Protocol of the Session on April 24, 2018

Wenn man bei diesem Thema von Glaubwürdigkeit spricht und andere angreift, sollte man erst einmal schauen, wie man selbst noch vor wenigen Wochen gesprochen und mit welchen Argumenten man genau die Politik abgelehnt hat, die man jetzt macht. Wenn Sie immer wieder davon sprechen, auch Qualität sei Ihnen wichtig, dann müssen Sie auch dafür eintreten, dass Qualitätsstandards in Gesetzen festgeschrieben werden; sonst wird sich die Qualität nur sehr langsam weiterentwickeln.

Die Frage bleibt immer, wenn wir uns einig sind, dass wir große Investitionen im frühkindlichen Bereich haben – das ist auch ein Hinweis an die Kollegen der SPD –, dass uns die Kinder das Wichtigste sind, und sagen, wir müssen uns für die Chancen dieser Kinder anstrengen, ob es dann klug ist, dass wir unser Geld nehmen, das wir zum Wohl der Kinder einsetzen könnten, und damit das Geld anderer substituieren. Dieses Geld steht den Kindern dann nicht mehr für bessere Chancen zur Verfügung. Das Geld, das Sie jetzt den Eltern als Sozialpolitik, als familienpolitische Maßnahme zur Verfügung stellen, können Sie nicht noch einmal für Qualität ausgeben. Dieses Geld hilft den Kindern in den Einrichtungen nicht. Wenn Sie, liebe Kollegen von der SPD, sagen, Sie wollten die Kommunen entlasten, und zwar massiv, dann ersetzen Sie kommunales Geld durch Landesgeld, aber auch dieses Mehrgeld wird den Kindern nicht in dieser Form zur Verfügung gestellt.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Es ist richtig, es wird ein paar Qualitätsverbesserungen geben. Wenn Sie sagen: „Wir nehmen das Geld und verbessern nur die Qualität“, würden Sie mehr erreichen.

Ich glaube, dass wir uns einig sind, dass Bildungseinrichtungen in Hessen kostenfrei sein sollen. Die Einrichtungen der frühkindlichen Bildung brauchen aber noch Investitionen. Ich habe 50 dieser Einrichtungen besucht, und ich werde noch einmal 50 besuchen. Wenn Sie das machen, dann sehen Sie, welche Bedarfe die Einrichtungen eigentlich haben. Herr Minister, wenn Sie 80 Millionen € nicht ausgeben können, dann würde ich den Fördermechanismus oder die Möglichkeit, überdenken, wie Sie das Geld unter die Kommunen bringen.

Die Kommunen, die ich kenne, geben erhebliche Investitionsmittel dafür aus, Gruppenplätze zu schaffen und zwar kurzfristig, gerade im Rhein-Main-Gebiet. Überdenken Sie lieber den Fördermechanismus, als sich hinzustellen und zu sagen: Da kommt einer und will das Geld haben. – Sie wissen genau, dass in unserem Land überall investiert wird. Sie wissen genau, dass es zu wenige Plätze sind. Gehen Sie also hin, und werden Sie Partner der Kommunen. Machen Sie nicht das Schwarzer-Peter-Spiel, sondern werden Sie endlich Partner der Kommunen und Partner der Eltern zum Wohle der Kinder in unserem Land. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Rock. – Wir sind am Ende der Debatte angelangt.

Die dritte Lesung ist beantragt. Deswegen überweisen wir den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der dritten Lesung an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches und anderer Rechtsvorschriften – Drucks. 19/6266 zu Drucks. 19/5472 –

Ich erteile zuerst der Berichterstatterin Frau Ravensburg das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD, der LINKEN und der FDP, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucks. 19/6235 in zweiter Lesung anzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Frau Ravensburg, für die Berichterstattung. – Ich eröffne die Debatte. Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Herr Dr. Bartelt für die CDU-Fraktion hat als Erster das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten schicken, freuen sich auf den 1. August.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Besuch von sechs Stunden täglich wird dann beitragsfrei. Das ist für alle Eltern eine massive Senkung des Beitrags. Die meisten Eltern müssen gar nichts mehr bezahlen.

