Protocol of the Session on September 28, 2017

Seit 2014 ist schlicht nichts passiert. Ich will das nur noch einmal sagen.

Jetzt haben wir hier eine Lösung präsentiert bekommen. Wir wissen noch nicht, wie sich das auswirkt. Hat schon einmal jemand mit den dortigen Bediensteten gesprochen? Wie ist die Lösung gedacht? Herr Innenminister, vielleicht gehen Sie noch einmal ans Pult und sagen etwas dazu.

Der Bedarf an Abschiebehaftplätzen ist gestiegen. Ich sage es noch einmal: 2015 sind 127 Personen aus Hessen in anderen Bundesländern, nämlich in Ingelheim und in Büren, untergebracht worden. 2016 waren es sogar 219 Personen. Im Juni 2017 waren es 124 Personen, und bis heute ist nichts passiert. Der Innenminister hat sich also reichlich Zeit gelassen, und heute verkündet er hier eine Lösung, die wir, vor allem im Hinblick auf die Betroffenen, nicht auf Zuruf beurteilen können.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nur einer Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion zu verdanken, dass wir das Thema überhaupt noch einmal auf der Tagesordnung hatten. Es gab nämlich eine interessante Priorisierung der JVA in Darmstadt

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Limburg!)

Limburg, Entschuldigung, Herr Wagner –, was sogar dazu geführt hat, dass die Justizministerin schon dorthin gefahren ist und mit den Bediensteten darüber gesprochen hat, was das bedeuten würde. Dann hieß es in einer Sondersitzung, die wir aufgrund dessen einberufen haben: Nein, nein, Limburg wird es nicht. – Was ist denn das für ein Chaos, das die Landesregierung in dieser Frage veranstaltet?

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

In der von der SPD extra einberufenen Sondersitzung im Sommer hieß es: Limburg, Friedberg oder Kaufungen. – Herr Innenminister, zu Kaufungen habe ich ebenfalls eine Meinung: Die Abschiebungen finden in der Regel über den Frankfurter Flughafen statt. Dass man die JVA in Kaufungen da überhaupt mit prüft, verstehe ich nicht.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Calden!)

Sehr geschätzter Kollege Hahn, ich glaube, das wäre nicht in Betracht gekommen. – Aber das fand ich schon interessant. In dieser Sondersitzung war keine Rede von der JVA in Darmstadt. In den Innenausschusssitzungen, die bis dahin stattgefunden hatten, hätte man durchaus einmal über die JVA in Darmstadt reden können. Aber nein, Herr Innenminister, es wird nicht nur zum wiederholten Mal – darauf hat Günter Rudolph, mein parlamentarischer Geschäftsführer, mehrfach hingewiesen – ein Gesetzentwurf der Fraktionen vorgelegt, damit Sie möglichst niemanden beteiligen müssen,

(Günter Rudolph (SPD): Ja, so ist es!)

sondern Sie gehen auch noch vor den Abgeordneten ans Pult und sagen, Sie hätten gern eine zügige Beratung. Was ist denn das für ein Stil?

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Ich will einiges zu der gesetzlichen Regelung sagen. Es ist in der Tat richtig, dass eine Abschiebehaft die Ultima Ratio sein sollte. Frau Wallmann hat darauf hingewiesen, dass die Abschiebehaft nur in Einzelfällen als allerletztes Mittel angewandt werden sollte. Herr Innenminister, liebe CDU und liebe GRÜNE – ich bin ein bisschen überrascht über die Haltung der GRÜNEN –, das kann man auch im Gesetz regeln. In anderen Bundesländern steht diese Ultima-Ratio-Regel unter § 1 im Gesetz. Ich finde das auch angemessen angesichts dessen, was wir hier regeln.

(Beifall bei der SPD)

Ich will nur noch einmal kurz sagen: Die Inhaftierung von Menschen zum Zwecke der Vorbereitung der Abschiebung kann nur dann verhängt und vollzogen werden, wenn es überhaupt keinen anderen Weg gibt. Das sollte unserer Ansicht nach auf jeden Fall im Gesetz geregelt werden, so, wie es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen – noch ein rot-grünes Gesetz – geregelt ist. Ich kündige schon an, dass wir im Gesetzgebungsverfahren einen solchen Antrag einreichen werden.

Ich verweise auf den Menschenrechtsaktivisten Percy MacLean, der einmal gesagt hat, dass sich wegen des Fehlens eines Strafzwecks – darüber reden wir heute; hier fehlt ein Strafzweck –

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau!)

die Abschiebungshaft als ein „normales Leben minus Freiheit“ darzustellen hat. So sollte man das auch regeln.

Der hier vorliegende Gesetzentwurf ist kein so gutes Beispiel dafür. Ja, es sind Unterschiede zur Justizvollzugsanstaltsregelung enthalten, aber sie gehen noch nicht weit genug. Es gibt Ansätze, die viel humanitärer sind. NordrheinWestfalen habe ich schon erwähnt. In Baden-Württemberg ist es auch so.

