Vielen Dank. – Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die zweite Lesung zum Tagesordnungspunkt 34 abgehalten.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 19/5726, auf. Wer ihm seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, LINKEN und FDP. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Dann lasse ich über den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Kindergesundheitsschutz-Gesetzes abstimmen. Wer gibt ihm seine Zustimmung? – CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Bei Enthaltung der SPD und der LINKEN ist der Gesetzentwurf zum Gesetz erhoben.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung jugendhilferechtlicher Vorschriften – Drucks. 19/5620 zu Drucks.
(Marius Weiß (SPD): Es wird verzichtet! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Es gibt einen Bericht wie immer bei Gesetzen! – Die Berichterstatterin sucht die Beschlussempfehlung.)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen folgende Beschlussempfehlung mitteilen: Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, GRÜNEN und FDP gegen die Stimme der LINKEN bei Stimmenthaltung der SPD, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucks. 19/5471 – und damit in der aus der Anlage zu der Beschlussempfehlung ersichtlichen Fassung – in zweiter Lesung anzunehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter Lesung über das hessische Ausführungsgesetz zum SGB VIII. Hier geht es um die Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.
Wir haben im Ausschuss beraten und eine Anhörung ausgewertet. Daraus lässt sich festhalten, wir wollen die Spielräume, die uns die bundesgesetzliche Regelung gegeben hat, nutzen, weil wir hier in Hessen funktionierende Strukturen haben. Aufgrund der Erfahrungen, die in Hessen bereits mit einem praxisnahen Verfahren gesammelt worden sind, das sich am einzelnen Kind oder Jugendlichen orientiert, wollen wir das auch beibehalten. In der Anhörung gab es zwei Diskussionspunkte, auf die ich kurz eingehen möchte:
Erstens ging es um die Landesstelle. Soll das Regierungspräsidium Darmstadt die Verteilung organisieren und Landesstelle werden? Dazu gab es unterschiedliche Auffassungen. Wir sind der Überzeugung, dass Darmstadt bereits die Verteilung von Flüchtlingen regelt und auch umfangreiche Erfahrungen mit der Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gesammelt hat. Es kennt auch die Jugendämter in Hessen sehr genau. Deshalb halten wir es für richtig, dass das RP Darmstadt Landesstelle wird.
Zweitens ging es um das Kindeswohl. Hierzu verweise ich auf unseren Änderungsantrag, der bereits im Ausschuss Eingang in den Gesetzentwurf gefunden hat. In der Anhörung wurde gewünscht, dass das Kindeswohl explizit aufgeführt wird. Wir haben gesagt, das ist bundesgesetzlich schon in SGB VIII geregelt. Es ist folglich selbstverständlich, dass alle Entscheidungen dem Kindeswohl unterstellt werden müssen. Aber wir wollen dem Wunsch gern nachkommen. Deshalb haben wir das Kindeswohl entsprechend dem Vorschlag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes aufgenommen.
Es lässt sich festhalten: Wir brauchen ein gerechtes Verteilverfahren; denn wir wollen keine Überlastung einzelner Jugendämter. Wir wissen, dass unsere Jugendämter in Hessen das Kindeswohl in ihren Qualitätsstandards beachten. Aber wir wollen auch die besonderen Spielräume, die wir haben, nämlich den Blick auf den einzelnen Jugendlichen, nicht vergessen. Auch wenn Jugendliche und Kinder wegen des Gesundheitsschutzes bestimmten Jugendämtern eher zugewiesen werden sollten als anderen – es geht auch um geschlechtsspezifische Bedürfnisse – oder wenn sie besondere Hilfen oder Unterstützungsmaßnahmen benötigen, geben wir durch unser Gesetz den nötigen Spielraum. Das ist eine Leitmaxime, die das Bundesgesetz vorgesehen hat.
Deshalb will ich abschließend zusammenfassen: Wir machen mit unserem Gesetz aufgrund der Erfahrungen, die wir bereits gesammelt haben, den Weg für eine faire und gerechte Verteilung frei. Wir ermöglichen eine immer am Kindeswohl orientierte Entscheidung bei der Auswahl des Jugendamtes. Dem trägt unser Gesetzentwurf Rechnung. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Durch den vorliegenden Gesetzentwurf möchte die Landesregierung ein landesinternes Verteilverfahren für unbegleitete min
derjährige Flüchtlinge etablieren. Wir finden, die Notwendigkeit einer solchen Regelung ist mehr als fraglich; denn es gibt bereits ein bundesweites Verteilverfahren, das die Zuweisung von Jugendlichen regelt, die sich in vorläufiger Inobhutnahme befinden.
