Protocol of the Session on November 21, 2017

(Beifall bei der SPD)

Sie werden in der Anhörung von jedem Verfassungsschutzrechtler diese Empfehlung bekommen – das prognostiziere ich schon. Wir würden gerne daran mitarbeiten, dass wir alle diese Dinge in Ihrem Gesetz verändern. Wir werden Ihnen Änderungsvorschläge vorlegen. Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren, zumindest diese streitige Regelung herauszunehmen, bevor die Experten den Gesetzentwurf bekommen. Sie schießen weit über das Ziel

hinaus. Legen Sie ein Gesetz vor, das solche weitgehenden Eingriffe in Bürgerrechte nicht vorsieht.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) sowie auf der Zuschauertribüne)

Ich darf die Besucher auf der Tribüne darauf hinweisen – auch wenn nicht mehr viele von Ihnen da sind –: Es ist nicht erlaubt, dass Sie applaudieren. Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Es ist auch für andere Besucher, die auf der Tribüne sitzen, störend.

Ich rufe Herrn Kollegen Greilich für die FDP-Fraktion auf.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe vorhin schon einmal die zeitlichen Abläufe geschildert: Das ist ein über drei Jahre andauerndes Trauerspiel, das Sie uns vorgeführt haben. Herr Minister, ich muss sagen, durch Ihren Wortbeitrag ist es nicht besser geworden.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie uns vorwerfen, wir hätten Ihren Gesetzentwurf nicht gelesen – es ist ja letztlich Ihr Gesetzentwurf, auch wenn er von beiden Fraktionen eingebracht worden ist –,

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

dann darf ich einmal, um einen Teil der Textexegese vorzunehmen, sagen: In der Präambel beginnen Sie damit:

Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Das ist absolut richtig. – Nur, genau das ist das Thema, wozu die Expertenkommission schon sehr viel aufgeschrieben hat.

(Nancy Faeser (SPD): Ja!)

So richtig, wie das ist, so unvollständig ist es nämlich. Das Grundgesetz enthält eine Legaldefinition, und zwar in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Grundgesetz – da kann man als Verfassungsminister auch einmal hineinschauen –: Danach dient der Verfassungsschutz dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie dem Bestand und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Es ist unverständlich – so hat es die Expertenkommission formuliert –, dass das hessische Gesetz hinter dieser Legaldefinition zurückbleibt, obwohl diese im Bund, in den Ländern und in der Fachliteratur einheitlich verwendet wird. Bevor Sie mir wieder sagen, ich hätte das nicht gelesen, und die Kommission hätte das vielleicht nicht aufgeschrieben: Ich habe hier die Stellungnahme der Expertenkommission zu Ihrem ersten Entwurf für ein Gesetz zur Neufassung des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz, wo das auch schon so, wenn auch an anderer Stelle, geregelt war. Dort heißt es sehr klar:

Der Erlass eigener, vom Bundesrecht abweichender Gesetzesvorschriften begründet Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs.

Dies betrifft insbesondere die Vorschriften zur Beschreibung des „Zwecks des Verfassungsschutzes“, …

Wer hat recht, wer hat unrecht? – Stellen wir das einmal der weiteren Diskussion anheim.

Dann reden Sie über die Stärkung der Kontrolle des Verfassungsschutzes. Frau Kollegin Faeser hat Ihnen schon ein bisschen dazu gesagt. Wir haben vorhin aufgegriffen, es habe die Behauptung gegeben, es sei unzulässig, Notizen zu machen. – Nein, das ist nicht unzulässig. Sie haben meines Erachtens – das sage ich sehr deutlich – eine sehr sinnvolle Regelung in dem Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle in § 2 aufgenommen. Diese Regelung gab es auch vorher schon; damals stand sie in § 21 des Verfassungsschutzgesetzes. Die Formulierung beruht auf meiner Mitwirkung, weil ich es durchaus für richtig halte, dass diejenigen, die den Verfassungsschutz kontrollieren, nicht selbst zum Opfer von Abhöraktionen und sonstigen Geschichten werden. Deswegen haben wir das so formuliert. Das steht auch jetzt drin. Was mich aber wundert, ist, dass der größte Kritiker dieser Regelung, als wir das damals gemacht haben, Herr Kollege Frömmlich, jetzt hier steht und erklärt: Das ist ja alles ganz wunderbar, was wir hier ausgehandelt haben.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist das Einzige, was Sie geändert haben!)

