Protocol of the Session on March 21, 2018

Die Entwicklung und das Erwerben der notwendigen Kompetenzen für ein Leben in einer digitalen Welt gehen über notwendige informatorische Grundkenntnisse weit hinaus und betreffen alle Unterrichtsfächer. Sie können daher keinem isolierten Lernbereich zugeordnet werden. Der Medienkompetenz kommt als fächerübergreifendem Baustein der schulischen digitalen Bildung eine viel zentralere Rolle zu. Unser Bildungssystem muss die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, Medien zu verstehen, zu beherrschen, zu verwenden, zu gestalten und zu bewerten.

Bei der Medienkompetenz geht es folglich nicht nur um die technische Befähigung, sondern auch um einen kompetenten Umgang mit digitalen Medien und Informationen. Noch nie war es so einfach, an viele Informationen zu gelangen, und noch nie war es so schwierig, ihre Wahrheit, ihre Relevanz und ihre Glaubwürdigkeit zu bewerten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gerade deshalb ist es wichtig, schon früh die Fähigkeit auszubilden, mit der Vielfalt an Informationen souverän und verantwortungsvoll umzugehen sowie diese zu bewerten und einzuordnen.

Die neue Bundesregierung wird – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – hoffentlich schnell die Initiative ergreifen und gemeinsam mit den Ländern, Kommunen und Akteuren aus allen Bildungsbereichen eine gemeinsame Strategie für digitales Lernen entwickeln und umsetzen, die die Chance der neuen Medien für gute digitale Bildung entschlossen nutzt. Dass das Kooperationsverbot endlich fallen soll – viel zu spät, aber besser als nie –, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Bildung ist aber nach wie vor Ländersache. Es entbindet die Landesregierung nicht von ihrer Verantwortung, verloren gegangene Zeit endlich aufzuholen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist für die bildungspolitische Zukunft des Landes unerlässlich, dass Schülerinnen und Schüler die neuen Medien selbstbewusst und kreativ nutzen, aber auch mit Risiken – etwa in Bezug auf Suchtverhalten, Mobbing, sexistische und gewaltverherrlichende Inhalte – und dem Thema Datenschutz verantwortlich umgehen lernen.

Gleichzeitig sollen die Chancen der neuen Medien konsequent zur Gestaltung innovativer Lehr- und Lernprozesse und damit zur individuellen Förderung jedes Einzelnen herangezogen werden. Dazu benötigen die Schulen Ausbau, Wartung und Administration der technischen Infrastruktur, entsprechend qualifizierte Lehr- und Fachkräfte sowie die Versorgung mit schnellem Internet. Daher gestatten Sie mir eine Frage, Herr Veyhelmann: Sie sagen, in der Lehrerausbildung müssen Veränderungen in diesem Bereich vorgenommen werden. Warum haben Sie diese in den letzten vier Jahren eigentlich nicht vorgenommen?

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen den kompetenten Umgang mit digitalen Medien und den Erwerb medienpädagogischer Kompetenzen zu Grundbestandteilen der Ausbildung von Lehrkräften machen. Wir müssen digitale Bildungsinhalte in den Bildungsplänen, Ausbildungs- und Studienordnungen verankern. Wir müssen den Einsatz digitaler Unterrichtsmedien in Schulen zu alltäglichen Vorgängen machen. Wir müssen ermöglichen, dass digitale Lerninhalte frei verfügbar sind, damit sie von jedem Einzelnen bearbeitet und neu kombiniert werden können.

In inklusiven Bildungssituationen braucht es innovative Konzepte bei der Auswahl und den Zugang zu Lehr- und Lernmaterialien, die Unterschiede akzeptieren, Individualität unterstützen und für alle fruchtbar machen.

Nur wenn uns ein chancengerechter Aufbau der Medienkompetenz gelingt und wir die Menschen zur digitalen Selbstständigkeit befähigen, schaffen wir es,

Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen, Frau Kollegin.

dass zukünftig alle Menschen an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Potenzialen der Digitalisierung in Hessen teilhaben können. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Geis. – Als Nächster spricht Kollege May für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Reden der Oppositionspolitiker anhört, dann bekommt man den Eindruck, dass die Menschen bei uns im Land mit der Umsetzung der Digitalisierung an unseren Schulen sehr unzufrieden seien.

Ich hatte im Hinterkopf, dass es erst vor Kurzem eine Untersuchung zum Thema Digitalisierung gab. Es ist ganz praktisch, dass man hier im Plenarsaal auf kleinen Geräten nachschauen kann, was es mit dieser Untersuchung auf sich hat. Nach ein paar Klicks konnte ich feststellen: Am 4. Dezember 2017 erschien eine Mitteilung der Deutschen Telekom Stiftung, dass sie eine Untersuchung durchgeführt hat, die folgendes Ergebnis hatte: Lehrkräfte in Bayern,

Hessen und in Rheinland-Pfalz bewerten das Lernen mit digitalen Medien in ihren Schulen am besten. – Weiter heißt es: Die Lehrkräfte in Bayern, in Hessen und in Rheinland-Pfalz bewerten das eigene Lehren und das Lernen mit digitalen Medien deutlich besser als ihre Kolleginnen und Kollegen in den übrigen 13 Bundesländern. – Das sei zur Einordnung der Debatte am Anfang meiner Rede gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist vollkommen klar: Die Digitalisierung bietet als Gegenstand des Unterrichts und gleichzeitig als Möglichkeit, den Unterricht zu verbessern, eine große Chance.