Nach einer Änderung im SGB VIII werden seit November 2015 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie erwachsene Asylsuchende über eine bundesweite Quotenregelung verteilt. Dieses Verteilverfahren orientiert sich am Königsteiner Schlüssel. Es hat das Prinzip der Unterbringung am Ankunftsort abgelöst, das vorher galt.
Wenn keine Gründe gegen die Verteilung sprechen, meldet das Jugendamt den Minderjährigen zur Verteilung an. Im aufnehmenden Bundesland ist man dann verpflichtet, sich bei der Zuweisung an den spezifischen Schutzbedürfnissen und Bedarfen der unbegleiteten Minderjährigen zu orientieren. So steht es jedenfalls in § 42b SGB VIII. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Zuweisung an das konkrete Jugendamt sachgerecht erfolgt und die „spezifischen Schutzbedürfnisse und Bedarfe“ der Kinder und Jugendlichen beachtet werden.
Diese Formulierung in SGB VIII legt damit strengere Maßstäbe an die Verteilung an, als das in Ihrem hier vorliegenden Gesetzentwurf getan wird. Ihr Gesetzentwurf reduziert die zu berücksichtigenden Aspekte auf Bedürfnisse, und zwar „aus Gründen des Gesundheitsschutzes“ und „geschlechtsspezifischer Natur“ sowie reinen „Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen“. Diese Bedürfnisse sind aber nur ein Ausschnitt der Bedarfe, die nach SGB VIII gelten sollen. Bei den Bedarfen nach SGB VIII geht es etwa um die individuelle und soziale Entwicklung eines jungen Menschen. Es geht um Bindungen und Beziehungen sowie die Vermeidung von psychischer oder physischer Belastung.
Dann fehlt in Ihrem Gesetzentwurf auch eine Regelung, nach der von einer Verteilung abgesehen werden kann, wenn sich der Betroffene weigert. Diese Möglichkeit ist aber in der Gesetzesbegründung des Bundesgesetzes ausdrücklich genannt.
Wir nehmen zwar zur Kenntnis, dass die Regierungskoalition zumindest den Begriff des Kindeswohls aufnehmen will, aber das reicht nicht. Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Wir haben es nicht nur mit einem Gesetzentwurf zu tun, der einen Sachverhalt regeln möchte, der bereits im Bundesgesetz geregelt ist. Dieser Entwurf wählt bei der Frage der Verteilung zudem Formulierungen, die vom SGB VIII zum Nachteil der Betroffenen abweichen.
Einen weiteren Punkt möchte ich noch ansprechen. Nach dem Gesetzentwurf soll das Regierungspräsidium Darmstadt für die Verteilung zuständig sein. Das sehen wir genauso wie viele der Behördenfachverbände kritisch. Wir fänden es sinnvoll, wenn das Landesjugendamt mit dieser Aufgabe betraut würde.
Meine Damen und Herren, der Entwurf sieht eine Ermächtigungsgrundlage vor, damit zu einem späteren Zeitpunkt per Rechtsverordnung Regelungen zur vorläufigen Inobhutnahme geschaffen werden können. Auch das sehen wir nicht nur deshalb kritisch, weil wir den Text dieser Rechtsverordnung heute noch nicht kennen. Mit einer solchen Rechtsverordnung soll eine andere örtliche Zuständigkeit für die vorläufige Inobhutnahme gewählt werden können, indem rechtlich eine zeitlich vorgelagerte Phase konstruiert wird, also eine Rechtskonstruktion. Die Landesregierung
will offensichtlich durch andere Zuständigkeitsregelungen verhindern, dass irgendwo besonders viele Menschen vorläufig in Obhut genommen werden und dann aus den vorläufigen Inobhutnahmen aus Gründen des Kindeswohls endgültige Inobhutnahmen werden, wie es im SGB VIII vorgesehen ist. Da das sehr teuer ist, ist diese Konstruktion gewählt worden.
