuerlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir uns doch einmal an, was die Schülerinnen und Schüler erfragt und festgestellt haben. Sie haben herausgefunden, dass es einen wirklich massiven Unterrichtsausfall in Hessen gibt. Wir haben einmal hochgerechnet: Bei etwa 700 weiterführenden Schulen in Hessen fallen im Schnitt 23 Unterrichtsstunden pro Schule aus – täglich. Wenn man da nicht von einem massiven Unterrichtsausfall reden kann, Herr Lorz, wann denn dann?

Da hilft es auch nicht, dass Sie hier darstellen, wie komplex die Beurteilung von Unterrichtsausfall sei. Das weiß auch ich, denn ich war Lehrerin. Als hätten wir ausreichend viele Englischlehrer oder sonstige Fachlehrer als Vertretungsreserve. Natürlich stellen die Schulen Vertretungspläne auf, aber ob es ihnen mit ihrem Fachpersonal gelingt, eine fachlich und pädagogisch wirklich gute Vertretung zu organisieren, ist fraglich. Das weiß ich aus Erfahrung; da brauchen Sie mir nichts zu erzählen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird auch nicht besser, wenn immer wieder behauptet wird, der Unterrichtsausfall sei kein Thema. Die Behauptung, etwas sei kein Thema, wird nicht nur beim Unterrichtsausfall geäußert. Ebenfalls kein Thema für Sie sind die zahlreichen Überlastungsanzeigen Ihrer Lehrkräfte. Kein Thema ist für Sie die Gesundheit der Lehrkräfte, kein Thema ist für Sie eine gerechte Bezahlung der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer, kein Thema ist für Sie eine umfassende Bedarfsanalyse bezüglich des tatsächlichen Investitionsbedarfs für Schulgebäude, und kein Thema ist für Sie die Ungerechtigkeit in Bezug auf das Schülerticket.

Daher finde ich die Bezeichnung „Mister Ahnungslos“, die Ihnen die SPD gegeben hat, durchaus zutreffend. Sie weigern sich hartnäckig, diese Dinge zur Kenntnis zu nehmen. Was für Sie, Herr Lorz, kein Thema ist, wird von Ihnen auch nicht als Thema wahrgenommen. Dabei liegen wirklich beunruhigende Studien über Arbeitsbelastungen und über die Gesundheitszustände von Lehrerinnen und Lehrern aus anderen Bundesländern vor. Es interessiert Sie überhaupt nicht, wie es in Hessen aussieht. Das finde ich skandalös.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Wenn man das nicht zur Kenntnis nimmt, ist das skandalös. – Stattdessen verkaufen Sie uns gestern in einer Pressekonferenz die Mogelpackung, der Pakt für den Nachmittag sei ein Erfolgskonzept. Abgesehen davon, dass viele Betreuungseinrichtungen schon lange vor der Einführung des Pakts die gleiche Arbeit geleistet haben, für die sich Schwarz-Grün jetzt hier lobt, kann man eine Beteiligung von nicht einmal 20 % der Grundschulen doch nicht als einen großen Erfolg propagieren.

Sie führen in Ihrer Presseerklärung aus, 25 von 33 Schulträgern seien am Ganztagsprogramm beteiligt. Das klingt

zwar ganz gut, aber es sagt nichts über die Zahl der Schulen aus, die beteiligt sind. Dass 70 % der hessischen Schulen ein Ganztagsangebot hätten, ist einfach ein Gerücht. Wenn ab und zu einmal an einem Nachmittag eine AG stattfindet, ist das noch kein Ganztagsangebot.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei wird dieser Pakt von der schwarz-grünen Landesregierung noch nicht einmal finanziell getragen. Für die Finanzierung sind die Kommunen verantwortlich. Die Kommunen werden bei der Lobhudelei allerdings nicht berücksichtigt. Auf keiner einzigen der Pressekonferenzen oder Ausschusssitzungen, die sich um den Pakt für den Nachmittag drehten, war auch nur eine kommunale Vertretung anwesend.

Noch einmal kurz zum Ausgangspunkt zurück. So kann es ja nicht weitergehen. Wir fordern eine umfassende Bedarfsanalyse, die den tatsächlichen Lehrermangel erfasst und den zukünftigen Lehrerbedarf in Hessen hochrechnet.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei müssen sowohl der Unterrichtsausfall als auch die gesundheitlich bedingten Arbeitsausfälle erfasst werden. Herr Minister, Sie sagen ja immer, Sie wüssten noch nicht einmal die Höhe des Krankenstandes.