Was die allgemeinen Aussagen zu Beginn des FDP-Antrags angeht, ist zu sagen: Manches ist richtig, aber insgesamt gesehen muss man feststellen, dass sich im Antrag der FDP-Fraktion wenig Neues wiederfindet, was das Thema voranbringen könnte.

Es ist völlig unstrittig, dass die Digitalisierung von Bildung große Chancen bietet. Die Landesregierung hat in diesem Bereich vieles auf den Weg gebracht, und das ist hier auch schon gesagt worden. Da aber meine Vorrednerin den Breitbandanschluss thematisiert hat, möchte ich daran erinnern, dass sich gerade diese Landesregierung mit dem Programm „Schulen ans Netz“ darum verdient gemacht hat, Schulen mit Breitbandanschlüssen auszustatten. Von daher sollten Sie sich an dieser Stelle einmal kundig machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Digitalisierung kann Unterrichtsinhalte tatsächlich greifbarer machen, kann den Unterricht bereichern. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen berichten, dass ich für mein erstes Staatsexamen eine Unterrichtseinheit im Bereich explorative Datenanalyse gegeben habe. Das ist ein Thema im Mathematikunterricht. Diese Unterrichtseinheit wäre ohne den Einsatz digitaler Medien in der Unterrichtspraxis unmöglich umzusetzen, weil der Rechenaufwand, würde man das händisch machen, zu groß wäre. Das ist ein Beispiel für eine Unterrichtseinheit, die ohne den Einsatz digitaler Medien nicht durchführbar wäre.

Während des Mathematikunterrichts im Referendariat habe ich dieselbe Software noch einmal eingesetzt, und zwar im Stochastikunterricht in der Mittelstufe, allerdings nur ergänzend, weil es mir sinnvoller erschien – das wird allgemein so gesehen –, digitale Medien nur unterstützend einzusetzen, da die Schülerinnen und Schüler die Vorgänge besser begreifen, wenn sie selbst einmal ein Zufallsexperiment ausgewertet haben und selbst rechnen. Wenn man den Computer alles rechnen lässt, ist das dem Aufbau mathematischer Kompetenz nicht förderlich.

Ich habe diese beiden Beispiele herausgegriffen, um Ihnen deutlich zu machen: Digitalisierung kann einen großen Mehrwert haben, aber es ist kein Selbstzweck, digitale Medien in den Unterricht einzubinden. Ihr Einsatz muss – wie jeder andere Einsatz von Medien – sorgsam überlegt sein.

Was in der Initiative der FDP-Fraktion meines Erachtens viel zu kurz kommt, ist der Umstand, dass die Digitalisierung auch insofern Gegenstand des Unterrichts sein muss, als ihre Folgen für die Wirtschaft und die Gesellschaft an sich thematisiert werden müssten. Mindestens genauso wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche medienkompetent werden, dass sie ihren eigenen Medienkonsum einschätzen können und digitale Medien richtig einordnen können. Es

ist festzustellen, dass bereits Kinder mit digitalen Medien, mit Endgeräten hantieren, die internetfähig sind. Sie haben mit ihren internetfähigen Endgeräten nicht nur Zugriff auf „fr.de“, auf Wikipedia oder auf Tutorials für den Mathematikunterricht, sondern eben auch Zugriff auf Propagandavideos des sogenannten Islamischen Staats, auf Seiten von Rechtsextremen und auf vieles andere Schlimme mehr. Das zeigt, dass die Chancen der Digitalisierung von großen Risiken begleitet werden. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass in Facebook-Gruppen Hetzkampagnen und Fake News verbreitet werden und dass es in WhatsApp-Gruppen Mobbing gibt.

Von daher gilt für uns GRÜNE: Wir finden es dringend notwendig, zu thematisieren, was mobile internetfähige Endgeräte mit unseren Jugendlichen und Kindern machen. Wo sind die Gefahren- und Missbrauchsquellen? Was müssen wir tun, um unsere Schülerinnen und Schüler stark zu machen, damit sie digitale Medien richtig nutzen? Das bedeutet ein verantwortungsvoller Umgang mit der Digitalisierung für uns GRÜNE. Der unkritische Ansatz der FDP-Fraktion geht an der Stelle am Ziel vorbei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die FDP hat stattdessen vor Kurzem plakatiert: „Digital first. Bedenken second.“ – Vielleicht hätte es eher heißen sollen: Denken second. – Wenn man sich diesen unkritischen Ansatz anschaut, dann wird deutlich, dass die Sorgen und Nöte, die die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern haben, die schon einmal in Kontakt mit einer gefährlichen Form des Medienkonsums geraten sind, die schon einmal Suchtverhalten beim Medienkonsum wahrgenommen oder gesehen haben, wie sich Mobbing auswirkt, negiert werden und dass dieser unkritische Ansatz eine verantwortungslose Art und Weise ist, sich dem Thema Digitalisierung zu nähern.

