Protocol of the Session on December 12, 2017

Natürlich ist es möglich, dass das Land die Kommunen bei der Sanierung von Schulen unterstützt. Selbstverständlich ist das möglich. Angesichts der Finanzausstattung vieler Kommunen ist das auch dringend notwendig.

Viele Schulen sind angesichts steigender Schülerzahlen zu klein, oder sie haben gar keine oder viel zu kleine Schulkantinen. Deshalb fordern wir ein Sanierungsprogramm für Schulen und Sportstätten. Ganztagsschulbetrieb braucht angemessene Räume und ausreichend große Schulkantinen. Allein in Frankfurt beläuft sich der Sanierungsstau an den Schulen auf 900 Millionen €. Die Mittel, die Sie zur Verfügung stellen, reichen doch vorne und hinten nicht aus, um die echten Defizite und den jahrzehntealten Sanierungsstau an den Schulen auch nur ansatzweise zu beseitigen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der LINKEN)

Draußen bröckelt der Putz, und drinnen fehlen die Lehrer. Bildungspolitik in Hessen ist kurzsichtig und unterfinanziert. Bildung ist nach wie vor abhängig von der Herkunft. Wir wollen beste Bildung für jedes Kind – völlig unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.

(Beifall bei der LINKEN)

Jahrelang wurden mit der sogenannten demografischen Rendite argumentiert – das hat der Kultusminister noch letztes Jahr getan – und nicht ausreichend Lehrerstellen geschaffen – in der Annahme, dass die Schülerzahlen zurückgehen würden. Vor zwei Jahren sagte der Finanzminister bei der Einbringung des Haushalts noch stolz, die Lehrerstellen würden trotz sinkender Schülerzahlen nicht abgebaut werden.

Und jetzt, oh Wunder, stellt man fest, dass die Prognosen voll danebenlagen. Rechnete man 2013 mit 535.000 Schülern im Jahr 2023, gehen die aktuellen Berechnungen von einer voraussichtlichen Schülerzahl von 611.000 Schülern aus, also knapp 80.000 Schülerinnen und Schülern mehr. Das sind 15 % mehr als erwartet.

Das bedeutet laut Berechnungen des Kultusministeriums, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre fast 10.000 zusätzliche Lehrkräfte benötigt werden. Schon dieses Jahr konnten zum Schuljahresbeginn 100 Lehrerstellen an den Grundschulen nicht besetzt werden. Der Kultusminister verschickt Briefe an Lehrer, um sie zu bitten, über die Pensionsgrenze hinaus zu arbeiten.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist doch eine tolle Idee!)

Mittlerweile unterrichten fast 6.000 Personen ohne Lehramt oder Lehrbefähigung im hessischen Schuldienst. Sie

haben keine Antwort darauf, wie der absehbare Lehrermangel auch nur ansatzweise ausgeglichen werden soll. Das ist das Problem.

Herr Boddenberg, wenn Sie jetzt dazwischenrufen, das mit den pensionierten Lehrern war doch eine gute Idee, frage ich Sie: Wie lange sollen sie denn arbeiten, wenn wir bis zum Jahr 2023 10.000 neue Lehrer brauchen? Wann wollen wir sie denn in Rente schicken, mit 80, oder wie soll das funktionieren?

(Michael Boddenberg (CDU): Die machen das doch freiwillig!)

Das ist doch keine zukunftsfähige Politik, die Sie hier machen. Wir brauchen endlich mehr Lehrer. Sie haben dazu beigetragen, dass wir in dieser Situation sind, in der wir jetzt sind.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Sie haben diese Situation mit verursacht. Viele Jahre mussten die Lehramtsstudenten zittern, ob sie auch eine Anstellung in ihrem Wunschberuf finden. Angestellte Lehrer mussten sich in den Sommerferien arbeitslos melden, damit das Land Geld spart. Den Grundschullehrkräften verweigern Sie die angemessene und gleiche Bezahlung.

