Klar ist, dass es diesen Handlungsbedarf gibt. Deswegen hat diese Landesregierung mit den sie tragenden Fraktionen auch vieles auf den Weg gebracht: 1,6 Milliarden € für Fördermaßnahmen, um diesen Wohnraum zu schaffen und dafür zu sorgen, dass wir mehr bezahlbaren Wohnraum für Geringverdiener auch im Ballungsraum bekommen.
1,6 Milliarden €, genau. – Aber wir alle wissen, dass der Engpass, den wir im Ballungsraum haben, um dort Gebäude zu errichten, das Bauland ist. Hier sind die Kommunen gefordert, mehr Bauland auszuweisen – erst dann können wir der Sache abhelfen.
Wenn Sie jetzt das Polizeipräsidium anführen, dann ist Ihnen auch bekannt, dass über die Frage, was auf dem Areal gebaut wird, ganz bestimmt nicht das Land Hessen entscheidet und noch nicht einmal der Käufer allein entscheiden kann, sondern er muss das auf dem Grundstück zu realisieren versuchen, was ihm die Stadt Frankfurt vorgibt, und zwar in Form eines rechtskräftigen Bebauungsplans. Das schließt nicht aus, dass der zukünftige Eigentümer und die Stadt Frankfurt Abweichungen von diesem Bebauungsplan vereinbaren. Aber es ist zunächst einmal nicht Sache des Landes, zu sagen, was auf diesem Grundstück errichtet werden kann.
Deswegen richten Sie auch diese Angriffe an die völlig falsche Stelle. In Frankfurt läuft seit sechs Jahren einer herum, der erzählt etwas von bauen, bauen, bauen – ein gewisser Herr Feldmann, den Sie hier zitiert haben.
Der hätte sich in den sechs Jahren dafür einsetzen können, den Bebauungsplan an dieser Stelle zu ändern.
(Beifall bei der CDU – Manfred Pentz (CDU): Wer hat denn die Verantwortung? Das ist der Oberbürgermeister! – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Dass Sie nun dem bisherigen Grundstückseigentümer, der dieses Grundstück verkauft, sagen, er müsse darüber befinden, was der spätere Erwerber darauf macht, das ist ziemlich absurd. Sie kennen doch die Rechtslage. Das wird nun einmal vorgegeben durch einen Bebauungsplan,
und den macht nicht das Land Hessen, sondern die Stadt Frankfurt. Herr Schäfer-Gümbel, wenn Sie sich ein bisschen mehr mit der Materie beschäftigt hätten, hätten Sie sich diese Rede in der Form sparen können.
Uns geht es darum, die Menschen, die Wohnraum brauchen, darin zu unterstützen, dass sie bezahlbaren Wohnraum finden, damit sie angemessen wohnen können. Wir haben sehr viele Programme auf den Weg gebracht, die auch wirken. Aber dieser plumpe OB-Wahlkampf, den Sie von diesem Pult aus versucht haben, der passt nicht zum Pult und der passt eigentlich auch nicht zu Ihnen. Das kann nur eine Entgleisung gewesen sein, was Sie heute abgeliefert haben.
(Clemens Reif (CDU): Fortsetzung der dauernden Entgleisung! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Reif, das sagen ausgerechnet Sie! Sie verstehen davon doch mehr als jeder andere in diesem Haus! – Glockenzeichen der Präsidentin)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wusste, dass die Situation auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt schlimm ist, aber im Oberbürgermeisterwahlkampf habe ich vieles gesehen und gehört, was meine Befürchtungen noch übertroffen hat. Mieter berichten von drastischen Mieterhöhungen, von Kernsanierungen in bewohnten Häusern, von Schikanen und Versuchen, Häuser aufzukaufen und zu entmieten, um sie in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Ganze Viertel werden gentrifiziert, Mieterrechte mit Füßen getreten.
Dass mit Mieterinnen und Mietern so umgegangen werden kann, ist nur möglich, weil in Frankfurt ein solcher Mangel an bezahlbarem Wohnraum herrscht. Und das Land Hessen verschlimmert die Situation noch, weil es sich verhält wie ein Spekulant und die Preise in die Höhe treibt.
Gestern wurde der Verkauf des ehemaligen Frankfurter Polizeipräsidiums bekannt gegeben. Das Gebäude gehört dem Land und steht seit 15 Jahren leer, 15.000 m² in Innenstadtlage. Das Polizeipräsidium wurde auf einen Wert von 70 bis 80 Millionen € geschätzt – verkauft wird es jetzt für 212 Millionen € an einen privaten Investor, mit größtmöglichem Gewinn. So heizt man Spekulation an. Frankfurts größter Spekulant, das ist derzeit das Land.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Wieso hat man das Gelände nicht genutzt, damit die Nassauische Heimstätte dort bezahlbare Wohnungen baut?
