Für mehr soziale Sicherheit zu sorgen, würde viel mehr der Kriminalität entgegenwirken als noch so viele Sicherheitsverschärfungen. Davon bin ich fest überzeugt. Nach außen braucht es eine Entspannungspolitik, um Anschlagsszenarien zu begegnen. Auch davon bin ich überzeugt.
Die Balance zwischen den Freiheits- und Bürgerrechten auf der einen Seite und den Sicherheitsmaßnahmen auf der anderen Seite stimmt schon lange nicht mehr. Diese Landesregierung agiert einseitig. Eine soziale und liberale Lesart ist im Regierungshandeln für mich nicht erkennbar, wie auch die heutige Regierungserklärung einmal mehr gezeigt hat.
Deshalb sage ich: Unnötige Gesetzesverschärfungen und eine Law-and-Order-Politik bekämpfen nur die Symptome, aber nicht die Ursachen. Lassen Sie sich das ins Buch schreiben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenminister hat eine Polizeiliche Kriminalstatistik vorgelegt. Daran gibt es gar nichts herumzudeuteln oder schlechtzureden. Diese enthält gute Zahlen, Zahlen, über die wir uns alle freuen sollten. Dies gilt für etliche Bereiche. Deswegen will ich namens meiner Fraktion sehr deutlich Danke sagen bei allen hessischen Polizistinnen und Polizisten für ihren tagtäglichen unermüdlichen Einsatz zum Schutz der hessischen Bürgerinnen und Bürger.
Diesen qualifizierten Beamtinnen und Beamten ist es zu verdanken – egal ob sie im Streifendienst, im Vollzugsdienst oder der Verwaltung arbeiten –, dass der Innenminister eine so erfreuliche Kriminalstatistik vorlegen konnte.
Besonders positiv hervorheben möchte ich die Entwicklung im Bereich der Wohnungseinbruchdiebstähle und im Bereich der Straßenkriminalität. Aus unserer Sicht ist es überaus erfreulich, dass sich in beiden Bereichen sowohl die Fallzahlen verringert als auch die Aufklärungsquoten erhöht haben. Wir sind uns sicherlich auch einig, dass die Fallzahlen im Bereich des Wohnungseinbruchdiebstahls nach wie vor zu hoch sind. Durchaus bedenklich stimmt mich die Entwicklung im Bereich der Straßenkriminalität. Dies betrifft den Anstieg der Körperverletzungsdelikte im öffentlichen Raum um 9 %.
Meine Damen und Herren, das Gleiche gilt für die schon mehrfach thematisierte steigende Anzahl an Übergriffen auf hessische Polizistinnen und Polizisten. Es darf nicht sein, dass Beamtinnen und Beamte, die für unsere Sicherheit sorgen, während ihrer Berufsausübung mehr und mehr Angst um ihre eigene Sicherheit haben müssen. Darauf komme ich noch zurück.
Meine Damen und Herren, Licht und Schatten liegen oft nah beieinander. Die Polizeiliche Kriminalstatistik beschäftigt sich ja nicht nur mit Themen der Alltagskriminalität. Ein weiteres Thema, das häufig vernachlässigt wird, betrifft die Tatsache der Erstarkung der Ränder unserer Gesellschaft.
Ich betrachte mit großer Sorge, dass sich die extremistischen Ränder deutlich verstärkt haben und weiter verstärken. Dabei ist zwar positiv festzustellen, dass die Zahl der Extremisten gleich welcher Couleur trotz der festzustellenden starken Polarisierung in der gesellschaftlichen Debatte zumindest nicht wesentlich weiter angestiegen ist. Aber – und das ist an dieser Stelle ganz besonders festzustellen – sowohl das rechte wie auch das linke, aber auch das salafistische Spektrum werden immer gewaltbereiter und auch besser organisiert. Diejenigen, die bereits radikalisiert sind, werden nicht nur in immer größerer Zahl gewaltbereit. Nein, sie setzen das auch in die Tat um, in entsprechende verbrecherische Aktivitäten.
