Protocol of the Session on January 31, 2018

Das, was Sie uns gerade erzählt haben, hat mit der Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun. Schauen wir doch einmal, wie die Abläufe tatsächlich waren.

Meine Damen und Herren, im Laufe des letzten Jahres wurde deutlich, dass die Finanzwirtschaft, die die Koalition aus CDU und GRÜNEN zu Beginn des Jahres 2014 aufgesetzt hat, ihre Früchte trägt; sprich: dass die Konsolidierung des Landeshaushalts erfolgreich gewesen ist und wir uns Spielräume erarbeiten konnten.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Steuerzusatzeinnahmen! – Norbert Schmitt (SPD): 5 Milliarden € mehr Steuern!)

In dem Augenblick, in dem wir das festgestellt haben, haben wir entsprechende Maßnahmen ergriffen. In der Haushaltsdebatte werde ich sicherlich noch ein paar Worte dazu verlieren.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das Zweite ist: In Hessen wurde immer behauptet und auch durch Statistiken nachgewiesen, dass es unseren Kommunen, was die Zahl der Kassenkredite angeht, im Bundesvergleich besonders schlecht gehe; sprich: Sie sind sehr weit hinten gewesen, oder umgekehrt, sie hatten sehr hohe Kassenkreditbelastungen.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Dann lag es doch nahe – warum Sie nicht auf die Idee gekommen sind, weiß ich nicht, aber wir sind es –, dass wir in der Situation, in der wir handlungsfähig geworden sind und die Kommunen Not leiden und wir als dritten Aspekt die extrem niedrigen Zinsen haben, sodass die Kassenkredite, oder die Kredite überhaupt, die öffentlichen Hände nicht so drücken, wie es alle Kämmerer in der Vergangenheit schon einmal erlebt haben, gesagt haben: Wir machen jetzt einen großen Schnitt.

Es sollte bitte niemand vergessen, dass es dabei um Kredite geht, die die Kommunen aufgenommen haben. Das sind alles Schulden der einzelnen Landkreise, Städte und Gemeinden. Das sind alles keine Schulden des Landes. Wenn immer behauptet wird – selbst der sehr nachdenklich argumentierende Herr Warnecke hat versucht, es darzulegen –, das Land sei an den Schulden schuld, dann kann ich nur erwidern: Das Land kann schon deshalb nicht an den Schulden schuld gewesen sein, weil in Hessen ungefähr die Hälfte aller Kommunen gar keine Kassenkredite hat. Es sind sehr unterschiedliche Kommunen. Das ist zum einen die zweitgrößte Stadt, Wiesbaden, und zum anderen die kleinste Gemeinde, Weißenborn. Es geht also über die gesamte Palette der Kommunen in Hessen, die keine Kassenkredite haben.

(Beifall des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Wenn jetzt also die Landespolitik so schlecht und an allem schuld gewesen wäre, wie Sie behaupten, dann hätte dieser Sachverhalt so nicht eintreten können. Dann hätten alle gleichermaßen darunter gelitten. Diese Behauptung ist also schlicht falsch. Die kommunale Verantwortung und insbesondere die kommunale Selbstverantwortung und Selbstverwaltung halten wir hoch. Deswegen gilt auch: Wenn man entsprechende Entscheidungen vor Ort trifft, dann muss man die Konsequenzen zunächst bei sich sehen.

Meine Damen und Herren, ich will die Kommunen damit überhaupt nicht beschimpft wissen, aber man kann schon sagen, dass angesichts der Zinsentwicklung der letzten Jahre die Kassenkredite nicht unmittelbar im Fokus der Haushaltswirtschaft der jeweiligen Gemeinde waren und eine stille Hoffnung bestand – man hat manchmal den Eindruck –, diese Kassenkredite lösten sich von selbst auf.

Das tun sie logischerweise nicht, sodass es sinnvoll war, dass das Land ein Angebot unterbreitet. Das haben wir im letzten Sommer öffentlich verkündet. Warum im Sommer? – Weil das der Zeitpunkt war, zu dem auf kommunaler Ebene begonnen wurde, die Haushalte zu planen und aufzustellen. Demzufolge war die Information wichtig, damit man das einfließen lassen und sich darauf einstellen konnte.

Dann haben der Finanzminister und insbesondere auch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Angelegenheit vorbereitet. Das haben sie auf zwei Stufen getan. Zum einen wurde es landesweit an verschiedenen Stellen präsentiert, sprich: informiert. Es waren beispielsweise viele Mandatsträger der hiesigen Opposition dabei.

