Protocol of the Session on November 23, 2017

Meine Damen und Herren, das ist doch absurd. Es ist respektlos gegenüber den Wählerinnen und Wählern. Lassen Sie das doch einfach beiseite. Es verunsichert nur, und es ist in dem Wahlgesetz an keiner einzigen Stelle nachweisbar, dass hier ein manipulativer Eingriff erfolgen sollte oder erfolgen wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben sich darüber ereifert, dass wir eine mangelhafte Begründung vorgenommen hätten. Ja, es ist in der Tat eine eher mathematische Frage, eine minimalinvasive – das ist so. Wir haben die Maßstäbe, die ich eben genannt habe, natürlich auch in der Gesetzesbegründung dargestellt.

Aber jetzt sage ich Ihnen einmal eines zu den Veränderungen bei den einzelnen Wahlkreisen: In der Begründung sind natürlich diese zahlenmäßigen Darstellungen entscheidend gewesen. Das hat Sie im Jahr 2005 aber nicht gestört.

Damals war es genauso. Die Abgeordneten im Deutschen Bundestag von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben die Wahlkreisänderungen bei den Bundestagswahlkreisen auch nicht anders als zahlenmäßig begründet, weil es generelle Maßstäbe gibt und man das im Einzelfall nur sehr schwer begründen kann, außer mit geografischen Zusammenhängen.

Meine Damen und Herren, wir haben einen Änderungsantrag vorliegen, der aufgreift, dass wir uns in der nächsten Wahlperiode mit dem Thema noch einmal detaillierter befassen wollen. – Herr Kollege Rudolph, nur weil Sie eben angesprochen haben, wie sich die Wahlkreiskommission am Ende zusammensetzt und wer bei der Frage der Zusammensetzung eine entscheidende Rolle spielt: Wir haben die Regelung dem § 3 des Bundeswahlgesetzes nachgebildet. Dort ist der Bundespräsident – –

(Nancy Faeser (SPD): Quatsch!)

Ja, der Bundespräsident ist vielleicht der Falsche für unsere Wahlkreiskommission. Wir haben es der Bundesregelung nachgebildet.

(Marius Weiß (SPD): Da sind doch keine Abgeordneten drin!)

Dort ernennt der Bundespräsident die Wahlkreiskommission.

(Nancy Faeser (SPD): Der Bundespräsident ist der Bundeswahlleiter!)

Da wir keine Landeswahlleiter aus anderen Ländern berufen können, haben wir gesagt, es wäre doch klug, wenn die Abgeordneten dieses Hauses hier in dieser Wahlkreiskommission vertreten wären. Ich weiß nicht, warum man das jetzt auch noch kritisieren muss.

(Unruhe bei der SPD)

Das ist ein Vorschlag, der am Ende dazu führen soll,

(Anhaltende Unruhe bei der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)

dass man ein solches Thema, nämlich die Zusammensetzung der Wahlkreise, bevor es hier im Hessischen Landtag beraten wird, in einer Wahlkreiskommission mit der Präsidentin oder dem Präsidenten des Statistischen Landesamtes, dem Landeswahlleiter – wahrscheinlich ist es auch nicht schlecht, wenn man den VGH-Präsidenten mit dazu nimmt – und mit den Abgeordneten berät. Ich weiß nicht, warum das jetzt auch ein kritikwürdiger Vorschlag ist,

(Manfred Pentz (CDU): Die wollen einfach nur meckern!)

wenn man sich vorher gewünscht hat, dass man gerne eine größere Beteiligung gehabt hätte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Abg. Rudolph.

(Holger Bellino (CDU): Wir hören die SPD, wir hören noch die FDP, wir hören Beuth, wir hören die Kommission!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie haben eben Ihren Parteikollegen ein bisschen angegriffen. Es war in der Tat der Kollege Bauer, der uns darlegen wollte, dass man die Gemeinde Groß-Rohrheim, eine SPD-Hochburg, verlagert. Da habe ich ihm schon geantwortet: Es geht nicht um Hochburgen, sondern es geht nach rechtsstaatlich nachvollziehbaren Begründungen. Die haben Sie nicht geliefert.

(Beifall bei der SPD)

Herr Innenminister, warum schreiben Sie erst am 25. April 2017 die Fraktionen, nachrichtlich die Landesverbände, an? Über drei Jahre nach Konstituierung des Landtags dieser Wahlperiode machen Sie nichts.

(Michael Boddenberg (CDU): Wir sind nicht dement!)

Jetzt zitieren Sie – Handlungsdruck – die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2012. Sie hatten sogar fünf Jahre Zeit. Im Übrigen sind Sie sehr vermessen. Ich bin nicht so sicher, das müssen dann Juristen prüfen, ob der Beschluss des Staatsgerichtshofs aus dem Jahr 2006 alles aufhebt, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat. Dann müssen Sie nämlich auch vergleichen, was vergleichbar ist. Deswegen bin ich noch nicht so sicher, ob das 1 : 1 zu übertragen ist – geschenkt an der Stelle. Aber Sie wussten seit 2012, dass es da offensichtlich klare Veränderungen auf Bundesebene gibt, und Sie haben nichts gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt schreiben Sie uns als Fraktionen an. – Herr Boddenberg, was will die SPD? – Ja, wir schließen uns der Meinung, der Haltung Ihres Innenministers an.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

In dem Schreiben vom 25. April, letzter Absatz, steht:

Ich rege vor diesem Hintergrund an, eine Neuabgrenzung der hessischen Landtagswahlkreise auf der Basis der dann aktuell vorliegenden Bevölkerungszahlen in der neuen Wahlperiode anzugehen. Bei dieser Gelegenheit könnten im Landtagswahlgesetz nach dem Vorbild des Bundes und anderer Bundesländer auch eine regelmäßige Berichtspflicht gegenüber dem Hessischen Landtag über die Bevölkerungsentwicklung statuiert und ebenfalls Kriterien für eine mögliche Neuabgrenzung der Wahlkreise aufgenommen werden.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Guter Vorschlag!)