Insofern wundere ich mich schon etwas, wenn der Innenminister eine positive Entwicklung feststellt. Mir fällt auf: Während die Bemühungen gegen Rechtsextremismus und Salafismus weiterhin hoch bleiben, fehlt eines völlig, nämlich Deradikalisierungsprogramme gegen Linksextremismus. Der Minister verschließt offenbar die Augen vor diesem Phänomen. Man könnte auch sagen, er ist auf dem linken Auge blind geworden.
Das war nicht immer so, Herr Minister. Die Ursachen sollte man vielleicht einmal genauer untersuchen.
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie uns einmal den Blick nach Frankfurt wenden. Das hat der Minister in der Regierungserklärung bei einem Teilbereich auch getan;
einen anderen hat er bewusst ausgespart. Das ist der Bereich „Klapperfeld“, das ist der Bereich „Café Exzess“.
Herr Minister, Sie haben in Ihrer Erklärung sehr richtig – wörtlich – formuliert: „Sicherheit braucht Entschlossenheit“. Das sei wichtig – so haben Sie es sinngemäß weiter formuliert – für das Sicherheitsgefühl in ganz Hessen. Ich stimme darin völlig zu. Die Bürger müssen erkennen, dass die Sicherheitsbehörden keine rechtsfreien Räume zulassen. Das ist richtig, und das bleibt richtig.
Meine Damen und Herren, man muss sich in diesem Zusammenhang vor Augen führen, was der Magistrat der Stadt Frankfurt der linksextremistischen Szene auf Kosten und zum Schaden aller Bürgerinnen und Bürger, die linksextremistischen Übergriffen ausgesetzt sind, ermöglicht.
Ich habe dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Aus der Antwort des Innenministers wird sehr deutlich, welches Gefahrenpotenzial von der linksextremistischen Szene in Frankfurt ausgeht und über welche ausgeprägte Infrastruktur diese Szene verfügt – ausgehend genau von den beiden Stellen „Klapperfeld“ – ehemaliges Polizeigefängnis – und „Café Exzess“.
Und was macht der Innenminister? – Er übt sich, wie üblich, in starken Worten und beklagt die bestehenden Zustände. Aber eine spürbare Reaktion erfolgt nicht.
Ich sage es sehr deutlich: Ein Innenminister, der auf der einen Seite die rechtsfreien Räume in der Metropole Frankfurt beklagt, auf der anderen Seite aber nichts tut und die Zustände achselzuckend hinnimmt, wird seiner Amtspflicht nicht gerecht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein anderes Thema ist die Bedrohungslage durch Islamismus und speziell den Salafismus.
Ich darf mich in diesem Zusammenhang einmal bedanken – das ist ja besonders erwähnenswert –: Herr Minister, Sie haben es geschafft, eine Anfrage innerhalb von sechs Wochen zu beantworten. Das kommt selten vor
Sie haben mitgeteilt, wir haben in Hessen über 4.000 Islamisten und Salafisten – über 4.000. Davon ist die dominierende Altersgruppe die der 26- bis 35-Jährigen. Die Hälfte dieser Menschen hat die deutsche Staatsbürgerschaft, und der ganz überwiegende Teil hält sich im Rhein-Main-Gebiet auf. Da ist also die Bedrohungslage am größten.
Es gibt Zahlen, die Sie auch mitgeteilt haben, die deutlich machen, wie der Anstieg in diesem Bereich ist. Wir sind ja froh, dass wir das VPN haben und dass es dort die entsprechende Präventionsarbeit für diesen Bereich wenigstens gibt. Dort sind die Direktkontakte von 30 im Jahr 2014 über 78 im Jahr 2015, 114 im Jahr 2016 auf 161 im Jahr 2017 gestiegen. Das ist mehr als eine Verfünffachung und von daher ein Zeichen dafür, wie groß das Potenzial in diesem Bereich ist. Wir haben dort – das betone ich und hebe ich hervor – eine gute Präventionsarbeit, aber, Herr Minis
ter, Prävention allein reicht nicht. Auch dort – wie in anderen Bereichen – muss neben der Prävention natürlich auch die Repression da eintreten, wo Straftaten verübt werden.
Ich will dazu zwei weitere Zahlen aus der Antwort auf die Anfrage zitieren. Sie haben mitgeteilt, dass die Zahl der Straftaten von 2016 auf 2017 in diesem Bereich Islamismus/Salafismus um 50 % gestiegen ist – um 50 %, von 84 auf 122.