Sie ignorieren einmal mehr den dringenden Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Auf dem Gelände werden wieder größtenteils Büroräume, Hotels und Luxuswohnungen entstehen. Dabei haben wir in Frankfurt einen Leerstand an Büroflächen von über 1 Million m².
Von den 40 % Wohnbebauung auf dem Gelände sollen nur 30 % geförderte Wohnungen sein. Das sind gerade einmal 150 Wohnungen auf 100.000 m² Geschossfläche, und sie fallen dann aber nach 15 Jahren aus der Sozialbindung. Wie teuer die frei finanzierten Wohnungen werden, ist bei diesem horrenden Kaufpreis doch klar. Um den Kaufpreis wieder reinzukriegen, wird der Investor horrende Quadratmeterpreise von weit über 10.000 € verlangen. Deshalb: Was das Land hier macht, ist absolut inakzeptabel.
Meine Damen und Herren, die für Wohnungsbau zuständige Ministerin, Frau Hinz, hat die „Allianz für Wohnen in Hessen“ ins Leben gerufen und eine Broschüre mit Vorschlägen veröffentlicht, wie mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann – herausgegeben vom Ministerium, wohlgemerkt. Darin enthalten sind Handlungsempfehlungen für die Kommunen. Auf Seite 14 dieser Broschüre heißt es – ich zitiere –:
In der kommunalen Praxis herrscht vielfach noch die Grundstücksvergabe nach Höchstpreis vor. Dies geht häufig zulasten der Qualität der Wohnprojekte. Die Kommunen sollen daher verstärkt über die Prinzipien der Konzeptvergabe aufgeklärt werden.
Sie empfehlen den Kommunen, dass sie Grundstücke zu einem festen Grundstückspreis vergeben sollen. Entscheidend sollen Kriterien wie Wohnqualität und soziale Mischung sein und nicht der höchste Preis.
Aufseiten der Kommunen sollen Konzeptvergaben anstelle von Höchstpreisvergaben gängige Praxis werden.
Das empfiehlt die Landesregierung in dieser Broschüre den Kommunen – und treibt dann bei den eigenen Grundstücksverkäufen die Preise in die Höhe.
Freundlich, wie ich bin, habe ich dem Finanzminister die Broschüre ausgedruckt. Vielleicht könnte die Landesregierung einmal selbst damit anfangen, ihre eigenen Handlungsempfehlungen umzusetzen.
Die Geschichte des Polizeipräsidiums zeigt, wie irre die Entwicklung der Bodenpreise ist: Ein Grundstück, das 15 Jahre einfach nur leer steht, verdreifacht seinen Marktpreis. Das fatale Signal ist: Leerstand lohnt sich. – Deshalb ist es dringend notwendig, dass diese Bodenwertsteigerungen abgeschöpft und damit eingedämmt werden.
Jedes Mal, wenn wir hier im Landtag mehr Geld für Sozialwohnungen fordern, erklärt uns die zuständige Ministerin: Geld ist überhaupt nicht das Problem, uns fehlen die Flächen. – Und jetzt verkaufen Sie 15.000 m² Fläche in der Innenstadt, um angeblich mit dem Geld Wohnungen zu bauen, für die Sie keine Flächen haben? Das ist doch ein schlechter Witz, was Sie hier erzählen.
Unter den CDU-geführten Landesregierungen hat sich die Zahl der Sozialwohnungen halbiert. Jedes Jahr fallen mehr
Sozialwohnungen aus der Bindung, als neue entstehen. Das Land muss die Politik ändern, aber auch die Stadt muss die Politik ändern. Die Stadt Frankfurt muss dafür sorgen, dass die ABG endlich mehr bezahlbaren Wohnraum schafft, statt selbst in hochpreisige Segmente zu gehen.
Das ist ihre Aufgabe. Aber stattdessen rühmt sich die Stadtregierung damit, dass der Frankfurter Immobilienmarkt einen guten Ruf als sichere Geldanlage hat. Auch hier brauchen wir dringend eine Änderung, wenn 47 % der Frankfurter ihrem Einkommen nach Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten.
Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Es gibt in Frankfurt viele Aktive und Mieterinitiativen, die sich wehren: Mieterschutzbund, die NBO, die ABG-Kampagne, die Mieter des Brentanohochhauses, der Knorrstraße und viele andere. Wir stehen an ihrer Seite. Denn statt Investoren den roten Teppich auszurollen, müssen die Mieterinnen und Mieter gestärkt werden. – Vielen Dank.