Hinzu kommen viel zu große Klassen und eine viel zu hohe Arbeitsbelastung, wie die Überlastungsanzeigen von Lehrerinnen und Lehrern belegen. Immer mehr Lehrer gehen in Teilzeit und verzichten auf Einkommen, um die Arbeitsbelastung für sich selbst zu reduzieren. Da darf man sich doch nicht wundern, wenn man am Ende zu wenige Lehrer hat.

Es ist gut, dass Sie die Schulsozialarbeit ausweiten wollen, Herr Ministerpräsident. Das ist gut. Das fordert DIE LINKE seit vielen Jahren. Wenn Sie Vorschläge von uns aufnehmen, werden Sie keine Kritik von uns hören.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Volker Bouffier)

Wir brauchen aber auch dringend mehr Lehrerinnen und Lehrer, gerade an den Grundschulen, zur Umsetzung der Inklusion, zum Ausbau der Ganztagsschulen, bei denen Hessen weit hinterherhängt. Wir brauchen ein ambitioniertes Ganztagsschulprogramm statt diesen Murks mit dem Pakt für den Nachmittag.

(Beifall bei der LINKEN)

Und ein kleiner Tipp an den Wissenschaftsminister: Wenn die Schülerzahlen steigen, steigen auch die Studierendenzahlen weiter. Darüber ist diese Landesregierung ja auch jedes Mal aufs Neue überrascht. Das Betreuungsverhältnis an der Frankfurter Uni sieht so aus, dass auf eine Professorenstelle 92 Studierende kommen. 2012 lag das Verhältnis noch bei 1 : 83. Das war auch schon schlecht, aber immerhin ein bisschen besser.

(Zuruf der Abg. Karin Wolff (CDU))

Das liegt daran, dass die Hochschulen unterfinanziert sind und nicht planen können. Wir wollen die ausufernde prekäre Beschäftigung an den Hochschulen eindämmen. Das geht nur durch eine langfristige und verlässliche Finanzierung.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben auch Ideen, wo das Geld herkommen soll. Ich sage Ihnen etwas, Herr Ministerpräsident: Dafür brauchen wir nicht einmal ein Wunder, wie Sie das eben gesagt haben, sondern wir bräuchten einfach nur die höhere Besteuerung der Reichen und der Vermögenden in diesem Land, unter anderem durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Das ist sicher kein Wunder. Das wäre einfach eine vernünftige Politik.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Das kostet genauso viel, wie es bringt!)

Auch der Steuervollzug muss verbessert werden. Schätzungsweise 17 Milliarden € gehen dem deutschen Staat durch Steueroasen Jahr für Jahr verloren – durch Tricksereien, durch geschickte Verlagerung von Gewinnen ins Ausland. Diese Praktiken müssen beendet und Steueroasen müssen endlich trockengelegt werden.

Dass aber nun ausgerechnet der hessische Finanzminister Schäfer angeboten hat,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Großartig!)

die Paradise Papers auszuwerten, ist wirklich ein schlechter Witz. Ausgerechnet Hessen, das Land, in dem engagierte Steuerfahnder erst in ihrer Arbeit behindert und dann zwangspsychiatrisiert wurden, ausgerechnet die hessische CDU, die schwarze Kassen als jüdische Vermächtnisse getarnt hat und mit der Stiftung Zaunkönig Gelder nach Liechtenstein verschoben hat.

(Holger Bellino (CDU): He!)

Ich sage Ihnen etwas: Wenn Sie die Paradise Papers in die Hand bekommen, klären Sie doch nicht auf, sondern Sie entdecken noch neue Anlagemöglichkeiten für sich selbst darin.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Unverschämtheit!)

