Protocol of the Session on November 21, 2017

(Manfred Pentz (CDU): Sie haben noch nicht gesagt, was Sie eigentlich wollen!)

Es könnte sein, dass ich mich mit Ihnen auseinandersetze. Seien Sie vorsichtig.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU) – Glockenzeichen des Präsidenten)

Statt 20 Minuten lang Altes zu wiederholen – es liegt mir fast auf der Zunge, zu sagen, die Eier legende Wollmilchsau hat wiedergekäut –, hätten Sie darstellen sollen, wie die Finanzierung aussieht. Vor allem hätten Sie endlich einmal Zeit gewinnen können, um einen Regierungsentwurf vorzulegen. Da warten wir auch schon. Seit dem Sommer ist die Sache angekündigt, und bis heute liegt noch kein Regierungsentwurf zur Hessenkasse vor. Das ist schlechtes Handling, das sind Managementfehler. Das geht mit Ihnen nach Hause, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jan Schalauske (DIE LINKE) und Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich habe es schon dargestellt: Von 2010 bis 2015 haben Sie den Kommunen 7 Milliarden € durch Unterfinanzie

rung auferlegt, sodass sie die Defizite hochtreiben mussten, sodass Schulden entstanden sind, von denen die meisten mit Kassenkrediten finanziert wurden. Dagegen können Sie sich noch so sehr wehren – es sind objektive Befunde. Es gibt keine entsprechende Entwicklung in einem anderen Bundesland. Diese Defizite auf der kommunalen Seite hat einzig und allein die Landesregierung verursacht. Sie ist der einzige Verursacher an dieser Stelle. Deswegen ist es angemessen, dass die Landesregierung, die diesen Schaden verursacht hat, ihn auch wiedergutmacht und den eingetretenen Schaden ersetzt. Das kennen wir aus dem Zivilrecht. Haftungsmodelle kennen wir auch von anderen Themen.

(Manfred Pentz (CDU): Sagt der Jurist Schmitt!)

Ja, das gehört dazu. – Meine Damen und Herren, es ist sicherlich auch richtig, dass die Kassenkredite, in denen ein hohes Zinsrisiko steckt, die in dieser Zeit entstanden sind und die jetzt zwischen 5 und 6 Milliarden € betragen – es wird noch gekämpft, was alles anerkannt wird –, abgelöst werden müssen. Man könnte sagen: Der Dieb bringt das Geklaute wieder zurück.

(Günter Rudolph (SPD): Zumindest ein bisschen! – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Aber er räumt die Wohnung gleichzeitig wieder aus; denn 80 % der Hessenkasse werden über die Kommunen finanziert.

(Alexander Bauer (CDU): Wer hat die Schulden gemacht?)

Wer hat die Schulden gemacht? – Ich möchte es Ihnen noch einmal erklären, Herr Bauer. Fangen wir einmal von vorne an. Bis zum Jahr 2000 waren die hessischen Kommunen diejenigen, denen es in Deutschland am besten ging. Dann haben Sie 2000 die Regierung übernommen, und seit der Zeit geht es mit den hessischen Kommunen bergab. Sie sind mittlerweile diejenigen, die am höchsten verschuldet sind.

Meine Damen und Herren, liegt ein Gesamtversagen der hessischen Kommunen vor? Sind sie zu blöd? Sind die Bürgermeister aller Couleur in Hessen zu blöd? Oder hat das einen strukturellen Grund? – Es hat einen strukturellen Grund: dass sie nicht angemessen finanziert sind. Das hat etwas damit zu tun, wie Prof. Junkernheinrich festgestellt hat: Hessen hat die geringste direkte Finanzierung der Kommunen im bundesweiten Vergleich und die höchsten kommunalen Aufgaben.

Der Kommunalisierungsgrad von Aufgaben ist in Hessen am höchsten. Für Kommunalpolitiker ist das eigentlich eine schöne Situation; denn sie können viel gestalten und viel machen. Der Nachteil ist aber: Wenn das nicht entsprechend finanziert ist, wenn das Land sich einen schlanken Fuß macht, kommt genau die Situation heraus, die wir gehabt haben, dass die hessischen Kommunen zurückfallen und zu den verschuldetsten gehören.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es völlig unangemessen, dass die hessischen Kommunen zu 80 % den von der Landesregierung verursachten Schaden finanzieren müssen.