Aber es ist sicherlich nicht der Zweck von sogenannten Öffnungsklauseln im SGB VIII, mit Rechtsverordnungen bestehende gesetzliche Regelungen aus dem Sozialgesetzbuch zu umgehen. Am Kindeswohl scheint sich diese Regelung auch in keiner Weise zu orientieren.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Man kann so viel hineininterpretieren wie Frau Faulhaber, man muss es aber nicht hineininterpretieren. Man kann auch einfach feststellen: Eine gängige und bewährte Verwaltungspraxis in Hessen wird in einem Gesetzentwurf umgesetzt.
Wir hatten schon einmal eine andere Situation bei der Unterbringung der umA. Im Zuge der Flüchtlingskrise ist das geändert worden, weil man den Herausforderungen gerecht werden musste.
Von daher ist die Situation, die wir jetzt in Hessen haben, ein Stück weit zu bedauern. Wir waren da einmal vorbildlich und hatten besondere Qualitäten. Wir versuchen immer noch, einen guten Standard sicherzustellen. Aber manche Dinge können angesichts der Herausforderungen so nicht mehr geleistet werden. Wir können die Art und Weise nachvollziehen, diese Regelung umzusetzen, und werden deshalb dem Gesetzentwurf zustimmen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als wir den Gesetzentwurf in erster Lesung beraten haben, haben wir dazu gesagt: Damit werden Notwendigkeiten umgesetzt, die sich aufgrund einer neuen Situation in unserem Land ergeben haben. Auf den ersten Blick scheint es keine Probleme zu geben. Wir haben dann gesagt: Vorbehaltlich der Anhörung haben wir keine Probleme damit.
In der Anhörung wurden ein paar Dinge benannt, die aus unserer Sicht doch gravierend sind. Wir waren dann der Meinung, den Gesetzentwurf ablehnen zu müssen.
Zum Glück kam dann die Koalition mit dem Änderungsantrag, der zumindest eine große Frage, die noch im Raum stand, geklärt hat. Mit ihm wurde das Kindeswohl wieder in den Mittelpunkt gerückt und an einer ganz entscheidenden Stelle in den Gesetzentwurf aufgenommen. Deshalb lehnen wir diesen Gesetzentwurf nicht mehr ab. Wir können ihm aber aufgrund mancher Dinge – ich erspare mir und uns, das jetzt im Einzelnen zu nennen –, die in der Anhörung genannt wurden, zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten.
Letzter Punkt. Das ist mir wichtig. Auf dem 9. November ruht schon einiges. Manches lastet auf ihm. Am letzten 9. November gab es neun Anhörungen zu Gesetzentwürfen, die im Innenausschuss und im Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss nacheinander abgearbeitet wurden. Ich sage das deshalb, weil es bei der Fülle der Themen, die da dran waren, kaum möglich war, Änderungsanträge in einem normalen Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Deshalb kündige ich etwas an. Wenn die Themen, wie Kollege Rock gesagt hat, ganz normal laufen, ist das in Ordnung. Wenn es bei der konkreten Umsetzung durch die Verwaltung Probleme geben sollte, werden wir im kommenden Jahr durch entsprechende Initiativen nachbessern. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit möchte ich auch nur das Wichtigste und Nötigste zum Besten geben. Ich beziehe mich auf das, was Frau Kollegin Ravensburg gesagt hat und was während der ersten Lesung gesagt wurde. Wir haben tatsächlich eine gängige Praxis, wie wir die Jugendlichen verteilen. Kollege Rock hat das auch schon einmal gesagt.
Ich entnehme den Äußerungen der Frau Faulhaber ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Behörden, dass sie nicht das Kindeswohl in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen würden. Diese Sorge haben wir auch bei der Anhörung wahrgenommen. Ich will deshalb noch einmal sagen, dass es beim Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch im Kern der Bemühungen immer um das Kindeswohl geht.
Viele Juristen haben gefragt: Warum wollt ihr das mit einem Änderungsantrag noch einmal einbringen? Das Kindeswohl ist doch sowieso die große Überschrift über diesem Gesetzbuch. Wir aber wollen die Sorgen und das letzte Missverständnis ausräumen, dass es bei der Verteilung in allererster Linie nicht darum gehen könne, das Kindeswohl zu beachten. Aber genau darum muss es gehen. Das Kindeswohl liegt zuallererst und zuvorderst jeglicher Entscheidung hinsichtlich der Verteilung zugrunde. Das abgebende Jugendamt kann, auf das einzelne Kind bezogen,