Herr Kollege Frömmrich, wenn es um die Regelung der Kontrolle des Verfassungsschutzes geht, dann haben Sie und im Übrigen auch Ihr Koalitionspartner unglaublich viel vollmundig angekündigt, aber gelandet sind Sie als Bettvorleger für den Innenminister. – Das ist das entscheidende Thema.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle – das haben wir schon erörtert – wird vermindert durch die Entscheidungshoheit der einfachen Landtagsmehrheit darüber, wer kontrollieren darf. – Das ist ein Fehler. Das ist weniger, als die Expertenkommission vorgelegt hat.

Die Frage des Einsatzes sowohl der Mitarbeiter der Fraktionen als auch der Mitglieder der Kontrollkommission hat Kollegin Faeser schon erwähnt. Auch da bleiben Sie weit hinter den Vorschlägen der Expertenkommission zurück. Die Möglichkeit für die ansonsten sehr isoliert, mit großem Vertrauensvorschuss des Parlaments agierenden Mitglieder der Kontrollkommission, sich einmal zu spiegeln und ein Gespräch mit Personen zu führen, mit denen man besonders vertraut ist, wie z. B. mit den Fraktionsvorsitzenden, über die Beratungsgegenstände der Parlamentarischen Kontrollkommission, ist ausgeschlossen. Diese Öffnung, die die Kommission vorgeschlagen hat und die auch wir verlangt haben, haben Sie nicht aufgenommen.

Ich will noch zwei weitere Punkte nennen. Die Einführung eines Befragungsrechts der Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz direkt durch die Parlamentarische Kontrollkommission wurde nicht umgesetzt.

(Günter Rudolph (SPD): Abgelehnt!)

Es gibt ein weiteres Thema, das ich für unabdingbar halte: die Einführung einer Whistleblower-Regelung. Für diejenigen, die es nicht kennen: So etwas gibt es z. B. im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz. Dort hat das die CSU gemacht. Dort dürfen sich Mitarbeiter direkt an die Verfassungsschutzkommission wenden, wenn es um Missstände im Amt geht. Warum wollen Sie das denn nicht? Weil Sie

irgendetwas zu verheimlichen haben? – Das hoffe ich nicht. Ich glaube es auch nicht, und ich unterstelle es auch nicht. Aber wenn das so ist, dann lassen Sie uns doch eine vernünftige Whistleblower-Regelung einführen. Wir werden Ihnen Vorschläge dazu machen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! An Herrn Minister oder vielleicht auch an Herrn Frömmrich gerichtet: Ich wären Ihnen einfach dankbar, wenn Sie dem Parlament vielleicht noch einmal erklären könnten, worin genau die Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments bestünden.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Herr Minister, Sie haben gesagt, das sei eine Stärkung der Kontrollrechte. Herr Frömmrich hat das auch gesagt, aber nicht weiter ausgeführt. Ich wäre einfach dankbar, wenn Sie das noch einmal erklären könnten. Ich bin hier jetzt mit meiner Rede für den erkrankten Herrn Schaus eingesprungen. Vielleicht habe ich etwas übersehen. Ich habe das im Gesetz nicht gefunden. Herr Frömmrich, das ist genau mein Problem. Ich habe mir das angeschaut. § 2 des Gesetzes ist relativ überschaubar. Dort lese ich beispielsweise zu der Frage der Notizen:

Den Mitgliedern ist gestattet, sich für die Beratungen während der Sitzungen handschriftliche Notizen anzufertigen. Aus Gründen des Geheimschutzes stellt die oder der Vorsitzende im Anschluss an jede Sitzung die Einziehung und Vernichtung der handschriftlichen Notizen mit Sitzungsbezug sicher,...

