Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ronellenfitsch, auch für meine Fraktion kann ich einen herzlichen Dank für die gute Arbeit und für die gute Zusammenarbeit sagen. Das gilt selbstverständlich nicht nur für Sie, sondern auch für Ihre Frau- und Mannschaft.
Ich glaube, dass durch diese gute Zusammenarbeit Probleme in Hessen relativ fix gelöst werden, was in anderen Ländern nicht so schnell möglich ist. Das Problem ist nur – meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen –: Wenn man sich immer wieder vor Augen führt, was diese Probleme sind, dann wachsen einem graue Haare. Wir müssen also immer wieder dafür sorgen, dass hochsensible Patienten- und Patientinnenakten nicht im öffentlichen Raum aufgefunden werden, und wir müssen – wie Sie darauf hingewiesen haben – nach wie vor auch bei den Behörden aufpassen. Sie haben als Beispiel die Verbunddatei „Rauschgift“ angeführt, in der auf einmal auch Bagatellfälle verzeichnet werden, was ganz eindeutig nicht rechtmäßig ist.
Oder der Dauerbrenner: die Videoüberwachung – nicht nur, aber vor allen Dingen auch im öffentlichen Raum. All das sind über all die Jahre Dauerbrenner gewesen, und ich frage mich manchmal, wie wenig Bewusstsein und Sensibilität in der Bevölkerung offensichtlich hergestellt werden. Zum Beispiel haben Sie bei der Videoüberwachung – aus meiner Sicht vollkommen zu Recht – angemerkt, dass es natürlich nicht hilft, wenn an der Kamera, die überwacht, ein Schild hängt: „Hier ist eine Kamera“. Menschen müssen davor gewarnt werden, wenn sie einen Raum betreten, in dem sie überwacht werden. Dieser Raum ist meist weit größer als die Kamera.
Auch ich will der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass wir in Zukunft nicht mehr zwei Berichte gleichzeitig behandeln müssen, weil die Bearbeitung seitens der Landesregierung sehr lange gedauert hat. Wie gesagt: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr deutlich früher über die Datenschutzlage 2017 beraten können.
Herr Ronellenfitsch, nun haben Sie bereits auf eine Zeitenwende hingewiesen. Sie wissen von mir, dass ich mit meinem Hör- und Musikverhalten diese weniger am Eurovision Song Contest festmachen kann; aber Sie werden mir zugestehen – Sie sind Gitarrist, wie ich auch –, dass der Tod von Malcolm Young sicherlich eine Zeitenwende in der Musik bedeutet.
Sie haben auch die Parallele zum Datenschutz angesprochen und das als eine „rektale Phase“ bezeichnet. Ich will über die Bezeichnung gar nicht weiter nachdenken, sondern über die Gefahr, die Sie ansprechen, die wir alle ansprechen müssen und die mittlerweile weit beachtete Publikationen zum Ausdruck bringen: die Gefahr, die Big Data und der Umgang mit Daten darstellen.
Sie haben, wenn ich mich recht entsinne, in der letzten Sitzung des Unterausschusses Datenschutz auch darauf hingewiesen, dass die Kommerzialisierung dieser Daten natürlich auch dazu führen sollte, dass wir als die eigentlichen Eigner unserer Daten an der Nutzung dieser Daten finanziell verdienen. Da gebe ich Ihnen ausdrücklich recht. Wenn Daten ein Geschäftsmodell sind, haben diejenigen, die diese Daten nicht nur produzieren, sondern denen sie gehören, auch ein Recht darauf, daran mitzuverdienen. So weit sind wir vollkommen einer Meinung.