Die Hessenkasse soll jährlich 300 Millionen € kosten. Schauen wir uns einmal an, wie das finanziert wird. Es wird finanziert durch 100 Millionen € Eigenbetrag der begünstigten Kommunen, die berühmten 25 € pro Einwohner. 59 Millionen € sollen durch Bundesmittel finanziert

werden, die eigentlich dafür gedacht waren – Stichwort: Bundesteilhabegesetz –, dass die Kommunen damit Mehraufgaben, die durch die Inklusion eintreten, abfinanzieren.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ich gebe zu, es gab keine Zweckbindung. Die fünfte Milliarde war nicht zweckgebunden. Aber können Sie es wirklich verantworten und vertreten, zu sagen: „Diese fünfte Milliarde dient nicht dazu, dass Mittel, die die Kommunen unstrittigerweise mehr für Menschen, die behindert sind und Inklusion brauchen, aufwenden müssen, ungeschmälert den Kommunen zur Verfügung stehen“?

(Beifall bei der SPD)

Mit 60 Millionen € müssen die hessischen Kommunen weiter zahlen, obwohl die Gewerbesteuerumlage eigentlich um 4,5 % sinken müsste, weil der Fonds „Deutsche Einheit“ durch die Kommunen abfinanziert ist. Eigentlich wären dann 4,5 % der Gewerbesteuerumlage frei. Was macht die Landesregierung? Sie lässt diese 4,5 % einfach weiterlaufen. Das kommt nicht mehr in den Fonds „Deutsche Einheit“, sondern in den Fonds „Landesregierung“. Mit diesen 60 Millionen €, die damit zusammenkommen, wird ein Anteil der Hessenkasse finanziert.

20 Millionen € kommen aus dem Landesausgleichsstock. Man kann es zusammenrechnen: 240 Millionen € der 300 Millionen € kommen von den Kommunen. Die Kommunen finanzieren einmal mehr die Hessenkasse selbst. Es ist ein Entschuldungsprogramm, das die Kommunen vor allem selbst zu tragen haben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jan Schalauske (DIE LINKE))

Deswegen sage ich: Liebe Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, wenn die Landesregierung ankündigt, dass sie Gutes für die Kommunen tut, sollten die Bürgermeister sofort an die Gesäßtasche greifen und ihren Geldbeutel festhalten. Die Bürgermeisterinnen sollten ihr Täschchen, wenn darin ihr Geldbeutel ist, sofort unter den Arm klemmen und richtig festhalten, weil da Trickbetrüger unterwegs sind. Deswegen kann ich nur sagen: Trauen Sie dieser Landesregierung nicht, wenn sie Wohltaten ankündigt.

(Beifall bei der SPD – Ismail Tipi (CDU): Unverschämt!)

Es wird auch Kommunen geben, die von der Landesregierung als finanzstark, vielleicht sogar als reich identifiziert werden. Eine Kommune ist Mainhausen. Die „Frankfurter Rundschau“ hat dankenswerterweise über eine Kommune berichtet, die zu den 36 Kommunen gehört, denen es in Hessen angeblich so gut geht. Die Überschrift ist: „Wir und reich, das muss ein Irrtum sein“. Dann wird gesagt, die Bürgermeisterin fühlt sich „betrogen“ oder „zumindest ungerecht behandelt“. „Wir und reich, das muss ja wohl ein Irrtum sein“, wird der SPD-Fraktionsvorsitzende zitiert.

(René Rock (FDP): Das liegt an der absoluten SPDMehrheit dort!)

Der Journalist fährt mit ihnen durch die Stadt. Von Zellhausen nach Mainflingen wird an jeder zweiten Ecke angehalten, und überall sind Risse im Asphalt zu sehen.

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Es wird gesagt: „… noch zwei Winter mit starkem Frost, und die Straßen sind komplett hinüber“. Die Gemeinde hat Kinderspielplätze verkauft. Die Gemeinde hat einen Teil ihres Gemeindewaldes verkauft. Die Bürgersteige der Gemeinde sind in einem unerträglichen Zustand, und die Gemeinde hat die Grundsteuerhebesätze erhöht. – Das sind die reichen Kommunen in Hessen.