(Lachen der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Was bringt es mir denn, wenn ich mir Notizen mache, die nach der Sitzung eingezogen oder vernichtet werden? Wo soll da der Sinn sein?

(Zurufe von der SPD)

Okay, ich habe jetzt verschwiegen, dass man sie auch in der Landtagsverwaltung in einem Umschlag deponieren lassen kann. Ich brauche mir aber keine Notizen zu machen, wenn ich sie eh nicht mitnehmen darf und wenn ich damit überhaupt nichts anfangen kann.

(Holger Bellino (CDU): Das dient der Absicherung! – Zuruf von der CDU: Sie wollen das im „Neuen Deutschland“ veröffentlichen, oder was?)

Genau das ist das Problem, Herr Bellino: zur Absicherung. Die Frage ist: Wer ist denn das Sicherheitsrisiko? Sind die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission das Sicherheitsrisiko, gegen das man sich absichern muss?

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Ihr Zwischenruf trifft den Nagel auf den Kopf. Genau das ist es. Hinzu kommt der Versprecher von Herrn Bauer, der vorhin gesagt hat, das Landesamt suche die Abgeordneten aus, die Mitglieder der Kontrollkommission werden. Wahrscheinlich meinte er

den Landtag. Aber auch das ist bezeichnend. Genau das ist das Problem, dass Sie die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission als Sicherheitsrisiko ansehen.

Das zeigt, dass Sie überhaupt nichts gelernt haben, dass Sie überhaupt keine Lehre gezogen haben und offenbar überhaupt nicht nachvollzogen haben, warum wir diese Debatte überhaupt führen.

Soll es allen Ernstes so sein, dass die Landesregierung über die Fraktionsmitarbeiter entscheidet, die in die Parlamentarische Kontrollkommission dürfen? Es geht, wohlgemerkt, um Mitarbeiter, die eigentlich gar nicht teilnehmen dürfen, weil nämlich zwei Drittel der Mitglieder zustimmen müssen, dass die Mitarbeiter teilnehmen dürfen. Wo kommen wir denn hin, wenn die Landesregierung entscheidet, welche Mitarbeiter der Opposition zuarbeiten dürfen? Dann konkretisieren Sie das doch bitte. Erklären Sie doch bitte einmal, an welcher Stelle die Rechte der Parlamentarier gestärkt werden.

Hier steht ganz deutlich:

Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden … durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt.

Wenn die Landesregierung bestimmt, heißt das, dass es überhaupt keine Möglichkeit für die Mitarbeiter des Landesamtes gibt, über irgendwelche Missstände zu informieren, weil diese Informationen gar nicht an der Landesregierung vorbeikommen. Sie haben nicht einmal die Vorschläge Ihrer eigenen Expertenkommission aufgenommen. Das ist das Problem. Deshalb bitte ich nochmals, hier einmal darzustellen, welche Rechte gestärkt werden.

Hinzu kommt das Problem, dass wir seit der Ermordung von Halit Yozgat wissen, dass diesem Gremium relevante Informationen vorenthalten wurden.

(Nancy Faeser (SPD): Bewusst!)

Bewusst vorenthalten wurden. – Zuvor gab es Beratungen darüber, dass man diese Inhalte dem Gremium vorenthält. Wie soll man denn als Parlamentarier etwas kontrollieren, wenn man gar nicht weiß, dass etwas passiert ist, wenn man überhaupt nicht darüber informiert wird? Genau das ist das Problem. Anstatt wenigstens die parlamentarische Kontrolle zu stärken, tun Sie jetzt so, als wären die Mitglieder der Kontrollkommission das Sicherheitsrisiko, vor dem man geschützt werden müsste. Hier nicht Transparenz und Kontrolle herzustellen, das halte ich für ein starkes Stück, meine Damen und Herren.