Protocol of the Session on September 28, 2017

Wir haben in der Tat zu wenige Medizinstudienplätze. Das liegt aber nicht an diesem Land; denn das Land Hessen bildet mit drei Medizinfakultäten weit überdurchschnittlich aus.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Zwei davon privatisiert!)

Wenn man einmal die Studienplätze pro Kopf ausrechnet, dann kommt dabei heraus, dass wir in Hessen ganz weit vorne liegen. Andere Bundesländer machen da aber nichts. Das hat nichts mit parteipolitischer Einfärbung zu tun, sondern es ist einfach so, dass wir für andere Bundesländer mit ausbilden, dass wir hier viele Medizinstudienplätze vorhalten, während sich andere Bundesländer da vornehm zurückhalten.

Daher finde ich die Perspektive, dass man jeden Wunsch nach Studienplätzen immer und sofort per Landtagsbeschluss befriedigen kann, realitätsfern. Die Linkspartei kann das zwar fordern und vertreten. Ich frage Sie aber ganz ernsthaft, Frau Dr. Sommer, ob es tatsächlich die Antwort der SPD sein kann: Wir brauchen keine Vergabe von Studienplätzen mehr; denn wenn die SPD regiert, wird es von allem immer genug geben.

(Zuruf der Abg. Dr. Daniela Sommer (SPD))

Das ist doch Unsinn. Darüber stimmen wir heute zudem nicht ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir Nein sagen, dann steigen wir aus dem Staatsvertrag aus. Dann machen wir nicht mehr mit. Das ist doch die Konsequenz. Wenn wir heute Nein sagen, bedeutet das nicht, dass es plötzlich genügend Studienplätze gibt.

Daher halte ich diese Debatte nicht für besonders fundiert, auch nicht für besonders ruhmreich für diejenigen, die ablehnen wollen. Wenn man als Opposition sagt, dass man nicht mitverhandelt hat, dann kann man sich der Stimme enthalten. Das macht die FDP. Das haben wir in der vergangenen Wahlperiode bei diesem Glücksspielgedöns auch gemacht.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, na, na!)

Bei dem Glücksspielstaatsvertrag waren wir der Auffassung, dass das nicht trägt. Deshalb haben wir uns der Stimme enthalten. Ich glaube aber nicht, dass es sinnvoll ist, den Staatsvertrag abzulehnen, sodass dieser nicht in Kraft

tritt. Denken Sie einmal an die Kolleginnen und Kollegen der SPD in den anderen Ländern, die dem zugestimmt haben. Das nur als Hinweis am späten Abend. Ich hätte mir die Debatte heute Abend sparen können, aber wenn Sie es unbedingt wollen, dann möchte ich es Ihnen auch noch erläutern. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege May. – Das Wort hat die Abg. Karin Wolff, CDU-Fraktion.

Verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser vorzüglichen und engagierten Rede des Kollegen May brauche ich nur ganz wenige Punkte zu ergänzen.

Meine Damen und Herren, es ist in der Tat so, dass ein Staatsvertrag kein Wunschkonzert ist, an dem man fein ziselierte Änderungen vornehmen kann, sondern es ist eine Verabredung unter 16 Ländern. Diese 16 Länder waren zum Zeitpunkt der Leistung der Unterschriften noch mehr sozialdemokratisch geprägt, als es leider auch jetzt noch der Fall ist. Inzwischen hat sich das in drei Ländern ein wenig geändert, aber die Mehrheit der Länder war eindeutig sozialdemokratisch geprägt. Ein Land, das von den LINKEN geführt wird, hat diesem Staatsvertrag ebenfalls zugestimmt.

Wenn Sie die Anhörung seriös gewichten, müssen Sie feststellen, dass die Anzuhörenden bei aller Kritik, die im Einzelfall und bei Kleinigkeiten berechtigt sein mag, am Ende auf die Frage, ob wir die Unterschrift verweigern oder zustimmen sollen, gesagt haben: Unterschreibt das Ding. – Es gab auch Menschen, die gesagt haben: Es ist eindeutig eine Verbesserung des derzeitigen Zustands, dass alle Studienplätze besetzt werden können und die Bewerber schnellstmöglich zu einem Studienplatz kommen. – Darüber hinaus kann man noch darauf verweisen, dass 60 bis 80 % der Studienplätze nach wie vor durch Auswahlverfahren an den einzelnen Hochschulen besetzt werden. Auf die anderen Punkte hat Herr Kollege May hingewiesen.