Meine Damen und Herren, zur Verklärung der Lage ist das überhaupt nicht der geeignete Moment, und mit fremdem Geld lassen sich leicht Wohltaten verkünden. Das ist nicht gut.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Da war mehr Beifall als Inhalt! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Abg. Goldbach von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal dem Kollegen Schmitt für die Information danken, welche Filme er bevorzugt schaut. Das wissen wir jetzt. Bleibt nur zu sagen: Über Geschmack lässt sich streiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) – Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich heute durch den Vogelsberg oder andere ländliche Regionen in Hessen fahre, stelle ich fest, dass das manchmal recht mühsam ist; denn es reiht sich eine Baustelle an die andere. In Hessen wird so viel gebaut wie schon lange nicht mehr.

(René Rock (FDP): Windräder!)

Ich erinnere mich – und viele von Ihnen bestimmt ebenfalls – noch gut an das Jahr 2011. Damals gab es ein Schlagloch-Programm. Es war ein harter Winter, und im Februar 2011 hat die Landesregierung den Kommunen Geld zur Verfügung gestellt. Damals wurden aber nur Löcher geflickt. Wenn man das mit heute vergleicht – welch eine Investitionstätigkeit wir in Hessen haben, bei der die Straßen grundhaft saniert werden: Landesstraßen, Gemeindestraßen und Kreisstraßen –, dann muss ich sagen: Das ist doch schon eine deutliche Verbesserung, die man täglich sehen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte kurz noch darauf zurückkommen, warum die Lage in den hessischen Kommunen einmal ganz schlecht war. Das lag vor allem an der Finanz- und Wirtschaftskrise. Klar, dadurch sind die Steuereinnahmen in vielen Kommunen stark zurückgegangen. Damals hatten wir noch das alte Verbundsystem. Auch das Land hatte geringere Steuereinnahmen, und der Anteil, den die Kommunen bekamen, war entsprechend niedriger.

Auch haben wir seitdem viele Aufgabenübertragungen erlebt – vor allem im sozialen Bereich vom Bund an die Kommunen, ohne eine entsprechende Finanzierung dazu. Das betrifft gerade die Aufgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Kosten der Unterkunft, Hilfen zum Lebensunterhalt und viele andere. Diese Ausgaben sind wichtig, und die Aufgaben müssen erfüllt werden, aber sie sind durch den Bund niemals vollständig bezahlt worden.

Das zusammengenommen – die Konjunktur- und Wirtschaftskrise und die vielen Aufgabenübertragungen – hat eben tatsächlich dazu geführt, dass im Jahr 2010/2011 die Lage in vielen hessischen Kommunen relativ schwierig war.

Aber wir haben eine deutliche Verbesserung. Da muss ich sagen, verehrter Herr Kollege Schmitt: Es gibt ein paar Zahlen, Daten und Fakten, die doch wohl jeder zur Kenntnis nehmen muss, beispielsweise die Finanzierungssalden der hessischen Kommunen. Im Jahr 2010 waren das 2,2 Milliarden € negativ; im Jahr 2016 waren es 300 Millionen € positiv. Also, wenn das keine gewaltige Verbesserung ist. Und das ist belegt, es sind belegte Zahlen. Das ist keine Erfindung des Finanzministers.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Dann haben wir die Konsolidierungsfortschritte der hessischen Kommunen. 2011, 2012 und 2013 ging es in den meisten Gemeindeparlamenten, Stadtparlamenten und Kreistagen immer nur darum, wie hoch das Haushaltsdefizit sein würde. Wir haben nur darüber geredet, was wir an Defiziten noch verkraften können. Von einem Haushaltsausgleich war damals überhaupt keine Rede. 2013 hatten nur 29 % der hessischen Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt. 2017 werden es voraussichtlich 94 % der hessischen Kommunen schaffen.

(Zuruf von der SPD: Dafür können Sie nichts!)

Auch das sind Zahlen, die ganz klar belegen, dass sich die Situation in Hessen deutlich verbessert hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle einmal betonen, dass das eine große Leistung der hessischen Kommunen ist.