Wie gesagt, es gibt in beiden Bundesländern Ultima-RatioRegeln und auch ausführliche Regelungen für die humanitäre Unterbringung von Familien. Kann man eine Einzelunterbringung vornehmen? Wird, wenn eine Familie aufgenommen wird, z. B. schon die Ausreise geplant? Es geht darum, dass sie auch eine Perspektive haben.

Ich sage es noch einmal: Sie sitzen ohne Strafzweck in einer solchen Abschiebehaftanstalt. Insofern sollte man die Abschiebehaft auch humanitär ausgestalten. Wie gesagt, aus den genannten Bundesländern gibt es gute Beispiele. Wir werden im Gesetzgebungsverfahren die entsprechenden Änderungen vorschlagen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Vielen Dank. – Als Nächster hat Kollege Wilken das Wort, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin immer wieder überrascht, dass mich diese Landesregierung noch überraschen kann.

(Nancy Faeser (SPD): Das ist toll, nicht?)

Um 17:58 Uhr erfahren wir hier aus dem Munde des Innenministers, dass man sich für Darmstadt als Standort für eine Abschiebehaftanstalt entschieden hat. Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, habe ich gelesen, dass wir der Gesetzgeber sind. Diesen Gesetzentwurf haben wir zwar – wieder einmal – reichlich spät bekommen, aber er liegt nun auch schon ein paar Tage bei mir auf dem Schreibtisch.

Herr Innenminister und die Mitglieder der Regierungsfraktionen, ich muss Sie fragen: Was haben Sie jetzt eigentlich vor? Wir haben dieses Jahr sieben Betroffene. Sie wollen jetzt Platz schaffen; genauer haben Sie es nicht gesagt. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Straftäter selbstverständlich in Strafhaft genommen werden. Den offiziellen Verlautbarungen der Regierungsfraktionen entnehme ich immer wieder, es werden nur Straftäter abgeschoben. Was ist denn jetzt? Was gilt denn? Was haben Sie vor?

Sie schaffen – da gebe ich Ihnen Recht – jetzt endlich eine Rechtsgrundlage, was in einem Rechtsstaat prinzipiell richtig ist. Frau Faeser hat schon darauf hingewiesen – das war die EuGH-Klatsche –, dass die Unterbringung von Abzuschiebenden in der JVA Frankfurt unrechtmäßig war.

Ich sage jenseits der prinzipiellen Haltung meiner Fraktion und meiner Partei: Flucht ist kein Verbrechen, und Flüchtlinge gehören deswegen nicht in Haft.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Jenseits der ganz grundlegenden Regelung bei uns, dass in Deutschland selbst Minderjährige in Abschiebehaft genommen werden sollen, verstößt klar gegen Menschenrecht und vor allem gegen die Kinderrechtskonvention.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Es ist in diesem Zusammenhang sowohl von Ihnen als auch von Frau Wallmann noch einmal der Begriff des „Gefährders“ genannt worden. Wir finden den Ausbau der Abschiebehaft äußerst problematisch, insbesondere die Vermischung von sicherheitsrechtlicher Prävention und Abschiebehaft von Terrorverdächtigen und Flüchtlingen durch die Gesetzgebung. Wir haben auf Bundesebene im Ausländerrecht ein Sonderrecht für Gefährder geschaffen, obwohl dies Teil des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts ist. Was haben Sie vor? – Wir lehnen Abschiebungen und Rückführungen, insbesondere in Kriegsgebiete, wie Sie das immer wieder tun, ab. Deswegen schaffen Sie aus unserer Sicht eine überflüssige Rechtsgrundlage.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Vielen Dank. – Ich habe keine weiteren Wortmeldungen.

Dann ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz über den Vollzug ausländerrechtlicher Freiheitsentziehungsmaßnahmen vollzogen, und der Gesetzentwurf wird zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Innenausschuss überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Landesblindengeld (Landesblindengeldgesetz – LBliGG) – Drucks. 19/5231 zu Drucks. 19/4467 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 14:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Landesblindengeldgesetzes – Drucks. 19/5232 zu Drucks. 19/ 4816 –

und mit Tagesordnungspunkt 54:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Ausbildung von Taubblinden-Assistenten – Drucks. 19/5261 –

sowie mit Tagesordnungspunkt 75:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Anpassung des Landesblindengelds in Hessen schnell umsetzen – Landesblindengeld als zusätzliche Unterstützung zum Bundesteilhabegesetz – Drucks. 19/5308 –

Berichterstatter ist Abg. May. Ich bitte zunächst Herrn Abg. May um die Berichterstattung.

Ich darf Ihnen die Beschlussempfehlungen zu den Drucks. 19/4816 und 19/4467 vortragen.

Zur Drucks. 19/4816 heißt es: Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP bei Stimmenthaltung der LINKEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung anzunehmen.

Zur Drucks. 19/4467: Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von SPD, DIE LINKE und FDP, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

Vielen Dank. – Erster Redner ist Kollege Roth für die SPD-Fraktion.