Die Kehrseite des Ganzen ist mit der Publikation von Frau Hofstetter – das Buch „Sie wissen alles“, das auf Big Data bezogen ist – in den letzten Monaten deutlich geworden. Sie führt Hunderte Seiten lang aus, das Problem sei, dass wir gar nichts mehr wissen: weder davon, dass wir als Individuen Kompetenzen abgeben, noch von der damit verbundenen Gefahr, dass wir ein Stück Freiheit unserer offenen Lebensgestaltung aufgeben. Das geschieht nicht nur, weil wir kontrolliert werden, sondern auch weil wir suggestiv in eine Norm gepresst werden und ein Leben außerhalb dieser von Big Data vorgegebenen Norm sehr viel schwieriger wird.
Wir nehmen wahr, dass damit auch das Ausmaß an Überwachung steigt, sei es durch Behörden, die Bürger besser im Blick behalten wollen, oder durch Unternehmen, die ihre Kunden besser verstehen wollen. Ob auf öffentlichen Plätzen, in Geschäften oder in Restaurants: Wir werden heute überall von Videokameras beobachtet.
Die neue Entwicklung ist jetzt, dass unzählige Sensoren, in Straßenlaternen versteckt oder hinter Werbeplakaten verborgen, die Signale unserer Smartphones verfolgen und so ein ziemlich genaues Bild zeichnen können, welche Wege die Smartphonebesitzer nehmen. Dank der Gesichtserkennung des neuen iPhones weiß man jetzt auch noch, wie dieser anonyme Jemand aussieht.
Ein Beispiel: In Deutschland läuft derweil in rund 100 Partnerfilialen der Deutschen Post ein Pilotprojekt, bei dem die Werbedisplays die vor ihnen stehenden Kunden taxieren. Diese Kunden sollen dann – in London passiert das schon – auf sie und auf ihr Geschlecht zugeschnittene Werbung vorgespielt bekommen. Das ist eine Einflussnahme – auch im öffentlichen Bereich –, eine Suggestion, wie wir uns verhalten sollen, die ich schon sehr bedrohlich finde.
Ein zweites Beispiel – und damit ende ich –: Während in Deutschland der Chef der Techniker Krankenkasse laut darüber nachdenkt, ob man nicht eines Tages die Daten von Fitnesstrackern in der elektronischen Patientenakte speichern könnte, müssen wir, wenn wir in die USA schauen, feststellen, dass das dort schon Alltag ist. Wenn mir also Versicherungskonzerne abhängig von meinem privaten Verhalten demnächst nur noch bestimmte Verträge und be
stimmten Schutz anbieten, dann bedroht das meine individuelle Freiheit. Diese Gefahr müssen wir als Datenschützer oder als Bürgerinnen und Bürger erkennen, und wir müssen ihr entgegentreten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Prof. Ronellenfitsch, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als letzter Redner reihe ich mich natürlich ebenfalls in die Danksagungen meiner Vorredner ein. Danke dafür, dass Sie, Herr Prof. Ronellenfitsch, es immer wieder schaffen, dass der Datenschutz nicht langweilig ist, dass er spannend ist, dass er uns Spaß macht und dass Sie uns auch in so eine trockene Materie – wie sie manchmal dargestellt wird – hineinziehen. Sie machen das immer wieder klasse und spannend. Ich habe zeitlich den größtmöglichen Abstand zu Ihrer Rede gewählt, um mich nicht mit Ihrer Rhetorik messen lassen zu müssen. Herzlichen Dank dafür von unserer Fraktion.
Herr Prof. Ronellenfitsch, Ihre Berichte geben uns immer einen hervorragenden Überblick über die aktuellen Themen und Probleme des Datenschutzes. Viele meiner Vorredner sind darauf eingegangen, dass wir in der Vergangenheit eine nicht zu akzeptierende Zeit dafür gebraucht haben, bis wir die Stellungnahme der Landesregierung zu Ihrem Bericht hatten. Ich bin froh, dass wir dieses Mal beide Berichte gemeinsam diskutieren können, weil wir dadurch in die Situation kommen, die Aktualität und vor allen Dingen die intensive Arbeit, die in diesen Berichten steckt, entsprechend würdigen zu können. Ich glaube, das ist ganz wichtig.