Die FDP-Fraktion fordert, das Land müsse viel Geld in die digitale Infrastruktur stecken. Auch an dieser Stelle sollte gesagt werden: Es ist zwar richtig, dass mehr Geld für die digitale Infrastruktur an den Schulen notwendig ist, aber auch an dieser Stelle wären wir schon um einiges weiter, wenn sich Herr Lindner nicht einfach vom Acker gemacht hätte, wenn er sich nicht einfach davongelindnert hätte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der FDP)

Zwischen den Sondierungspartnern war vollkommen unstrittig, dass man den Digitalpakt voranbringen möchte.

(Zurufe von der FDP)

Wir wären mit der Umsetzung des Digitalpakts schon viel weiter, wenn Sie sich an dieser Stelle nicht der Verantwortung entzogen hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Der Antrag der FDP-Fraktion ist an vielen Stellen sehr unbestimmt. Er führt in weiten Teilen auch nichts Neues aus.

Bedauerlich fand ich in diesem Zusammenhang den Redebeitrag der Kollegin Geis. Kollegin Geis hat im letzten Herbst eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. In der Antwort auf ihre Anfrage wurde mitgeteilt, was die Landesregierung in diesem Bereich alles auf den Weg gebracht hat. Es ist schade, Frau Geis, dass Sie diese Ausführungen bei der Vorbereitung auf ihren heutigen Re

debeitrag nicht herangezogen haben. Wenn Sie von der FDP-Fraktion sich die Antwort der Landesregierung auf diese Kleine Anfrage einmal anschauen würden, dann würden Sie feststellen, dass Sie mit Ihrem Antrag keineswegs weiter gegangen sind als das, was die Landesregierung ohnehin zu tun vorhat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Neben den vielen unbestimmten Zielen im Antrag der FDP-Fraktion gibt es ein konkretes Ziel, das da heißt – es wird als „vorrangig“ bezeichnet –, dass jeder Schülerin, jedem Schüler, jeder Lehrerin und jedem Lehrer ein Tablet gestellt werden sollte. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass hierfür 50 Millionen € ausgegeben werden müssten. Es ist leicht ersichtlich, dass das nicht stimmt. Wenn man von einem günstigen durchschnittlichen Kaufpreis von 250 € pro Tablet ausgeht und das auf die Anzahl der Personen hochrechnet, die ein Tablet bekommen sollten, dann kommt man auf rund 210 Millionen €. Bei einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von drei Jahren müssten wir jetzt 70 Millionen € zur Verfügung haben.

Vor allen Dingen stellt sich aber die Frage: Welchen Erfolg hätte diese isolierte Maßnahme? Ich will es einmal so ausdrücken: Das In-die-Hand-Drücken von Tablets macht niemanden digital fit. Wir können das daran feststellen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Abgeordneten in diesem Saal Tablets oder Smartphones benutzt, trotzdem aber nicht zum IT-Fachmann oder zum Programmierer geworden ist. Im Gegenteil, das IT-Referat des Landtags, das für die Computerausstattung zuständig ist, ist nicht arbeitslos geworden ist; denn viele von uns benötigen immer noch die über den Servicedesk zu erbittende Hilfe. Das zeigt doch ganz deutlich: Jemandem ein Gerät in die Hand zu drücken, bringt überhaupt nichts. Wir müssen uns zuerst darüber klar werden, was wir erreichen wollen, dann können wir die notwendigen Medien besorgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist uns GRÜNEN völlig klar, wir haben noch große Herausforderungen vor uns, was die Digitalisierung an den Schulen angeht – übrigens nicht nur an den Schulen: Die Themen „Digitalisierung an den Hochschulen“ und „Digitalisierung in der beruflichen Bildung“ kommen bei Ihnen gar nicht vor. Aber ich glaube, dass Ihre Pauschalkritik daran meilenweit vorbeigeht.

Aus grüner Sicht sind, was die Einbindung von Fragen der Digitalisierung betrifft, folgende Eckpunkte für die weitere Entwicklung der schulischen Bildung von besonderer Bedeutung – damit möchte ich schließen –: erstens Inhalte und Kompetenzen mit dem Medieneinsatz abstimmen sowie den sinnvollen Einsatz von digitalen Medien in allen Fächern definieren, zweitens die digitale Selbstbestimmung von Schülerinnen und Schülern fördern, drittens Medienbildung und Medienkompetenz als Querschnittsthema des schulischen Unterrichts ansehen und viertens informationstechnische Grundbildung und Stärkung der Informatik voranbringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege May. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Faulhaber, Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Natürlich gibt es Gründe, warum man sich im Landtag mit digitalem Lernen befassen muss. Insofern ist der Antrag der FDP zu begrüßen; denn er eröffnet die Möglichkeit, dieses Thema hier zu behandeln.