Protocol of the Session on March 22, 2018

(Dr. Daniela Sommer (SPD): Nein, Sie haben nicht richtig zugehört!)

Wenn Sie diese Forderung nicht aufrechterhalten, ist es gut, dass wir das hier einmal öffentlich geklärt haben. Das nehme ich zur Kenntnis.

(Marius Weiß (SPD): Wir haben die Forderung gar nicht gestellt! Es ist nicht so, dass wir sie nicht aufrechterhalten!)

Auch Herr Weiß fordert nicht mehr, dass sich die Landesregierung für den Erhalt der Klinik einsetzt, sondern sie soll einfach sagen, was sie vor Ort macht. Da gibt es gar keinen Dissens.

(Zurufe von der SPD)

Wenn es eine kommunale Lösung gäbe, würden wir sie sofort unterstützen. Aber solange Sie immer so empört tun und sagen: „Die Landesregierung tut zu wenig für den Erhalt“, sind wir im Dissens. Offensichtlich wollen Sie das auch nicht, sondern Sie fordern die Kommunalos auf, das zu machen. Da gehen wir gern mit.

Zweitens. Was das Problem betrifft, dass es zu wenige Hebammen gibt: Ich komme aus einer Großstadt und habe selbst zwei Kinder. Seit zehn Jahren gibt es dort Probleme.

(Dr. Daniela Sommer (SPD): Sie haben doch gesagt, es gibt kein Problem!)

Frau Dr. Sommer, leihen Sie mir Ihr Ohr, ich habe wenig Zeit. – Das Problem war nur: Wenn man mit den Vertreterinnen der Berufsverbände der Hebammen geredet hat, konnten sie keine Zahl nennen und nicht sagen, wo sie genau fehlen, sodass das Nachsteuern schwierig ist. Das Hauptproblem sei die Versicherung gewesen, die nicht gezahlt werde. Das ist ein Problem auf der Bundesebene; das lösen Sie nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Dr. Daniela Sommer (SPD))

Hören Sie auf mit diesem Lärm. – Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben mit den Akteuren der Hebammenvertretungen erreicht, dass es eine profunde Untersuchung dazu gibt, wo was fehlt. Dort werden wir nachsteuern. Wir sind sogar bereit, die Versicherung zu ersetzen, wenn es irgendwann so weit kommt. Aber das, was Sie auf der Bundesebene machen, ist null Komma null. Meine sehr verehrten Damen und Herren, erzählen Sie uns nichts über Hebammenprobleme.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der SPD)

Danke, Herr Kollege Bocklet. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Grüttner. Bitte schön, Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, bitte ein bisschen mehr Ruhe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die Beiträge der Redner der Oppositionsfraktionen hört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass wir in Deutschland ein schlecht funktionierendes, das Leben gefährdendes und in den Kinderschuhen steckendes Gesundheitswesen hätten. Wir haben in Hessen, in Deutschland und im internationalen Vergleich ein großartiges Gesundheitswesen, eine hervorragende Medizin. Dazu tragen viele Tausende Menschen bei, die in Krankenhäusern, in Praxen und in der Pflege tätig sind. Zuallererst gilt es, ihnen ein herzliches Dankeschön auszusprechen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das bedeutet aber nicht, dass man die Augen vor den Arbeiten und den Aufgaben verschließen sollte, die man angehen muss, um die Strukturen zu verbessern.

Dann wird so getan, als ob das Thema neu wäre und die Opposition es gerade erfunden hätte. Die vorherige Landesregierung hat bereits 2011 – diese Landesregierung hat es 2014 fortgesetzt – mit allen Beteiligten in Hessen einen Pakt zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum, geschlossen.