Bevor der hessische Finanzminister großspurig anbietet, die Steuern aus dem Paradies zurückzuholen, sollte er vielleicht erst einmal dafür sorgen, dass Fraport, bei der das Land ja Miteigentümer ist, ihre Briefkastenfirmen auf Malta und anderswo schließt. Das wäre vielleicht einmal ein Schritt, um Steuertricksereien den Garaus zu machen. Damit könnte der Finanzminister direkt einmal anfangen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht könnte man auch einmal aufhören, Unternehmen wie Ernst & Young, PwC und KPMG, die alle aktiv daran beteiligt sind, dass dem Staat Steuereinnahmen durch solche Tricksereien vorenthalten werden, mit öffentlichen Aufträgen zu versorgen.

Hessen hat in den letzten Jahren 5 Millionen € an diese Unternehmen überwiesen, damit sie Vorschläge machen, wie die Landesverwaltung schlanker und angeblich effizienter organisiert werden kann.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie können wir ja nicht fragen, Frau Kollegin! – Gegenruf von der LINKEN: Doch!)

Das ist genau das Problem. Sie fragen ein Unternehmen, das anderen dabei hilft, Steuern zu vermeiden, wie man sich eben z. B. im Bereich der hessischen Landesverwaltung besser organisieren kann. Welches Interesse haben die wohl?

Statt auf die Expertise dieser interessengeleiteten Firmen zu vertrauen, sollten Sie vielleicht einmal Ihren eigenen öffentlichen Dienst vernünftig ausstatten. Dann gibt es nämlich genug Expertise im eigenen Haus, und man muss nicht auch noch diesen Firmen Geld hinterherwerfen als Dank dafür, dass sie dabei helfen, dass dem Staat Steuern entgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was wir brauchen, sind Investitionen. Sie sind dringend nötig. In weiten Teilen der Infrastruktur gibt es einen erheblichen Investitionsstau. Sie haben jetzt im Landeshaushalt 6 Milliarden € mehr Einnahmen zur Verfügung als noch im Jahr 2014 und wollen die Investitionen gerade einmal um 200 Millionen € erhöhen.

Dabei sind viele Schulen, Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen marode oder werden den heutigen Anforderungen überhaupt nicht mehr gerecht. Busse und Bahnen im Rhein-Main-Gebiet platzen aus allen Nähten, während viele Dörfer vom ÖPNV abgehängt werden.

Um Mobilität für alle zu garantieren und um die Klimaschutzziele zu erreichen, brauchen wir eine Verkehrswende. Wir brauchen einen massiven Ausbau des ÖPNV. Wir brauchen Initiativen für niedrigere Fahrpreise, und wir brauchen mittelfristig den Nulltarif im ÖPNV.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Strecken müssen reaktiviert werden, und wir brauchen barrierefreie Bahnhöfe, die jeder nutzen kann.

Wir machen an der Stelle auch ein paar konkrete Einsparvorschläge. Kassel-Calden hat über 300 Millionen € für Bau und Betrieb gekostet – wohlgemerkt: für einen Flughafen, den keiner braucht. Jede Airline, die in Calden Ziele anbietet, wird erheblich subventioniert. Teile der Gebühren werden erlassen. Der Flughafen kauft sich also Verkehr, wie die „Frankfurter Rundschau“ schrieb. Ich finde, damit muss Schluss sein. Es muss Schluss sein. Wir dürfen nicht noch mehr Millionen in dieses Loch versenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber leider ist der Politikwechsel in der Flughafenpolitik, den die GRÜNEN vor der Wahl versprochen haben, komplett ausgefallen – in Calden wie in Frankfurt. Terminal 3 wird gebaut, ein Nachtflugverbot gibt es nicht, ein Lohndrücker wie Ryanair wird mit Rabatten nach Frankfurt gelockt, und jetzt kommt auch noch ein Lärmdeckel, mit dem es in Zukunft viel lauter werden darf.

Manchmal frage ich mich schon, warum Herr Minister AlWazir unbedingt Wirtschaftsminister werden wollte. Entweder will er nichts ändern, oder er kann es nicht. Ich frage mich: Für was wollte er dieses Amt, wenn er an wichtigen Stellen überhaupt keine Veränderungen bewirkt hat?