Es wäre sonst schade; denn diese Tätigkeitsberichte liefern uns immer kompetent und übersichtlich den Stand der Rechtsprechung – sei es europäisches Recht, Bundes- oder Landesrecht. Sie decken – das ist auch in den Reden meiner Kollegen ausgeführt worden – auch immer viele Probleme im Umgang mit Daten sowohl in Behörden als auch im privaten Bereich auf.
Ich versuche jetzt in den siebeneinhalb Minuten ein paar Schwerpunkte herauszuarbeiten, die nach Meinung meiner Fraktion besonders wichtig sind. Diese sind teilweise schon angeklungen; gerade das Problem mit den Bodycams war in der Vergangenheit bereits Thema im Plenum und wurde, auch aufgrund des Eingriffs in die informationelle Selbstbestimmung, immer wieder heftig diskutiert. Die Bodycams erzeugen ein verfassungsrechtliches Spannungsfeld zwischen den öffentlichen Sicherheitsinteressen und den Persönlichkeitsrechten derjenigen, die gefilmt werden. Das macht ihren Einsatz rechtlich so sensibel. Es ist gut, dass der Datenschutzbeauftragte das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des HSOG nahe begleitet und die Erweiterung des Bodycam-Einsatzes auf Tonaufzeichnungen und Prerecording so beeinflusst hat, dass der Eingriff in die Rechte der Betroffenen sauber geregelt
wird. Ich habe diesen Punkt aus dem 44. Bericht herausgegriffen, weil ich finde, dass er ein gutes Beispiel dafür sein kann, wie wir auch künftig Entwicklungen der polizeilichen Einsatzmöglichkeiten in einer immer stärker digitalisierten Welt betrachten.
Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger davon überzeugen wollen, dass die Nutzung von Daten wie Video- und Tonaufzeichnungen, Datenverkehre innerhalb der sozialen Netzwerke noch viel mehr Eingang in die polizeiliche Arbeit finden sollen, müssen wir das transparent und rechtlich einwandfrei tun. Es ist schön, dass wir das in Hessen mit diesem gut aufgestellten, unabhängigen Datenschutzbeauftragten tun können.
Wie wichtig das in der polizeilichen Arbeit ist, zeigt auch die Überprüfung der Falldatei „Rauschgift“ – auch dazu haben wir schon das eine oder andere gehört –, die Sie in Ihrem 45. Tätigkeitsbericht noch einmal ausgiebig behandelt haben. Auch hier mussten Sie als Datenschutzbeauftragter feststellen, dass entgegen den rechtlichen Vorgaben auch Bagatelldelikte erfasst wurden und die Entscheidung über die Speicherung oftmals nicht nachvollziehbar war. Die Fachdienststellen der Polizei wurden in Bezug auf diese Problematik sensibilisiert, und es wurden Änderungen auf den Weg gebracht. Besser wäre es natürlich gewesen, wenn man im Vorfeld schon so sensibel gewesen wäre und den Umgang schon in der Behörde entsprechend gelehrt und gelebt hätte.
Gerade aufgrund der Aufdeckung von solchen Fällen und des Wissens von der wirksamen Aufsicht des Datenschutzbeauftragten bin ich der Hoffnung, dass bei den Behörden eine Verbesserung im Umgang mit Daten erfolgen kann. Das betrifft nicht nur den polizeilichen Bereich. In beiden Berichten finden wir ein breites Spektrum an Anmerkungen zum Umgang mit Daten. Wir haben die Speicherung und Weitergabe von Informationen bei den Kommunen, z. B. Familiendaten im Kindergartenbereich oder in der Schulverwaltung beim Führen von Schulakten. Beim Jobcenter und Finanzamt haben wir die Weitergabe der Daten untereinander. Diese Reihe würde sich noch sehr lange fortführen lassen.
