Vielleicht haben Sie aber gesehen, was der Internationale Währungsfonds heute Morgen veröffentlicht hat. Es wird zu Millionen Klimaflüchtlingen kommen, wenn es uns nicht gelingt, die Erwärmung der Erdatmosphäre in den Griff zu bekommen. Das sollte uns allen gemeinsam zu denken geben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Angela Dorn und Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Wir haben in Deutschland vor Jahren begonnen, unsere Energieversorgung beim Strom schrittweise auf erneuerbare Energien umzustellen. Das war hoch umstritten. Dieser
Tage jährt sich zum achten Mal der Vertrag einer schwarzgelben Koalition auf Bundesebene. Sie machte den Atomausstieg rückgängig. Zwei Jahre später machte sie die Laufzeitverlängerung wieder rückgängig.
Wir haben im Jahr 2011 dazu einen gesamtgesellschaftlichen Konsens erreicht. Ich will ausdrücklich sagen: Die Energiewende ist nicht nur eine Abwehrstrategie gegen den Klimawandel. Wenn sie gut gemacht ist, ist sie auch eine ökonomische Offensive; denn sie stößt Innovationen an. Sie bringt Wertschöpfung in die Regionen. Sie eröffnet neue Exportchancen.
Sie sollten sich einmal anschauen, wie viel Geld jedes Jahr Deutschland in Richtung Putin und in Richtung der arabischen Länder einfach durch den Import endlicher Rohstoffe zahlt. Dabei wird Geld exportiert. Manches davon kommt in Form von Trikotwerbung für Schalke 04 oder durch den Verkauf von Luxusautos wieder zurück. Aber ich glaube, wir könnten damit in unserer Volkswirtschaft Besseres anfangen, als auf solche Effekte zu setzen.
Wir diskutieren gerade über die spannende Frage, wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu bewerten ist. Ich bin der Auffassung, dass sich das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, als ein hocheffizientes Instrument zur Förderung der Technologieentwicklung erwiesen hat. Wir haben einen enormen Fortschritt beim Ausbau der Nutzung der erneuerbaren Energiequellen. Nach allem, was man so hört, waren wir im ersten Quartal 2017 bundesweit im Schnitt deutlich über 30 % Nutzung erneuerbarer Energien. In Hessen sind wir noch auf einer Aufholjagd. Wir sind davon noch entfernt.
Aber ich will ausdrücklich sagen: Natürlich muss sich das Erneuerbare-Energien-Gesetz verändern. Das EEG vom Januar 2000 war ein Anreiz zur Einführung einer Technologie. Aber der Anreiz zur Einführung einer Technologie kann in einer Phase, in der diese Technologie 35 % erreicht hat und damit die wichtigste Erzeugungsart des Stroms geworden ist, natürlich nicht mehr mit denselben Kriterien arbeiten. Es geht jetzt quasi vom Anreiz, in den Markt einzusteigen, zur Marktintegration. Deswegen ist eigentlich völlig unbestritten, dass wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz verändern wollen.
Herr Minister, können Sie uns mitteilen, wie sich der CO2Ausstoß in den letzten zwei oder drei Jahren in Deutschland entwickelt hat?
Herr Kollege Rock, das kann ich Ihnen mitteilen. Der CO2Ausstoß in Deutschland ist leider angestiegen. Sie müssen aber wissen, dass der CO2-Ausstoß in Deutschland, grob gesagt, zu einem Drittel aus der Erzeugung des Stroms kommt. Die anderen Bereiche sind Wärme und Mobilität. Da haben wir die größeren Probleme, vor allem im Verkehrsbereich. Wenn Sie morgen sagen, dass wir ein Tempolimit auf den Autobahnen einführen, würde das sofort 2 Millionen t CO2 einsparen. Ich bin gespannt, ob das Bestandteil der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene werden wird.
Ich will hinzufügen: Manche Kämpfer gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz nehmen gar nicht wahr, dass sie gegen ein Prinzip kämpfen, das es gar nicht mehr gibt. Beim EEG des Jahres 2000 wurden die Vergütungssätze von der Politik festgelegt. Sie wurden dann vom Jahr der Inbetriebnahme der Anlage auf 20 Jahre garantiert.
Das gilt aber gar nicht mehr. Wir haben den Übergang zu den Ausschreibungen. Die funktionieren. Am 1. April dieses Jahres hat die erste Ausschreibung für die Nutzung des Offshorewindes stattgefunden. Wissen Sie, was der Durchschnittspreis pro Kilowattstunde für die Nutzung des Offshorewindes sein wird? – 0,44 Cent/kWh.
Wir reden immer über die Zukunft. Denn die Zusagen, die in der Vergangenheit gegeben wurden, können wir gar nicht mehr ändern. Da Sie über die Zusagen aus der Vergangenheit reden, möchte ich sagen, dass es eine Phase gab, in der das Aufkommen aufgrund des EEG deutlich angestiegen ist. Das geschah nun verrückterweise in der Amtszeit der schwarz-gelben Regierung. Das war der Fotovoltaikboom der Jahre 2010 bis 2012.