Frau Dr. Sommer, Sie wollen ein paar Zahlen und Antworten hören. Dann sage ich Ihnen einmal, was wir machen.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Wir fördern das sogenannte Praktische Jahr im Wahlfach Allgemeinmedizin sowie das Absolvieren der Famulatur in Lehrpraxen mit rund 600 € im Monat. Wir fördern über das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin mit einem Gehaltszuschuss von 4.800 € monatlich. Wir sind diejenigen, die an den Universitäten Marburg und Frankfurt Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin eingerichtet haben, die wir mit 250.000 € per annum fördern.

Wir fördern die Ansiedlung in Gebieten mit einem besonderen Versorgungsbedarf, indem wir je Praxis rund 66.000 € Investitionskostenzuschuss gewähren. Die KV gibt Honorarumsatzgarantien; wir übernehmen die Kinderbetreuungskosten und gewähren Umzugskostenzuschüsse.

In der Pflege haben wir die anteilige Übernahme der Finanzierung der schulischen Ausbildung. Gleichzeitig beteiligt sich das Land Hessen an der Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege des Bundes. Wir haben einen generellen Neuzuschnitt bei den Gesundheitsberufen und den Fachberufen zu verzeichnen. Er ist auch notwendig, damit die qualitativen Anforderungen berücksichtigt werden. Deswegen haben wir in den Koalitionsvereinbarungen auf der Bundesebene verabredet, dass umgehend ein neues Pflegeberufegesetz auf den Weg gebracht wird.

Zur Förderung von sektorenübergreifenden Kooperationen stellten wir im Zeitraum von 2014 bis 2017, also in dieser Legislaturperiode – weil Sie gesagt haben, wir müssten anfangen –, insgesamt 2,4 Millionen € zur Verfügung, die eingesetzt werden können. Gleichzeitig haben wir in dem gemeinsamen Gremium nach § 90a SGB V eine Arbeitsgruppe zur sektorenübergreifenden Bedarfsplanung und zur Neustrukturierung der Notfallversorgung eingerichtet.

Wir haben am Klinikum Frankfurt-Höchst gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung einen Modellversuch eingerichtet, bei dem es um eine zentrale Anlaufstelle und das Weiterleiten von Patienten geht, wobei diese Frage eine Rolle spielt: Ist das ein Notfall, der klinisch versorgt werden muss, oder ist das ein Notfall, der ambulant versorgt werden kann? Diesen Modellversuch fördern wir in den nächsten drei Jahren mit mehreren Hundertausend Euro. Wir haben eine ganze Reihe von Partnerpraxen gewonnen, die an diesem Modellversuch teilnehmen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Digitalisierung nutzen wir als Mittel zum Zweck, als Hilfsmittel. In diesem Zusammenhang erproben wir in den unterschiedlichsten Bereichen den Einsatz von digitalen Instrumenten, um Versorgungssicherheit, gerade im ländlichen Raum, gewähren zu können. Dafür werden wir jährlich rund 6 Millionen € zur Verfügung stellen.

Wir haben in dem Bericht „Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen“ einer gemeinsamen Expertengruppe der Gesundheitsministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz – bei der das Land Hessen federführend tätig war; das war übrigens im Jahr 2015, auch keine neue Erfindung von Ihnen – festgehalten, dass wir in vielen Bereichen strukturelle Veränderungen haben und dass damit auch eine deutliche Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze einhergehen sollte. Im „Masterplan Medizinstudium 2020“ haben wir das festgehalten; das ist im letzten Jahr beschlossen worden. Im Koalitionsvertrag findet es sich noch einmal wieder.

Wir haben in Hessen ein leistungsfähiges Notfallversorgungssystem. Insbesondere aufgrund des Einsatzes von IVENA – ein Exportschlager, der inzwischen auch im europäischen Ausland Anwendung findet – können wir verunfallte Menschen zielgerichtet in die Krankenhäuser bringen, die für die optimale Versorgung geeignet sind.

