Protocol of the Session on November 21, 2017

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sabine Waschke (SPD) und Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Hinzu kommt, dass Menschen, die ausgespäht werden – ob völlig zu Unrecht oder nicht –, überhaupt kein Recht haben, das zu erfahren. Sie dürfen das gar nicht einsehen.

(Unruhe bei der CDU)

Nein, der Verfassungsschutz muss überhaupt nicht mitteilen, wer warum bespitzelt wurde. Auch das ist ein riesiges Problem. – Ich sehe auf die Uhr und komme zum Schluss, Herr Präsident.

Auch die parlamentarische Kontrolle ist wirklich ein schlechter Witz. Nicht einmal die Vorschläge der eigenen Kommission haben Sie aufgegriffen. Es ist praktisch ein Kontrollverhinderungsgesetz.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, so ist es!)

Wir haben schon jetzt die Situation, dass die SPD die einzige Oppositionsfraktion ist, die in diesem Gremium überhaupt sitzen darf. Es gibt überhaupt keine weitgehenden Rechte. Man kann nicht mit fünf Abgeordneten

(Günter Rudolph (SPD): Zwei Oppositionsabgeordneten!)

bei diesen Einschränkungen einen Geheimdienst überwachen oder kontrollieren. Deswegen hat das nichts mit dem zu tun, was hier als Kontrolle eingefordert ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Deshalb – letzter Satz – kann ich mich dem Votum des GRÜNEN-Landesparteitags nur anschließen: Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Das Wort hat Herr Innenminister Beuth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Redebeiträge von Frau Wissler, Herrn Greilich und Frau Faeser haben gemeinsam, dass sie ein paar Dinge ausgeblendet haben.

(Günter Rudolph (SPD): Oder eingeblendet! Je nachdem, wie man es interpretieren will! – Weitere Zurufe)

Bei Frau Wissler ist es die Lebenswirklichkeit, die tatsächliche Bedrohungslage. Bei Herrn Greilich und Frau Faeser muss ich leider sagen: Sie haben den Gesetzestext, den wir vorgelegt haben, ausgeblendet; denn das, was Sie hier erzählt haben, hat mit dem, was wir jetzt miteinander zu verhandeln haben, nicht so wahnsinnig viel zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin mir nicht sicher, ob das sachgerecht ist. Das heißt, ich bin mir sicher, dass es nicht sachgerecht ist. Aber wo ich mir nicht sicher bin: Ob auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts, dass man hier politisch durchaus miteinander streiten muss, eine solche Ausblendung der Tatsachen in diesem Plenarsaal noch verantwortlich ist vor den Bürgerinnen und Bürgern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Ga- briele Faulhaber (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, die Bedrohungslage ist nach wie vor groß, und sie ist real. Kollege Bauer hat vom heutigen Tag berichtet. Die Realität hat uns in Deutschland in den vergangenen Monaten, in den vergangenen Jahren eingeholt. Wir schauen nicht mehr nur auf Paris oder Brüssel, sondern haben in Ansbach, in Würzburg, in Berlin eigene Opfer terroristischer Anschläge zu beklagen. Daran kann und muss man leider sehen und erkennen, dass die Bedrohung tatsächlich real ist.

Wir haben im Moment eine eher nachrichtendienstliche Lage als eine polizeiliche Lage, weil wir bei den Extremismusphänomenen darauf angewiesen sind, mitzubekommen, was dort geschieht. Das gilt sowohl für den Rechtsextremismus als auch den Linksextremismus, es gilt aber vor allem für den islamistischen Extremismus. Wir brauchen diese Informationsgewinnung, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger durch unsere Sicherheitsbehörden, unter anderem durch das Landesamt für Verfassungsschutz, am Ende sicherstellen zu können.

Dafür braucht es Werkzeuge. Die Polizei und das Landesamt für Verfassungsschutz brauchen Werkzeuge, um genau diesen Auftrag – Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande zu gewährleisten – erfüllen zu können. Darum bitten wir mit diesem Gesetzentwurf und den Maßnahmen, die darin vorgesehen sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Wir müssen auf die Bedrohung angemessen reagieren. Das tun wir mit den Veränderungen, die wir in dem Gesetzentwurf und mit den genannten Regelungen vorgesehen haben. Zugleich haben wir die Kontrollfunktion des Parlaments gestärkt. Das ist unbestreitbar.

(Günter Rudolph (SPD): Wie bitte? Das ist abenteuerlich!)

Denn wir werden die Kontrollfunktion des Parlaments völlig verändern. Wir werden das in wesentlichen Punkten den Regelungen des Bundes nachbilden. Insofern ist das, was Sie hier vorgetragen haben, im Regelfall falsch gewesen.

(Zuruf von der SPD: „Im Regelfall falsch gewe- sen“!)

Ja, im Regelfall ist es falsch gewesen. Sie haben nicht alles falsch gemacht. Frau Kollegin Faeser, entschuldigen Sie, Sie haben darüber gesprochen, dass Abgeordnete keine Notizen machen dürften. Das ist natürlich Käse.