Ich will noch zwei Zitate bringen, damit deutlich wird, worüber wir heute reden. Es gab ja Wahlprüfsteine, auch zu diesem Thema. Ich darf Ihnen zitieren, was die SPDFraktion im Bundestag auf diese Frage geantwortet hat. Neben einiger Kritik steht da der Satz:

Wir halten es nach wie vor für erforderlich, dass sich alle Hochschulen am Datenabgleich bei der Studienzulassung in Numerus-clausus-Fächern beteiligen.

Die LINKEN haben auf dieselbe Frage geantwortet – ich zitiere –:

Alle Hochschulen sollen verpflichtet werden, sich am Dialogorientierten Serviceverfahren zu beteiligen und ihr Studienangebot dort vollständig einzuspeisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem Bericht des Kollegen Grumbach weiß zwar jeder, wie im Ausschuss abgestimmt worden ist, aber vielleicht sollten Sie noch einmal kurz überlegen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wolff. – Das Wort hat die Kollegin Janine Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr May hat sich eben darüber gewundert, dass wir zu diesem Thema überhaupt eine Aussprache haben.

(Günter Rudolph (SPD): Die wundern sich immer über Aussprachen!)

Er hat sich gewundert, dass es hier überhaupt Gegenstimmen gibt; die habe es in anderen Landtagen nicht gegeben. Es mag bei Ihnen ja so sein, dass etwas, was 16 Ministerpräsidenten unterschreiben – darunter der „Bestimmer“ –, für Sie sakrosankt ist und von Ihnen kritiklos abgestimmt wird. Ich verstehe meine Aufgabe so, dass ich mir trotzdem anschaue, was in einer solchen Vorlage steht, und danach entscheide, ob ich das richtig finde oder nicht richtig finde.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Sommer hat schon einiges der Kritik vorgetragen, die auch in der Anhörung zu hören war. Daran kann ich mich anschließen; das muss ich nicht wiederholen, beispielsweise die Kurzfristigkeit der Finanzierungszusage und die Frage der Hochschulen, was nach 2020/ 2021 wird. Auch das Thema Wartesemester wurde in der Anhörung angesprochen – neben technischen Problemen bei der Umsetzung.

Herr May hat ja angekündigt, dass ich etwas Grundsätzliches zu dem Staatsvertrag sagen werde; das will ich in der Tat tun. Herr May, es gab Zeiten, da hatten die GRÜNEN noch Visionen, die über einen Tagesordnungspunkt hinausreichten. Ich glaube, wenn Sie bei der Gründung der GRÜNEN dabei gewesen wären, hätten Sie auch dagegen argumentiert, die Abschaffung der Atomenergienutzung zu fordern, weil Sie gesagt hätten, das sei völlig unrealistisch. Das sagen Sie ja zu allem, was über den Tag hinausgeht.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Man muss schon sagen, dass es hoch problematisch ist, Hochschulzulassungen weiter zu beschränken. Dabei geht es nicht um irgendwelche Wünsche, wie Sie das jetzt formuliert haben, Herr May, sondern um Grundrechte. Es gibt in diesem Land ein Recht auf freie Berufswahl. Wenn man dieses Recht einschränken will, dann muss man dazu zumindest eine Anhörung machen.

Weitere Beschränkungen bei der Hochschulzulassung sind zusätzliche Bildungshürden, die Sie einführen wollen. Wir reden hier darüber, dass viele Hochschulen zusätzliche Auswahlkriterien anwenden, dass es Auswahlgespräche gibt, dass Schulabgänger von Hochschule zu Hochschule fahren, um sich dort Bewerbungsverfahren zu unterziehen. Es spricht nichts dagegen, dass es ein gemeinsames Verfahren gibt, Frau Wolff. Das ist nicht der Punkt. Wir als LINKE kritisieren, dass es überhaupt einen NC gibt; denn der NC ist eine zusätzliche Bildungshürde. Wenn Menschen eine Hochschulzulassungsberechtigung haben, d. h.

von ihrem Schulabschluss oder von ihrem beruflichen Abschluss her an einer Hochschule studieren dürfen, dann sind wir dagegen, dass dieses Recht auf freie Berufswahl weiter eingeschränkt wird, beispielsweise durch einen NC. Sie haben das Medizinstudium angesprochen. Gerade in dem Bereich haben wir doch einen Mangel.