Es gibt eine Deliktgruppe, wo das noch sehr viel schlimmer ist und wo man auch ablesen kann, welche konkrete Gefährdung für unsere Sicherheitslage in Hessen davon ausgeht. Das ist der Bereich des § 129b StGB. – Für diejenigen, die das nicht wissen – ich wüsste es auch nicht, wenn ich es nicht nachgelesen hätte; ich kenne nicht alle Paragrafen des StGB auswendig –: Hier geht es um kriminelle terroristische Vereinigungen im Ausland und die Beteiligung daran. Diese Menschen kommen in verstärkter Zahl zurück. Die Zahl der Delikte, die Sie uns mitgeteilt haben, hat sich von 14 im Jahr 2016 auf 67 im Jahr 2017 – insgesamt 81 – vervierfacht.
Meine Damen und Herren, das ist ein Punkt, auf den wir das Augenmerk legen müssen, und bei allen guten Zahlen, die diese Kriminalstatistik enthält, darf das nicht aus dem Blick geraten.
Eben zu dieser Kriminalstatistik möchte ich dann auch noch eines sagen – Frau Faeser hat das sehr ausführlich dargelegt –: Wir haben natürlich das Problem, dass in die Kriminalstatistik immer nur das einfließt, was auch irgendwo polizeibekannt wird.
Wir haben ja schon mehrfach über das Thema einer Dunkelfeldstudie diskutiert. Die SPD hat die jetzt beantragt. Ich würde mir wünschen, dass die Koalition die Größe hat, diesem Antrag zuzustimmen. Denn diese Dunkelfeldstudie ist notwendig.
Wir müssen einfach feststellen, dass auch in diesem Bereich die Landesregierung nach der Devise handelt: Was wir nicht hören, was wir nicht sehen, das wissen wir auch nicht; darum müssen wir uns auch nicht kümmern. – Das ist unverantwortlich. Wir müssen das Dunkelfeld aufklären, wir müssen wissen, was in Hessen los ist.
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin gesagt, ich würde auf das Thema Schutz von Einsatzkräften zurückkommen. Es ist in der Tat eine mehr als schlimme Entwicklung, dass wir seit einigen Jahren feststellen müssen, dass der Respekt gerade gegenüber denen, die für unsere Sicherheit sorgen, massiv gesunken ist, dass zunehmend auch ohne jeden Skrupel, oft ohne ersichtlichen Auslöser massive Gewalt angewendet wird. Dabei spielt es für die Täter überhaupt keine Rolle mehr, ob da ein uniformierter Helfer im Staatsdienst erscheint oder ob der Mensch hinter der Uniform gar nicht Repräsentant des Staates ist, den er vielleicht ablehnt – deswegen ist das trotzdem verwerflich –, oder ob der z. B. ehrenamtlich bei der Feuerwehr oder beim Roten Kreuz oder bei anderen Rettungsorganisationen tätig ist.
Meine Damen und Herren, wir sind uns sicherlich einig: Unsere Gesellschaft kann und darf diese Entwicklung nicht hinnehmen.
Auch deshalb – ich sage das so deutlich – sehen wir in jedem Angriff auf entsprechende Einsatzkräfte, in jedem Gewaltakt einen Angriff gegen uns alle.
Auch wenn es dort keine Strafbarkeitslücke im eigentlichen Sinne gab, weil die Taten auch mit früher geltendem Regelwerk verfolgt werden konnten, so liegt in diesen Angriffen doch ein ganz besonderer Tatunwert, der es ausnahmsweise rechtfertigt, einen gesonderten Tatbestand zu schaffen, auch wenn das aus strafrechtlichen Gründen gar nicht zwingend notwendig wäre. Deshalb gibt es eine Neuregelung des entsprechenden Tatbestandes mit einer spezialgesetzlichen Regelung für Angriffe auf Rettungskräfte und mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe und einer Höchststrafe – das muss man auch immer einmal im Blick behalten – von fünf Jahren – unabhängig von der Tatsache, dass damit im Regelfall ja andere Delikte verbunden sind, die teilweise mit noch höherem Strafmaß bedroht sind.