Die Tätigkeitsberichte zeigen, wie ich finde, ein Bild, das wir alle mehr oder weniger selbst erleben und erfahren. Der Umgang mit Daten wird eher lascher, weil er alltäglicher und selbstverständlicher wird. Nicht die einzelne, kleine Unvorsichtigkeit beim Schutz personenbezogener Daten macht das Problem aus, sondern die Vielzahl an Möglichkeiten, Daten von Bürgerinnen und Bürgern zusammenzutragen und damit eine Sammlung von Daten zu erzeugen, die es zu einem kritischen Problem für den Einzelnen werden lassen.
Ich glaube, jedem meiner Kollegen ist aufgefallen, dass der Datenschutz gerade im Gesundheitsbereich eine besondere Rolle spielt. Es sind schon einige Beispiele aufgeführt worden, die ich gar nicht wiederholen möchte. Aber für mich stellt sich schon die Frage: Warum geschieht dies gerade in so einem sensiblen Bereich, wo doch die ärztliche Schweigepflicht von den Medizinern immer ganz hoch gehalten wird? Warum funktioniert das im Bereich der Daten oft
mals nicht? – Wir haben gehört, dort stehen Patientenakten herum; dort steht der Server im Keller, sodass jeder darauf zugreifen kann. In der Vergangenheit hatten wir in einem Krankenhaus den Fall, dass das Krankenhaus geschlossen wurde, die Patientenakten aber noch jahrelang herumstanden und für jeden zugänglich waren.
Herr Kollege Frömmrich hat es auch angesprochen: Wir müssen in Zukunft wirklich ein Auge darauf haben, dass gerade in diesem sensiblen Bereich – denn das Arzt-Patienten-Verhältnis ist ein besonderes Verhältnis, man begibt sich in eine gewisse Vertrauenssituation – der Datenschutz nicht gelockert wird. Im Gegenteil, die Bürgerinnen und Bürger in Hessen haben einen besonderen Anspruch, dass man sich in diesem Bereich auf den Arzt und seine Praxis verlassen kann. Ich glaube, wir müssen in Zukunft verstärkt darauf schauen, dass das auch so bleibt.
Mir ist auch der geschilderte Fall des Anprangerns besonders aufgefallen; denn das kann man eigentlich gar nicht glauben. Dass ein Hotel die Fehlzeiten seiner Mitarbeiter an ein Schwarzes Brett hängt und diese dann noch mit solch einem Satz garniert, muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Das ist tiefstes Mittelalter. Das ist in einer modernen Zeit wie der unsrigen Mobbing, und ich dachte, dass es das eigentlich nicht mehr geben dürfte. An solch einer Stelle können wir auch nicht mehr mit Aufrufen oder Bitten arbeiten. Ich glaube, dort braucht es wirklich das volle Maß des Bußgeldes. Anders verstehen es solche Arbeitgeber nicht. Wir als Datenschützer müssen in Zukunft in solchen Fällen mit entsprechenden Bußgeldern arbeiten.
Danke schön, Herr Präsident. Ich komme zum Schluss. – Gerade die EU-Datenschutz-Grundverordnung – das ist bei meinen Vorrednern in vielfältiger Weise angeklungen – wird uns in nächster Zeit enorm fordern. Ich bin froh, dass Kollege Frömmrich angekündigt hat, dass wir uns in der Dezember-Sitzung mit entsprechenden Gesetzesvorlagen beschäftigen müssen. Es wird Zeit; bis zum Mai des nächsten Jahres ist nicht mehr viel Zeit. Dementsprechend müssen wir in die Gänge kommen. Wenn Sie sich an unserer Vorlage zum Transparenzgesetz ein Beispiel nehmen, dann könnte das relativ schnell gehen. Das war nämlich gut; und dann haben Sie uns auch – –
Das ist nett. – Zum Schluss vielleicht noch etwas zum Eurovision Song Contest: Lassen Sie uns nicht zu einer „Puppet on a String“ werden, also nicht zu einer Marionette des Datenschutzes. Ich bin froh, dass wir hier vorne den „Dschinghis Khan“ des Datenschutzes sitzen haben. Dann