Es hilft auch nicht weiter, wenn Sie uns schöne Zahlen vortragen und alles in rosaroten Farben malen. Wenn ein Kultusministerium von den gesundheitsrelevanten Problemen nichts wissen will und keine Vorstellung von der Höhe des Unterrichtsausfalls und vom Lehrerbedarf hat, dann kann er auch nicht beurteilen, wie erfolgreich die eigene Arbeit ist. Daher brauchen Sie das hier nicht rosarot darzustellen. Sie wissen eigentlich gar nicht, ob Ihre Arbeit erfolgreich ist oder nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Diese gefährliche Nachlässigkeit darf nicht weiter auf dem Rücken von Lehrkräften, Schulleitungen sowie Schülerinnen und Schülern ausgetragen werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Es ist gut, wenn Ihr Adrenalinspiegel ein bisschen steigt.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Schwarz, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte, liebe Schülerinnen und Schüler, die auf die Tribüne sitzen, ich hoffe, dass die heutige Exkursion in den Hessischen Landtag interessant und erkenntnisreich ist.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Bis jetzt ja, aber damit ist es jetzt vorbei!)

Das ist ein Teil des hessischen Schullebens. Ich freue mich sehr, Sie heute hier begrüßen zu dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir steigen in die Debatte ein. Ich will eines vorwegstellen. Der Antrag der SPD-Fraktion ist unredlich. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist um keinen Deut besser, sogar noch schlimmer. Die Landesregierung, das will ich Ihnen sehr deutlich sagen, täuscht die Öffentlichkeit nicht, und die Landesregierung verschleiert nichts.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Die Wahrheit ist: Zur Unterrichtsabdeckung, zur Abdeckung dessen, was im Stundenplan steht, brauchen wir im Lande Hessen 38.300 Stellen. Wir haben 53.400 Stellen besetzt. Sie aber versuchen, hier eine Geschichte zu erzählen, um die Öffentlichkeit bewusst zu täuschen,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir haben nur Herrn Irmer zitiert! – Weitere Zurufe von der SPD)

um eine Stimmung zu verbreiten, die ganz bewusst gegen die Interessen der hessischen Schülerinnen und Schüler gerichtet ist.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und der LINKEN)

Es gab noch nie eine Landesregierung, die so hohe Mittel zur Verfügung gestellt hat wie diese. Die Opposition versucht, ein anderes Bild zu stellen, um die tatsächliche Lage an den hessischen Schulen völlig anders darzustellen, als sie ist. Das ist in der Tat unredlich. Weswegen machen Sie das, Herr Kollege Schäfer-Gümbel? Weil Sie nichts zu bieten haben – außer Klamauk.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Sie tun das, weil Sie mit Neid auf unsere Bildungspolitik und unsere kraftvolle Investitionsoffensive im Bildungsbereich schauen, weil Sie das, was wir im Lande Hessen leisten, nirgendwo zu bieten haben. Überall dort, wo Sie Verantwortung tragen, erreichen Sie nicht ansatzweise das, was wir an Lehrer- und Unterrichtsversorgung im Land Hessen schon lange vorweisen können und was von Jahr zu Jahr sogar noch ausgebaut wird. Das ist einzigartig. Weswegen machen Sie das? Weil Sie fast in eine Schockstarre verfallen sind, als Sie festgestellt haben, dass wir allein in dieser Legislaturperiode weitere 4.300 Stellen geschaffen haben.

Als die Wählerinnen und Wähler im Jahr 1999 die von der SPD angerichtete bildungspolitische Katastrophe abgewählt haben, gab es einen strukturellen Unterrichtsausfall in Höhe von 17 %. Dieser Unterrichtsausfall war also eingeplant. Das heißt im Klartext: Die Grundunterrichtsversorgung – über die im Lande Hessen kein Mensch mehr redet, die eine Selbstverständlichkeit geworden ist – hatten Sie so organisiert, dass von 100 Stunden, die im Stundenplan standen, per se 17 Stunden nicht gegeben wurden. Das hieß – in der Übersetzung auf die Stundentafel – bei 30 Stunden in der Woche konkret: Bei Ihnen fielen planmäßig und von vornherein fünf Stunden pro Woche aus.

(Zurufe von der SPD)

Das ist unter unserer Regierungsverantwortung völlig anders. Wir geben eine 105-%-Garantie. Die gibt es nur einmal, nämlich bei uns in Hessen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Ich will es noch einmal sagen, damit es der Öffentlichkeit klar ist: Wir haben 15.300 Stellen mehr besetzt, als wir für die Grundunterrichtsversorgung bräuchten, also für das, was im Stundenplan steht. Darauf sollten wir gelegentlich hinweisen.

Ich will ein Weiteres nicht unerwähnt lassen. Wir haben heute an den hessischen Schulen 80.000 Schülerinnen und Schüler weniger als 1999. Wir geben aber pro Woche 300.000 Stunden mehr Unterricht – obwohl wir 80.000 Schülerinnen und Schüler weniger haben als zu Ihrer Regierungszeit.

(Beifall bei der CDU)

Sie müssten mir einmal vorrechnen, wie hier irgendetwas schlechter geworden ist.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Es war Ihr bildungspolitisches Totalversagen. Wir haben die Scherben eingesammelt und das von Legislaturperiode zu Legislaturperiode in aller Konsequenz aufgebaut. Auf uns können sich die Schülerinnen und Schüler – –

(Unruhe)