Im Nachhinein sage ich da: Auch ich habe mich geirrt. – Ich habe gedacht, dass man die Vergütungssätze für die Nutzung der Fotovoltaik nicht schneller senken kann. Die Bundesregierung hat sie in dieser Zeit zwar gesenkt, aber nicht schnell genug. Ich habe gedacht, dass das die deutsche Fotovoltaikindustrie schützt. Am Ende haben wir gesehen, dass es für die deutsche Fotovoltaikindustrie besser gewesen wäre, sich schneller in Richtung Marktwirtschaft zu bewegen.
Sie haben damals die Regierungsverantwortung auf Bundesebene getragen. Lieber Kollege Rock, wir haben diesen Fehler gemeinsam gemacht.
Ich will zweitens hinzufügen: Ich habe Ihnen den Durchschnittssatz für den Offshorewind genannt. Ich will Ihnen den Durchschnittssatz für den Windstrom an Land sagen, der Ergebnis der letzten Ausschreibungsrunde war. Das war eine durchschnittliche Vergütung von 4,28 Cent/kWh. Ich glaube übrigens, dass sie ein bisschen zu niedrig ist. Wir werden nämlich schauen müssen, wie viele dieser Projekte – der sogenannten Bürgerwind-Projekte – am Ende wirklich realisiert werden. Herr Gremmels, Sie haben völlig recht, da muss etwas verändert werden. Aber in der
Runde davor waren wir auch schon bei 5,7 Cent/kWh; d. h., wir sind auch da inzwischen beim Binnenwind im Durchschnitt unter 6 Cent/kWh. Bei den Fotovoltaik-Freiflächenanlagen hat die Ausschreibung vom 1. Juni einen Preis von 5,66 Cent/kWh ergeben.
Das bedeutet, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Zukunft nicht nur deutlich günstiger wird als in der Vergangenheit, sondern dass er aus meiner Sicht in der Zukunft seinen Anteil daran haben wird, dass Energie unterm Strich günstiger sein wird, als es ohne die erneuerbaren Energien möglich wäre. Ein neues Steinkohle- oder Erdgaskraftwerk ist heute unterhalb von Gestehungskosten von 9 Cent/kWh nicht zu haben. In Großbritannien hat man gerade dem Betreiber eines neuen Atomkraftwerks – das ist der einzige Atomkraftwerkneubau, der in den letzten Jahrzehnten überhaupt in Europa real errichtet worden ist – Hinkley Point C für 30 Jahre 11 Cent/kWh zugesagt. Ich glaube, an dieser Stelle muss völlig klar sein: Was wird am Ende billiger sein? Ich bin da sehr sicher: Die erneuerbaren Energien werden sich rein marktwirtschaftlich durchsetzen.
Deswegen sage ich ausdrücklich: Die Ausschreibungen sind richtig. Wir müssen nur bedenken, dass das Neuland ist. Man macht da momentan erst seine Erfahrungen, was man an dieser Stelle verändern muss.
Liebe Kollegin Wissler, ich bin überzeugt davon, dass sich die Marktwirtschaft an dieser Stelle als deutlich besser erweisen wird als die Planwirtschaft.
Wenn Sie sagen, wir müssten erst den Kapitalismus überwinden, um die Welt zu retten, dann ist die Welt verloren.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Das habe ich nicht gesagt!)
Ja, ich habe ein Interview von Sahra Wagenknecht aus der „Frankfurter Rundschau“ eine Woche vor der Wahl zitiert. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht zu polemisch sein, aber ein Blick nach Venezuela, wo es das ölreichste Land der Welt geschafft hat, dass es kein Benzin mehr gibt, zeigt, dass das zumindest nicht funktioniert.
(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP – René Rock (FDP): Das wollen sie nicht hören!)
Okay, Entschuldigung. Ich habe gedacht, es wäre die nächste Zwischenfrage. Entschuldigung, Herr Präsident.
Ich will an der Stelle noch darauf hinweisen: Natürlich haben wir eine relative hohe Summe für das EEG. Ein Teil der EEG-Summe erklärt sich auch dadurch, dass der Börsenstrompreis so niedrig ist, weil das EEG sozusagen die Differenz ausmacht. Ich glaube, unter dem Strich ist es für die Bürgerinnen und Bürger entscheidend, was der Strom kostet. Ich will Ihnen sagen, dass der Durchschnittsstrompreis am 01.01.2013 für den Haushaltsstrom in Deutschland 29 Cent/kWh war und dass der Durchschnittsstrompreis am 01.01.2017 für Haushaltsstrom exakt die gleichen 29 Cent/kWh betragen hat. Das heißt, wir sind inzwischen dazu gekommen, dass am Ende auch die sinkenden Börsenstrompreise weitergegeben werden, weil die Leute glücklicherweise auch ihren Stromanbieter wechseln können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch an dieser Stelle funktioniert die Marktwirtschaft.