(Nancy Faeser (SPD): Das habe ich gar nicht gesagt!)

Natürlich haben Sie gesagt, sie dürften keine Notizen machen. Zumindest habe ich das gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist einfach falsch. Man muss es eben nur verschlusssachenkonform machen. Das werden wir mit dem Gesetzentwurf festlegen. Denn am Ende geht es auch ein Stück weit um Geheimhaltung. Deswegen bleibe ich dabei: Das, was Sie hier vorgetragen haben, war deutlich an der Sache und am Entwurf des Gesetzestextes vorbei.

Mit dem Gesetzentwurf, den wir Ihnen hier vorlegen, werden wir das nachbilden, was wir uns über Jahre hinweg, auch unter dem Eindruck des NSU, erarbeitet haben. Das fängt mit den 47 Handlungsempfehlungen an, die der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt hat. Dann gibt es die Kanther-Kommission, die wir bei uns in Hessen eingerichtet haben, weil wir sehr selbstkritisch mit all den Fragen und dem furchtbaren Geschehen umgegangen sind.

Wir haben damals schon gesagt, dass wir die Aus- und Fortbildung verändern müssen. Dafür haben wir uns der Akademie des Bundes angeschlossen. Wir waren die Ersten, die dort mitgemacht haben.

Wir haben die Themen Öffentlichkeitsarbeit und Prävention aufgenommen. Wir haben damals schon das Thema „Einsatz und Führung der V-Personen“ als ein Problem erkannt. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz war unserer Auffassung nach schon ein Problem.

Wir haben das Internet als Aufklärungsmittel am Ende beim Verfassungsschutz verankert. Wir haben die Stärkung der Arbeit der Verfassungsschützer im Verbund der Länder und des Bundes gesehen. Wir haben uns darüber hinaus auch sehr selbstkritisch mit der Frage der Daten, der Akten und der Kontrolle all dieser Verwaltungsvorgänge auseinandergesetzt.

Wir sind dann nicht stehen geblieben. Wir sind dann hingegangen und haben gesagt: Wir setzen eine Expertenkommission ein, die überprüfen soll, was wir seit den Empfehlungen des Deutschen Bundestages alles verändert haben und wie sich die Polizei, die Justiz und das Landesamt auf diese entsprechenden Vorgaben eingestellt haben. Meine Damen und Herren, schauen Sie in den Bericht.

(Holger Bellino (CDU): Voll des Lobes!)

Schauen Sie in den Bericht hinein. Dort sind im Wesentlichen an die Fragen Haken gemacht worden. Es wurde berichtet, dass wir in allen Bereichen auf einem sehr guten Weg sind.

(Holger Bellino (CDU): Sehr richtig!)

Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie das infrage stellen. Unsere Sicherheitsbehörden haben sich genau auf diese Fragen eingestellt.

(Holger Bellino (CDU): So ist es!)

Sie haben das aufgenommen, und sie haben sich mit großer Mühe darum gekümmert, das entsprechend zu verbessern.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Expertenkommission hat das überprüft und für gut befunden. Sie haben sich dann unseren Gesetzentwurf angeschaut. Da gibt es in der Tat ein paar unterschiedliche Einschätzungen, die sich in dem Regelwerk, das jetzt hier vorliegt, am Ende auch auswirken.

Aber im Wesentlichen, im Kern, haben wir überhaupt kein Problem. Wir haben natürlich in diesem sehr dynamischen Prozess sehen müssen, wie andere Länder mit dem Verfassungsschutz umgegangen sind. Wir haben seit der Vorlage unseres Gesetzentwurfs eine Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes mit allerlei neuen Vorgaben.

Dazu will ich Ihnen einmal sagen: Sie sind diejenigen, die eben am Rednerpult noch gesagt haben, wir müssten die Zusammenarbeit stärken. Wenn wir die Zusammenarbeit stärken wollen, dann müssen wir auch zusehen, dass wir auf ähnlichen Rechtsgrundlagen arbeiten. Deswegen war es wichtig, dass wir die Vorlage des Bundesverfassungsschutzgesetzes abgewartet haben, um dann die Konsequenzen für unseren Gesetzentwurf zu ziehen. Auch das ist ein wesentlicher Aspekt, den wir uns vorgenommen hatten.

Wissen Sie, die Frage der Zusammenarbeit der Landesämter und des Bundesamtes ist nicht nur eine von Sonntagsreden oder von irgendwelchen Parteitagsreden. Vielmehr muss man dafür Sorge tragen, dass der gesetzliche Rahmen wirklich passt und so stimmt, dass die Behörden auch gut zusammenarbeiten können. Denn das ist etwas, was in unserem Interesse – nein, ich korrigiere mich –, was im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger des ganzen Landes ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Frömmrich hat es schon angedeutet: Es gab dazu auch Rechtsprechung. Im Jahr 2013 haben wir das Antiterrordateigesetz gehabt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu eingelassen. An das Bundeskriminalamtgesetz ist das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2016 herangegangen.