Zweitens wurden auf der Fachebene die haushaltsmäßigen Vorkehrungen getroffen oder ermittelt, wie sich das Ganze darstellt. Deswegen mussten mit allen Kommunen Einzelgespräche geführt werden, wie die Situation wirklich aussieht.

Wir haben aber, das ist sozusagen das andere Ende, angekündigt – das ist auch sinnvoll –, dass wir die Niedrigzinsphase nutzen wollen, um im Rahmen eines Jahres, bis zum Sommer dieses Jahres, die Angelegenheit tatsächlich umsetzen zu können.

Wenn man dieses Gesamtpaket zusammennimmt, dann sind all die Vorwürfe, wir würden hier unnütz Hektik machen, natürlich völlig aus der Luft gegriffen. Vom fachlichen Ablauf her stellt es sich so dar, dass man die Fachsachverhalte im Einzelnen ermitteln muss und dann die richtigen Schlussfolgerungen zieht.

Damit aber auch das Gesetzgebungsverfahren in hinreichender Präzision ablaufen kann, haben wir uns entschlossen, den Gesetzentwurf jetzt einzubringen.

Prompt kommt der Kollege Hahn und sagt, wir hätten einen falschen Gesetzentwurf eingebracht.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das habt doch ihr gesagt!)

Wir haben nicht gesagt, dass wir einen falschen Gesetzentwurf eingebracht hätten, sondern wir haben den Gesetzentwurf auf einem realistischen Kenntnisstand formuliert und eingebracht, der den Daten Ende vergangenen Jahres entsprach, damit wir in die Beratung gehen können. Die Beratungsergebnisse werden – das wurde mittlerweile auch vom Kollegen Dr. Arnold hinreichend dargelegt – dann durch eine Anhörung ganz sicherlich geprägt.

Der verehrte Direktor des Städtetags hat uns kurzfristig noch schöne Grafiken – um nicht zu sagen: Tortenstücke – präsentiert, um seine Position darzulegen und den Kampf dafür aufzunehmen, dass die Kommunen zu der Beseitigung ihrer eigenen Schulden möglichst wenig selbst leisten müssen. Das ist ja das Ziel der Aktivitäten von Herrn Dr. Dieter.

(Zuruf des Abg. Jan Schalauske (DIE LINKE))

Das ist auch ein völlig legitimes Ziel. Logischerweise möchte jeder gerne, dass der andere für ihn bezahlt. Dass wir in solchen Diskussionen immer vergessen, dass am Ende alles derselbe bezahlt, nämlich der Steuerzahler, daran sollte man gelegentlich erinnern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Jan Schalauske (DIE LINKE))

Das ist eigentlich die Frage, die man sich stellen sollte, bevor man sozusagen das Geld ausgibt, das man nicht hat. Denn, noch einmal darauf zurückkommend, wenn die Hälfte aller hessischen Städte und Gemeinden keine Kassenkredite haben, dann muss es doch in den Entscheidungsinhalten zwischen diesen und der anderen Hälfte, die erhebliche Kassenkredite haben, gewisse Unterschiede geben. Ich weiß nicht, wer es war, aber es wurde der Kreis Offenbach genannt: Völlig richtig, Herr Hahn, das ist mit der am dramatischsten verschuldete. Wenn man sich die Politik der letzten Jahre ansieht, kann ich Ihnen auch ein paar Gründe dafür nennen.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich auch!)

Ich kann Ihnen auch sagen, dass meine Freunde z. B. immer stark dagegen argumentiert haben.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Meine auch!)

Insoweit sind wir uns da einig. Aber beide würden wir wahrscheinlich sagen, das war auch kommunale Verantwortung. Demzufolge ist es auch kommunale Verantwortung, mitzuwirken, dass die Verschuldung wieder zurückgeht – nur, damit da kein Missverständnis entsteht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben in dem Gesetzentwurf das, was sozusagen in dem ersten Teil des Ablaufs schon an Wünschen der Kommunalen Spitzenverbände erkennbar war, artikuliert und die Wünsche aus den Kommunen zu einem erheblichen Teil – um nicht zu sagen: weitgehend – berücksichtigt.

Eine Frage ist heute noch immer nicht abschließend zu beantworten, weil noch nicht alle Einzelgespräche mit allen Kommunen durchgeführt worden sind. Erst wenn man da die Bilanz ziehen kann, weiß man tatsächlich die exakten Zahlen. Dann wird man sich – das können wir im Gesetzgebungsverfahren wohl auch ohne Probleme leisten – eine Antwort auf die Frage überlegen müssen, wie die Finanzierung am Ende aufgestellt wird.