Zurzeit legt eine Grippewelle viele Kapazitäten in den Krankenhäusern lahm. Dies ist eine saisonale, eine punktuelle Angelegenheit. Wenn wir wissen, dass die Grippewelle zu einem bestimmten Zeitpunkt kommt, werden wir uns mit den entsprechenden Gesprächspartnern darüber auseinandersetzen – dazu haben wir sie bereits eingeladen –: Krankenhausträger werden dann Urlaubssperren verhängen müssen, und wir werden Rehakliniken einbeziehen, um die entsprechenden Aufnahmekapazitäten zu haben. Wir müssen in Zukunft unsere Förderungen mit entsprechenden Gegenleistungen in diesem Bereich verbinden.

Wir werden uns im Rahmen einer jetzt vom Bund eingesetzten Arbeitsgruppe zur sektorenübergreifende Versorgung aktiv dafür einsetzen, dass eine gemeinsame Bedarfsplanung gemacht wird. Wenn Sie den Koalitionsvertrag richtig durchlesen – einige aus Ihrer Fraktion haben ihn mit unterschrieben –, stellen Sie fest, dort steht, dass bei der Notaufnahme erstmalig eine gemeinsame Finanzierung von Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenhaus auf

den Weg gebracht werden soll. Wenn es an einer Stelle gelingt, die Sektoren, die bei diesen Finanzierungsfragen immer vorhanden sind, zu überwinden, habe ich die Hoffnung, dass das in Zukunft auch in anderen Bereichen so sein wird.

Lassen Sie mich noch sagen, dass wir in Hessen eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung mit Krankenhäusern haben. Wir haben in den letzten 15 Jahren in Hessen eine ausgesprochen gute Krankenhausstruktur geschaffen. Wir haben mehr als alle anderen Länder für die Investitionsförderung ausgegeben, und wir haben damit auch in vielen Fällen kleine Standorte dort konsolidiert, wo sie für die Versorgung erforderlich sind. Wir haben schon vor zehn Jahren Erreichbarkeitskriterien als Grundlage für die Krankenhausplanung genommen. Diese Kriterien sind ganz aktuell vom Bund übernommen worden; wir machen das schon seit Langem.

Nun will ich noch etwas zu der Klinik in Bad Schwalbach sagen: Wenn ein Krankenhaus geschlossen zu werden droht, breiten sich Ängste und Sorgen aus; die sind auch nicht wegzudiskutieren. Aber es lohnt sich, einmal auf die Fakten zu schauen. Im Jahr 2000 hatte das Krankenhaus in Bad Schwalbach noch 150 Betten, die zu 76 % ausgelastet waren. Dies war der Zeitpunkt, an dem sich der Kreis entschlossen hat, das Krankenhaus zu privatisieren. Das ist 18 Jahre her. Es war keine Entscheidung des Landes, sondern ausschließlich eine Entscheidung des Rheingau-TaunusKreises.

Mittlerweile hat das Krankenhaus noch 110 Betten, eine Auslastung von 43 % und 17.000 Behandlungstage. Das liegt nicht daran, dass es heute weniger kranke Menschen gibt als damals, sondern vielmehr daran, dass die Bevölkerung das Krankenhaus zunehmend nicht mehr in Anspruch nimmt und lieber in andere Krankenhäuser geht.

Das Leistungsspektrum der Kliniken, also die Fallpauschalen, die tatsächlich erbracht werden, beträgt im RheingauTaunus-Kreis etwa 21.000 Patienten jährlich. Davon gehen aber nur noch knapp 3.000 in das Krankenhaus nach Bad Schwalbach, d. h. ein Anteil von 15 %. 85 % der Menschen, die sich zur Behandlung in ein Krankenhaus begeben und im Rheingau-Taunus-Kreis leben, gehen von sich aus in ein anderes Krankenhaus. Das ist eine Entscheidung, die der einzelne Patient zu treffen hat.