Ich glaube, dass wir an einem Punkt nachsteuern müssen. Herr Rock, Sie haben es angesprochen, Stichwort: CO2Zertifikate. Ja, das funktioniert momentan nicht. Das liegt aber daran, dass wir zu viele CO2-Zertifikate auf dem Markt haben, weil die erneuerbaren Energien sehr viel schneller erfolgreich geworden sind, als es viele vorher gedacht haben. Wenn Sie – in Anführungszeichen – versuchen, an dieser Stelle einen marktwirtschaftlichen Preis künstlich zu erzeugen, Stichwort: CO2-Zertifikate, dann müssen Sie natürlich am Ende auch Zertifikate vom Markt nehmen, wenn es weniger CO2-Ausstoß gibt; sonst funktioniert das Ganze nicht mehr. Auch an dieser Stelle kann man feststellen, dass sich das auf europäischer Ebene verändern muss. Die deutsche Bundesregierung hat sich da in den letzten Jahren nicht mit Ruhm bekleckert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht kann man das in Zukunft besser machen.
Ein letzter Punkt. – Herr Präsident, ich weiß, ich bin schon über die Zeit, aber das ist mir wichtig. – Das Thema Akzeptanz ist angesprochen worden. Das Thema Akzeptanz ist nicht trivial, weil ich natürlich auch weiß, dass sich gesellschaftliche Akzeptanz, die für die Energiewende da ist und bei über 80 % liegt, von lokaler Akzeptanz unterscheiden kann. Es ist völlig klar, dass wir an dieser Stelle nicht immer alle glücklich machen können. Ich will auch deutlich machen, dass hier nichts durchgewunken wird. Wir haben im letzten Jahr viele Genehmigungen von Windkraftanlagen gehabt. Wir haben auch etliche Ablehnungen von Windkraftanlagen gehabt. Wir haben ebenfalls zahlreiche Rücknahmen von Anträgen gehabt, weil klar war, dass sie nicht genehmigungsfähig waren. Hier wird nichts durchgewunken; hier wird ordentlich gearbeitet.
Ich will an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass am Ende eines demokratischen Entscheidungsfindungsprozesses jedermann nach Art. 19 Grundgesetz immer das Recht hat, gegen jede Entscheidung vor Gericht vorzugehen. Demokratie bedeutet aber nicht, dass jeder Einzelne recht bekommt. Demokratie bedeutet, dass es rechtsstaatliche Regeln, Genehmigungsverfahren und juristische Überprüfungsmöglichkeiten gibt, dass am Ende dieser ganzen Pro
zesse aber das Ergebnis dann auch umgesetzt wird. Demokratie bedeutet nicht, dass etwas nur dann gut ist, wenn jeder Einzelne mit der Entscheidung zufrieden ist, sondern dass es einen Ausgleich der verschiedenen Interessen gibt und am Ende auch Entscheidungen stehen. Die mögen einem nicht immer gefallen. Ich habe beispielsweise 20 Jahre lang gegen den Bau der A 44 protestiert. Vor zwei Wochen habe ich dort den Spatenstich eines Abschnitts gemacht, weil ich am Ende die Mehrheitsentscheidung akzeptiert habe. Ich habe auch akzeptiert, dass das Land Hessen in Auftragsverwaltung und der Verkehrsminister diese Entscheidung dann umzusetzen haben.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wir sind stolz auf Sie!)
Ich will deshalb auf einen letzten Punkt hinweisen. Herr Rock, das 2-%-Ziel ist nicht, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, von CDU und GRÜNEN im Koalitionsvertrag festgelegt worden. Das 2-%-Ziel ist von meinem Vorgänger Florian Rentsch in den Hessischen Landtag eingebracht worden. Den GRÜNEN ging das ausdrücklich nicht weit genug, weil wir nämlich gesagt haben: Wir wollen das ohne Ausschlusswirkung. – An diesem Punkt haben wir uns dann ebenfalls in der Koalition darauf verständigt, dass wir es mit Ausschlusswirkung machen, d. h. 2 % Vorrangfläche, 98 % Ausschlussfläche. Auch da können Sie sehen: Wenn man sich mit der Sache beschäftigt, dann ist es am Ende so, dass man im Sinne der gesamten Gesellschaft zu einem Konsens finden muss. Er gefällt am Ende vielleicht nicht allen, aber er ist im Sinne des gesellschaftlichen Fortschritts notwendig. Ich werbe trotzdem bei allen immer um Akzeptanz. – Vielen Dank.
Danke Herr Minister Al-Wazir. – In diesem Sinne machen wir munter weiter. Herr Rock hat das Wort für die FDPFraktion.
Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht machen wir an der einen oder anderen Stelle einmal einen Faktencheck. Ich habe einmal kurz den Minister gefragt: Wie ist es denn mit den CO2-Einsparungen in Deutschland? – Keiner gibt so viel Geld für die Einsparung von CO2 aus wie die Bundesrepublik Deutschland. Niemand subventioniert in der Art und Weise diese Politik, ohne einen Fortschritt zu erreichen. Das ist hier heute eingeräumt worden.