Alle Eltern, deren Kinder drei Jahre den Kindergarten besuchen, sparen 5.000 €. Das sind 93 %. Das ist für die meisten jungen Familien sehr viel Geld. Das kommt auch den Kindern zugute: mehr Familienausflüge, dem Wachstum angepasste Kleidung, pädagogisch sinnvolles Spielzeug.

(Lachen bei der SPD)

Sie lachen darüber. Für viele Eltern ist das eine existenzielle Frage.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Beitragsfreiheit sind im Doppelhaushalt 2018/19 440 Millionen € eingestellt. Die Kommunen und die freigemeinnützigen Träger erhalten 135,60 € pro Kind, das in der Gemeinde wohnt. Der Beitrag ist der durchschnittliche Elternbeitrag in Hessen. Er wird ab 2020 dynamisiert. Zusätzlich werden im Doppelhaushalt 50 Millionen € zur Steigerung der Qualität zur Verfügung gestellt. Die jährliche Qualitätspauschale für Einrichtungen, die nach dem Bildungs- und Erziehungsplan arbeiten, steigt schrittweise von jetzt 100 über 175, 225 auf 300 €. Das betrifft 95 % der Einrichtungen.

Die Priorität Beitragsfreiheit für sechs Stunden wird von der großen Mehrheit begrüßt, weil sie dem Bedürfnis der Familien mit unteren und mittleren Einkommen entspricht. Es wurden aber auch zahlreiche Fragen gestellt. Auf einige möchte ich eingehen.

Die Eltern brauchen keinen Antrag zu stellen, um vom Landesgesetz zu profitieren. Die Unterstützung des Landes erfolgt gleichermaßen für kommunale, kirchliche oder andere Träger. Die Kommunen erhalten die Pauschale pro Wohnsitzkind, also auch für die 7 % der Altersgruppe, die keinen Kindergarten besuchen. Sie erhalten sie auch für

Kinder, für die das Jugendamt die Elternbeiträge übernimmt.

Die Eltern fragen nun, ob der Träger den Elternbeitrag für eine vielleicht benötigte siebte und achte Stunde unbegrenzt erhöhen könnte. – Nein, kann er nicht. Die Berechnung richtet sich nach dem Beitrag für die bisherigen Angebote der Betreuungsmodule. Wenn beispielsweise für sechs Stunden 120 € erhoben wurden, darf die siebte Stunde auch nur 20 € kosten.

In den Kommunen wird häufig erörtert, ob sich nun der Aufwand lohne, etwa 30 € für eine oder zwei zusätzliche Stunden in Rechnung zu stellen. Vielmehr wird geprüft, ob die Zuschüsse vom Land und gegebenenfalls Spielräume im kommunalen Haushalt ausreichen, um weitere Stunden beitragsfrei zu stellen. Das ist in sehr vielen Kommunen so.

In Frankfurt am Main z. B. beträgt das sogenannte Regelentgelt Stufe 1 für eine Betreuung von sieben Stunden 118 €. Das sind 17 € pro Stunde. Die 135 € reichen also punktgenau aus, um acht Stunden beitragsfrei zu stellen. Deshalb hat sich der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt Feldmann ausdrücklich beim Land bedankt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Hätte ich ihm nicht zugetraut!)

Und er hat gesagt: Es sind keine zusätzlichen Mittel erforderlich, um den gesamten Kindergartenbesuch beitragsfrei zu stellen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So war es zumindest in der „Frankfurter Rundschau“ und der „Frankfurter Neuen Presse“ zu lesen.

Ich habe mir natürlich auch die Satzung der Universitätsstadt Gießen angesehen. Sie werden das auswendig kennen.

(Gerhard Merz (SPD): Nicht ganz!)

