Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben von der Kollegin gelernt. Das bestehende Vergabegesetz soll also nicht evaluiert werden, es soll komplett ersetzt werden, und zwar entsprechend den Vorstellungen, die Frau Wissler eben zu skizzieren versucht hat. Wenn dieses Gesetz tatsächlich das Licht der Welt erblicken sollte, müsste man sagen, dass der Staatsdirigismus in diesem Land wirklich Einzug gehalten hat.
Frau Wissler, nichts anderes wäre das nämlich: Wenn diese ganzen Maßnahmen ziehen sollten, würden Sie nicht mehr und nicht weniger machen, als in die gesamte Firmenphilosophie eines Unternehmens einzugreifen.
Sie würden in die Politik eines Unternehmens eingreifen, also in das, was man eigentlich als „unternehmerische Verantwortung“ bezeichnen würde. Frau Wissler, das, was Sie vorhaben, wird nicht zum Ziel führen; denn am Ende werden sich die Unternehmen nicht an Aufträgen der öffentlichen Hand beteiligen.
Das ist bereits jetzt in vielen Fällen so: Zumindest kleine und mittelständische Unternehmen wären bei diesem Spiel komplett draußen.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Klaus Peter Möller (CDU), Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP) und Hermann Schaus (DIE LINKE) – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Ich hätte es schön gefunden, wenn Sie sich mit dem bestehenden Tariftreue- und Vergabegesetz auseinandergesetzt hätten. Da hätten wir genug Aufgaben, z. B. wie das tatsächlich umgesetzt werden kann, was der Gesetzgeber hineingeschrieben hat.
Derjenige, der den Auftrag erhält, ist nicht automatisch der Billigste. Das ist nicht so angelegt. Das hat der Gesetzgeber nicht gewollt. Wir haben ein Stück weit ein Umsetzungsdefizit. Das liegt zum Teil daran, dass wir nicht mehr genügend Fachpersonal in den Behörden haben, das die Aufträge anständig prüfen kann. Damit wären wir übrigens bei dem Teil, den wir heute Morgen schon einmal diskutiert haben.
Es ist überhaupt nicht so, dass die Vergabe frei von Rechtsnormen wäre. Es müssen viele europäische, bundeseinheitliche und Landesvorschriften eingehalten werden.
Bereits heute fühlen sich kleine und mittelständische Unternehmen komplett von der Bürokratie überfordert. Bürokratie hat vor allem bei der Vergabe wirklich schwer Einzug gehalten.
Meine Damen und Herren, es beteiligen sich schon heute viele kleine und mittelständische Unternehmen nicht an einer öffentlichen Ausschreibung.
Ich glaube, wir sollten uns mit Ihren einzelnen Forderungen beschäftigen – Sie müssten sie selbst hinterfragen, zumindest die Gewerkschaften müssten diese hinterfragen –: Einführung eines Landesmindestlohns. Wir haben als FDP immer davor gewarnt, was passiert, wenn man einen gesetzlichen Mindestlohn einführt.
Frau Wissler, vieles davon ist eingetreten, es wird im Moment nur noch von einer guten Konjunkturlage überschattet.
Der Wettbewerb, wie hoch der Mindestlohn sein soll, wird mit Ihren vorgeschlagenen 12 € pro Stunde zum Ausdruck gebracht. Darf es immer noch ein bisschen mehr sein? Selbst wenn diese Landesregierung 12 € hineinschreibt, werden Sie 13 € fordern. Wie hält es eigentlich die Linksfraktion mit der Tarifautonomie in diesem Land?
Es interessiert Sie überhaupt nicht, weil Sie eine Staatswirtschaft haben wollen. Sie wollen eine andere Wirtschaftsordnung. Es wäre ehrlich, das auch zu sagen.
beim Equal Pay war es unter CDU und FDP und der Sozialdemokratie und selbst bei den GRÜNEN eher eine Frage, ab wann man den gleichen Lohn zahlt, aber nicht, dass man ihn von Anfang an zahlt. Insofern ist auch an diesem Punkt die Linkspartei komplett isoliert.
ILO-Kernarbeitsnormen – es ist schlichtweg nicht möglich, dass sie einen Nachweis dafür bringen, dass Waren, die eingesetzt werden, komplett diesen ILO-Kernarbeitsnormen entsprechen. Ein mittelständischer Unternehmer kann nicht nachweisen, dass das Baumaterial, das er aus dem Ausland bezieht, in der Bezugskette komplett diesen ILOKernarbeitsnormen entspricht.
Frauenförderplan für einen Betrieb ab 21 Mitarbeitern – Frau Wissler, ich kann nur sagen, Sie haben in einem Handwerksbetrieb wirklich nichts zu suchen, weil Sie keine Ahnung davon haben, wie es in einem solchen Betrieb aussieht.
Können Sie mir denn erklären, auf wen sich dieser Frauenförderplan beziehen soll? Bezieht sich das nur auf die gewerblichen Arbeitnehmer? Also soll derjenige den Vorzug erhalten, der möglichst viele Handwerkerinnen beschäftigt? – Das ist doch an der Lebensrealität vorbei. Frau Wissler, die Handwerksunternehmen nehmen doch gerne Frauen, die im Malerberuf oder im Elektrikerberuf arbeiten wollen. Diese Frauen gibt es überhaupt nicht,
Dann bleibt dieser Förderplan aber auch im Ansatz stecken. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Wie soll ein Betrieb mit 21 Mitarbeitern einen Frauenförderplan mit Aufstiegsmöglichkeiten für die Frauen darstellen? – Für einen Betrieb mit 21 Mitarbeitern, von denen der größte Teil mit Sicherheit im gewerblichen Bereich tätig ist, ist es schlicht unmöglich, was Sie hier fordern.
7 % Ausbildungsquote – ich wünsche Ihnen angenehme Verrichtung. Ein Elektroinstallationsbetrieb, der von zehn gewerblichen Mitarbeitern sieben Auszubildende hat, kann die Arbeit auf der Baustelle überhaupt nicht mehr darstellen. – Sie sind vollkommen an der Lebensrealität vorbei.
Das Schönste daran ist: Das soll alles auch noch umfänglich kontrolliert werden, von einer Wahnsinns-Mammutbehörde. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen. Ich glaube, dass sich das Instrument der Präqualifikation bisher sehr gut bewährt hat. Dem sollte man Rechnung tragen.
Ich will ausdrücklich für die Freien Demokraten sagen: Das, was auf manchen öffentlichen hessischen Baustellen mit Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern im gewerblichen Bereich passiert, ist schlichtweg kriminell.
Herr Schaus, wenn es dort tatsächlich solche Verhältnisse gibt, müssen wir uns darüber unterhalten, wie wir das, was im Moment im Tariftreue- und Vergabegesetz geregelt ist, die Einhaltung von Tarifverträgen, besser kontrollieren können, als das bis jetzt der Fall ist.
Ich habe es eben schon gesagt, die Präqualifikation könnte ein Instrument sein. Wir brauchen aber auch den Zugriff einer Behörde, einer unabhängigen Behörde. Der Zoll, der damit beauftragt ist, scheint überfordert zu sein. Wir wollen keine kriminellen Verhältnisse auf öffentlichen Baustellen des Landes Hessen.
Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Kinkel vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt beide Seiten gehört, die FDP mit extrem marktliberalen Ansichten und den Gesetzentwurf der LINKEN mit stark sozialistischen Ansätzen.