Nur eine dieser Unterstellungen, die man auch beim Städtetag finden kann, nach dem Motto „neue, zusätzliche kommunale Zwecke“: Wenn Sie das behaupten, haben Sie den Gesetzentwurf nicht richtig gelesen. In § 2 des ersten Artikels, nämlich des Hessenkassegesetzes, steht es direkt drin. Im Prinzip ist es eine Schutzklausel: Die Welt kann sich in 30 Jahren noch ein wenig ändern, etwa mit Blick auf vorzeitige Entschuldung oder ähnliche Dinge, sodass dann, wenn bei der aufgestellten Finanzierung etwas übrig bleibt, sich das Land es eben nicht selbst in die Taschen schiebt, sondern dass das auf jeden Fall den Kommunen zusteht. Das ist die Aussage, die Sie jetzt netterweise so deutlich herumdrehen wollten. Nur, Herr Kollege Hahn, es stimmt eben nicht.

Einen allerletzten Punkt möchte ich noch anmerken. Hier ist immer so häufig die Rede von „kommunalem Geld“.

Ich kann Ihnen nur raten, wer so etwas formuliert – Herr Dr. Dieter weiß das schon –: Der Art. 106 GG ist ein furchtbarer Artikel. Aber er hat in den Abs. 5, 5a und 6 das beschrieben, was kommunales Geld ist. Darüber hinaus wird in Abs. 7 beschrieben, was das Land zu entscheiden hat, was es seinen Kommunen gibt. Was sie in diesem Rahmen bekommen, ist meiner Meinung nach von uns – wir wollen und sollen das auch –, aber es verdient nicht die Bezeichnung, alles kommunales Geld zu sein.

Man könnte noch viel über den neu aufgestellten Kommunalen Finanzausgleich reden, der zu Rekordsummen führt.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kaufmann.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Das gesamte Paket zeigt deutlich, wie sehr sich gerade diese Regierung um die Kommunen in Hessen kümmert und dafür sorgt, dass es ihnen genauso gut geht wie den Menschen hier im Lande. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke, Herr Kaufmann. – Für die Landesregierung spricht Finanzminister Dr. Schäfer.

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe versucht, der Debatte aufmerksam zu lauschen. Ich meine festgestellt zu haben, dass sich wesentliche Teile der Debatte eher um prozedurale Fragen in der Durchführung dieses großen Projektes gedreht haben und weniger um die inhaltlichen Fragestellungen.

Ich glaube, es dürfte in diesem Hause unbestritten sein, dass eine Entlastung der hessischen Kommunen von dem Zinsrisiko bei den Kassenkrediten eine jetzt notwendige Maßnahme ist. Wenn nicht jetzt, wann dann?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es eine richtige Entscheidung, dass wir nun das größte kommunale Entschuldungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik hier in Hessen etablieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich sehe, wie viele andere Bundesländer mittlerweile bei uns anklopfen, um einmal zu hören, wie man so etwas macht, bin ich mir relativ sicher, dass Hessen einmal mehr Schule machen wird, auch außerhalb unseres Bundeslandes.

Zur Kritik am Prozedere: Ich wage einmal den Versuch, mir vorzustellen, was geschehen wäre, wenn wir, ohne vorher mit irgendeiner Kommune oder den Kommunalen Spitzenverbänden gesprochen zu haben, als Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt hätten. Was wäre uns da vorgeworfen worden: Ignoranz, Arroganz, „Ihr redet ja mit

niemandem“, „Ihr in Wiesbaden seid abgehoben“ – all diese Dinge wären doch hier vorgetragen worden.

(Norbert Schmitt (SPD): Wo ist das Gesetz der Landesregierung? Sie führen Gespräche, während die Fraktionen das einbringen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Nein, wir haben uns ausdrücklich anders entschieden. Wir haben uns ausdrücklich anders entschieden, und wir haben es vor allem von Beginn an transparent gemacht. Mit jeder einzelnen potenziell betroffenen Kommune ist ausführlich gesprochen worden und wird ausführlich gesprochen. Ich habe ausdrücklich auch im Haushaltsausschuss des Landtags – und, ich glaube, auch von diesem Pult aus – gesagt, dass wir den Gesetzentwurf möglichst spät einbringen wollen, um möglichst viele der Erfahrungen aus diesen Einzelgesprächen mit einfließen zu lassen. Was dort für die Kommunen an Flexibilisierung und an Möglichkeiten, Ratenzahlungen zu verschieben, hineingekommen ist, ist Ergebnis genau dieser Gespräche gewesen.