Damit sind wir beim Kern des Problems. Ich verstehe natürlich, dass die Hochschulen in der Situation sagen: Wir sind nicht dagegen, dass ihr jetzt den Staatsvertrag in die Tonne kloppt. – Das Problem ist doch, dass wir zu wenige Studienplätze haben und dass die Studienplätze nicht ausreichend finanziert sind. Das ist das ganze Problem. Je größer der Mangel, desto schwierigere und intransparentere Verfahren denkt man sich zur Verteilung des Mangels aus. Das ist die Schwierigkeit, die wir dabei sehen. Das steht überhaupt nicht im Widerspruch dazu, dass wir sagen: Selbstverständlich ist es richtig, in irgendeiner Form ein bundesweit geltendes Verfahren zu haben.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Brandburg hat keine medizinische Fakultät!)

Selbstverständlich ist es nicht gut, wenn sich Menschen an zehn verschiedenen Hochschulen bewerben, an fünf Hochschulen eine Zusage bekommen und dann Studienplätze unbesetzt bleiben. Das ist natürlich ein Problem. Aber noch einmal: Dieser Staatsvertrag entfaltet seine Wirkung ja nicht im luftleeren Raum, sondern er entfaltet eine Wirkung angesichts der Unterfinanzierung der Hochschulen und angesichts der Tatsache, dass nicht genug Studienplätze vorhanden sind. Das ist das Problem.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen lautet unsere Forderung: Statten Sie die Hochschulen vernünftig aus, finanzieren Sie die Studienplätze aus, damit jeder junge Mensch, der studieren möchte, die Möglichkeit hat, das zu tun. Deshalb ist das für mich eine sehr grundsätzliche Frage. Wie gesagt, es geht nicht darum, ein anderes Verfahren zu finden, aber wir werden uns nicht daran beteiligen, den Mangel auf Kosten der Berufschancen von Menschen zu verteilen, die gerne studieren möchten und das auch tun könnten, weil sie die formale Zugangsberechtigung haben, aber künstlich davon abgehalten werden, weil es nicht genügend Studienplätze gibt. Deswegen werden wir diesen Staatsvertrag ablehnen. Er löst die Probleme nicht, sondern verwaltet letztlich nur den Mangel.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Kollegin Wissler. – Das Wort hat der Abg. Dr. Blechschmidt, FDP-Fraktion. Bitte sehr.

Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich war für Nicola Beer in der Ausschusssitzung. Ich fand die Anhörung, neben Herrn Grumbach sitzend, sehr interessant und aufschlussreich. Ich habe bisher Anhörungen im Rechtsausschuss und im Innenausschuss erlebt und fand, in der Anhörung hat sich gezeigt, dass wir Hessen stolz sein können auf unsere Hochschulrepräsentanten. Ich habe mich sogar bei einem Termin vertreten lassen, weil

ich in der Anhörung länger zuhören wollte. Das sage ich vorweg.

Mittlerweile ist es 20 Uhr. Ich weiß von den alten Parlamentshasen, dass die Landtagssitzungen, die bis spät in die Nacht dauerten, legendär sind. Es freut mich, heute gegen 20 Uhr, zu relativ später Stunde, aber noch nicht am Ende der Plenarsitzung, reden zu dürfen, und ich bin auch dankbar dafür, dass man diese Stunde für die Debatte nutzt.

Meinem Fraktionsvorsitzenden habe ich gleichwohl versprochen, obwohl hier wortreiche Redebeiträge gehalten worden sind, mich auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren und noch einmal deutlich zu machen, warum sich die FDP-Fraktion der Stimme enthalten wird.

Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, die Anhörung hat nach Auffassung der FDP-Fraktion gezeigt, dass der Gesetzentwurf zum einen über die Regelungen im neuen Staatsvertrag hinausgeht und zum anderen nicht ganz unkritisch zu betrachten ist. Deshalb werden wir uns der Stimme enthalten.

Ich möchte hier kurz fünf Punkte zur Begründung anführen, damit das im Protokoll nachvollzogen werden kann.

Insbesondere die mündliche Anhörung hat nach unserer Auffassung gezeigt, dass die Hochschulen über eigene Verfahren verfügen, die schneller und effizienter sind, und es kaum einen Anreiz gibt, freiwillig zusätzliche Studiengänge in das Dialogorientierte Serviceverfahren zu integrieren.

Zweitens. Zudem wurde angeregt, die freien Studiengänge als Kannoption in die Rechtsverordnungen aufzunehmen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)