Außerdem behandelt das Krankenhaus in Bad Schwalbach bei den Fällen, die noch vorhanden sind, zu einem Großteil Patienten, die in anderen Bundesländern längst ambulant versorgt werden. Die häufigsten Operationen im Krankenhaus in Bad Schwalbach sind Varizen-Eingriffe. Ich nehme an, dass Sie wissen, was das ist. Das sind Krampfadern. Diese haben aber nichts mit einer Notfallversorgung zu tun, allenfalls wenn die Besenreiser ein kosmetisches Problem darstellen, sodass man sie gern weg hätte. Aber lebensbedrohlich sind sie nicht. Das ist der Großteil der Eingriffe, die in Bad Schwalbach vorgenommen werden. Es wird aber erklärt, für die Notfallversorgung sei dieses Krankenhaus unverzichtbar. Daran ist nicht zu denken.

Im Übrigen wird der Gemeinsame Bundesausschuss in den nächsten Jahren, nach dem Prinzip: „Übung macht den Meister“, zunehmend Mindestmengen als Kriterium für die Aufrechterhaltung von Krankenhäusern im SGB V schaffen. Auch dies würde sich auf ein so kleines Haus wie in Bad Schwalbach auswirken. Schwere Schlaganfälle, schwere Herzinfarkte, schwere Verkehrsunfälle werden

schon seit Jahren nicht mehr nach Bad Schwalbach gebracht, sondern in andere Bereiche. Es gibt ganz eindeutige Kriterien des G-BA, die zugrunde gelegt werden, wenn ein Antrag auf Schließung eines Krankenhauses gestellt wird. Diese Kriterien sind durch die Hessen Agentur errechnet worden.

Im Übrigen hat der Kreis gesagt, dass er mit dieser Berechnung nicht einverstanden sei; und hat ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben. Wenn meine Informationen stimmen, dann hat die Erste Kreisbeigeordnete gestern im Gesundheitsausschuss des Hessischen Landkreistages gesagt, es lägen die Ergebnisse eigener Untersuchungen vor, und sie legten keine anderen Ergebnisse zugrunde als die der Hessen Agentur. – Auch an dieser Stelle sehen Sie: Es ist alles rechtmäßig. Die Versorgung ist gesichert. Wir haben eine Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Staatsminister. – Wir gehen fröhlich in eine zweite Runde.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich bezweifle das Wort „fröhlich“!)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Schott zu Wort gemeldet.

Herr Minister, Ihre Welt scheint in Ordnung zu sein; aber dann wundert mich nur, dass wir in diesem Bundesland völlig überlastete Ärzte haben. Ich habe mit Kardiologen gesprochen, und diese sagen mir: Ich arbeite zehn Stunden am Tag nur am Patienten, und dazu kommt noch die Verwaltung. Ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende. – Eine normale Wartezeit, um im ländlichen Raum einen Facharzttermin zu bekommen, beträgt bis zu sechs Monate. Herr Minister, das finden Sie also in Ordnung? Ein Gesundheitsminister, der meint, dass 50 km zum nächsten Krankenhaus bei einer Entbindung eine zumutbare Entfernung sein könnten, ist in meinen Augen kein Gesundheitsminister, sondern frauenfeindlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir Patienten über 100 km weit durch die Landschaft fahren, damit sie ein Klinikbett finden, finden Sie, dass dies in Hessen eine gute Situation ist? Wir haben in diesem Bundesland Landstriche, wo es keinen einzigen Kinderpsychotherapeuten mehr gibt. Herr Minister, auch das finden Sie gut? – Sie haben ja gerade gesagt, die gesundheitliche Versorgung sei in Ordnung. Wir haben ganze Landkreise ohne einen Kreißsaal. In den letzten sechs Jahren sind elf Kreißsäle geschlossen worden. Herr Minister, das finden Sie gut? Ist die Versorgung hier also gut?

(Michael Boddenberg (CDU): Wann reisen Sie mal wieder nach Venezuela, Frau Kollegin?)

Ich war dort überhaupt noch nie, Herr Kollege. Ich habe auch kein Interesse, dorthin zu reisen.

(Michael Boddenberg (CDU): Aber Ihre Kollegin fährt dort gern hin!)