Ich musste das nachlesen. Die Elternbeiträge sind dort einkommensabhängig. Ich habe nun eine überdurchschnittliche Einkommensgruppe ausgesucht: Bei einem bereinigten Nettoeinkommen – das ist das Bruttoeinkommen minus Steuern, minus Sozialversicherung und auch minus Miete – von 2.000 €, das ist dann also schon ein überdurchschnittliches Einkommen, müssen für das erste Kind 124 € bezahlt werden. Das liegt also auch noch unter den 135,60 €. Also auch da ist ein Spielraum vorhanden.

Dort, wo der Elternbeitrag heute eben unter 135,60 € liegt, haben die Träger die Möglichkeit der Beitragsfreistellung für weitere Stunden, für finanzielle Anreize für die Fachkräfte oder zusätzliche Angebote der frühkindlichen Bildung. Das werden sie diskutieren und entscheiden.

Durch dieses Gesetz wird das Versprechen unseres Ministerpräsidenten erfüllt: Bei Neuordnung des Länderfinanzausgleichs werden die Eltern für den durchschnittlichen Besuch des Kindergartens von Beiträgen freigestellt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine solche familienfreundliche Regelung für die ganzen drei Jahre Kindergartenbesuch gibt es bislang nur in Rheinland-Pfalz, Hamburg und Berlin. Hessen kommt jetzt

hinzu. Hessen ist hier vorbildlich. In Niedersachsen wird das ebenfalls diskutiert.

Die Eltern profitieren schon ab dem 1. August dieses Jahres von der Neuerung, obgleich die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs erst in zwei Jahren greifen wird. Für weiter gehende Forderungen haben wir durchaus Verständnis – Beitragsentlastung auch für U-3-Kinder, Förderung der Leitungsfreistellung, Ausfallzeiten. Aber wir müssen eben Prioritäten setzen. Und wir wollen das Ganze solide finanzieren und eben keine neuen Schulden aufnehmen. Wir wollen den Kindern, die wir jetzt unterstützen, wenn sie erwachsen sind, keine Schulden hinterlassen.

Wenn eine Familie pro Kind um 5.000 € entlastet wird, dann ist das eine Steigerung sowohl der Lebensqualität als auch der Qualität der Erziehung.

(Beifall bei der CDU)

Die zusätzliche Förderung der Qualität können die Einrichtungen flexibel gestalten. Da haben wir Vertrauen in die Träger. Mit der schrittweisen Verdreifachung der Pauschale werden aber auch die Anforderungen erhöht.

Das Inkrafttreten dieses Gesetzes wird ein guter Tag für die jungen Familien in Hessen sein. Und das wird mehr und mehr auch von der Bevölkerung und allen Beteiligten so gesehen. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Bartelt. – Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Merz zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Vorteil, nach Ihnen zu reden, ist, dass man das Pult nicht mehr hochstellen muss. Das ist wirklich gut.

Herr Kollege Dr. Bartelt, mir sind zwei Zitate aus dem „Wallenstein“ eingefallen, weil ich das gerade wieder gesehen habe: „Vor Tische las man‘s anders.“ Das war das eine Zitat. Ich könnte Ihnen jetzt eine lange Liste von Zitaten nennen – ich würde es gern tun, wenn ich ganz viel Zeit hätte –, und zwar von Zitaten aus Ihren Reden aus den vergangenen Jahren, wo Sie von all dem, was Sie jetzt mit tremolierender Stimme über die Entlastung von Eltern und über die vielen zusätzlichen Ausflüge gesagt haben, kein Wort erwähnt haben, sondern mehr oder weniger wörtlich gesagt haben: Das ist ein großartiges Subventionsprogramm für besser verdienende Eltern. – So viel zu dieser Frage.

Das zweite Zitat aus Wallenstein lautet: „Spät kommt Ihr – Doch Ihr kommt! Der weite Weg, Graf Isolan, entschuldigt Euer Säumen.“