Teilen wir alles. – Das war Sachstand April.

Jetzt schreibt die FPD – ich habe den Brief vorliegen –: Wir brauchen Rechtssicherheit, damit eine Wahlanfechtung hinterher nicht nötig ist. – Damit hat der Kollege Greilich doch völlig recht; er weist nur darauf hin, und das hat Herr Schäfer-Gümbel auch immer wieder gesagt. Aber hier bekommen Sie – –

(Unruhe bei der CDU)

Was wir sagen, interessiert Sie nicht. Das wissen wir – geschenkt.

(Michael Boddenberg (CDU): Größte Bedenken hat die FDP gehabt!)

Aber seriöse Rechtsgutachter, Sachverständige, sagen Ihnen: An einigen Stellen ist dieser Gesetzentwurf augenscheinlich verfassungswidrig.

(Zuruf von der CDU)

Hören Sie doch wenigstens einmal auf die Experten, wenn Sie schon auf uns nicht hören, und nehmen Sie die Sorgen und Nöte ernst.

Dass aktuelle Bevölkerungszahlen eine Rolle spielen, können Sie am Wahlkreis Frankfurt I sehen: knapp 61.000 Wahlberechtigte nach den Zahlen von 2015. Frankfurt ist die am stärksten wachsende Stadt in Hessen. Ich bin sehr sicher, dass wir gravierende Veränderungen haben werden. Deswegen ist der Änderungsbedarf größer. Ja, wenn später – nach einem geordneten Verfahren, nach einer vernünftigen Anhörung und nicht im Hauruck-Verfahren – irgendwo ein Wahlkreis nicht mehr existiert, dann ist das demokratisch und auch zu akzeptieren. Aber doch nicht so, wie Sie es machen.

Noch einmal zum Vorwurf der politischen Manipulation. Ich kannte den Begriff Gerrymandering bis dato nicht. Aber Sie können das am Beispiel Eiterfeld nicht widerlegen. Deswegen ist das möglicherweise ein Wahlanfechtungsgrund. Sie sagen: Augen zu, Schwarz-Grün hat immer recht. – Nein, wenn der Gesetzentwurf, so wie er heute vorliegt, in dritter Lesung verabschiedet wird, riskieren Sie, dass er möglicherweise tatsächlich vor dem Staatsgerichtshof landet. Darauf haben Experten und politische Vertreter Sie hingewiesen. Das entscheiden nicht wir. Sie haben die Mehrheit. Das sagen Sie uns 24-mal am Tag, obwohl wir es gar nicht hören wollen, weil wir es selbst wissen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Sie sind Herr oder Frau des Verfahrens, auch wenn Sie offensichtlich aktuelles Zahlenmaterial durch politische Willkür ersetzen. Die Wahlkreiskommission ist absurd zusammengesetzt; da gehören möglicherweise tatsächlich keine Abgeordneten hinein, aber auch keine weisungsgebundenen Personen aus dem Innenministerium. Das muss man dann sehen. Da kann man sich tatsächlich an anderen orientieren.

Deswegen ist dieser Gesetzentwurf schnell zusammengeschustert worden. Nun ist schnell eine Anhörung durchgezogen worden. Außerdem haben Sie Zeitdruck gemacht. Sie wollten das bereits zum 01.12. im „Gesetz- und Verordnungsblatt“ haben. Herr Arnold schreibt jedoch in der „Fuldaer Zeitung“: Das passt mir eigentlich alles gar nicht. Das ist auch nicht alles so richtig. Aber weil die FDP mit einer Klage gedroht hat, machen wir das.

Noch einmal: Wenn Sie ernsthaft behaupten, Sie würden Klagen der Opposition ernst nehmen, dann müssten Sie unsere Bedenken auch aufnehmen. Deshalb sollten wir das gemeinsam in der nächsten Wahlperiode angehen. Ich glaube, dann wird das auch Bestand haben. Es muss Handlungsbedarf gegeben sein, und es müssen aktuelle Zahlen vorliegen. Auch das ist ein Rechtsgrundsatz, der bei der Wahlkreiszusammensetzung beachtet werden muss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Kollegen Greilich.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon ein bisschen erschreckend, wenn man sieht, wie hilflos hier argumentiert wird gegenüber dem Tatbestand, der nicht zu leugnen ist, dass wir eine verfassungswidrige Vorlage zur Änderung eines verfassungswidrigen Gesetzes haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es gibt bessere Vorschläge. Wir haben Ihnen sogar die Zahlen geliefert. Wenn einem dazu nur der Hinweis einfällt, dass diese Zahlen deswegen nicht verwendbar seien – Herr Kollege Frömmrich, wenn ich Sie richtig verstanden habe –, weil die Leute zur Bundestagswahl zu diesem Zeitpunkt wahlberechtigt waren, aber zur Landtagswahl nur wahlberechtigt ist, wer schon drei Monate lang in Hessen lebt, dann halte ich das für schwierig. Wenn ich halbwegs rechnen kann, dann ist zwischen dem 24. September 2017 und jedem denkbaren Wahltermin für eine Landtagswahl im Jahr 2018 in Hessen eine Frist von drei Monaten verstrichen. Ich glaube, das ist nicht wegzudiskutieren.