Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Herr Kollege Di Benedetto, Sie haben die Möglichkeit einer Erwiderung. Bitte schön, zwei Minuten.
(Manfred Pentz (CDU): Was sagt Genosse Merz? – Gerhard Merz (SPD): Ich verbitte mir, mich jemals mit „Genosse“ anzusprechen, H e r r Pentz! – Weitere Zurufe)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nicht mehr nach vorne kommen, weil alles gesagt worden ist, was aus unserer Warte gesagt werden musste. Ich glaube, das ist auch angekommen. Das ist der Grund, warum sich Herr Bocklet wieder ans Redepult gestellt und mich im Grunde genommen genötigt hat, eines noch einmal klarzustellen.
Wir haben im Rahmen des Sozialbudgets unsere Forderungen natürlich niedergeschrieben. Wir haben sie nicht nur diskutiert, sondern eingebracht. Aber, Herr Bocklet, Sie wissen, dass nicht wir die Mehrheit in diesem Hause haben, sondern Sie. Darum konnten wir das Ganze nicht realisieren. – Danke schön.
Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Faulhaber von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben jetzt das Wort.
Dass Sie nicht zuhören, haben wir auch bei der Rede von Herrn Di Benedetto gemerkt. Es gibt viele Dinge, bei denen Sie mal zuhören könnten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie schreiben in Ihrem Antrag, allen Hessinnen und Hessen würden Wertschätzung und gute Teilhabechancen entgegengebracht. Die Realität in Hessen ist jedoch noch lange nicht uneingeschränkt so zu bezeichnen. Es wäre dringend erforderlich, Integrations- und Antidiskriminierungspolitik in Hessen zu betreiben, und zwar nicht nur auf dem Papier, Herr Bocklet – es hilft ja nichts, wenn Sie es in die Luft halten und damit wedeln –, sondern tatsächlich.
Ich habe in der bildungspolitischen Debatte ein paar Punkte benannt. Auch andere Mitglieder des Parlaments und die Enquetekommission haben solche Punkte benannt. Aber das kommt irgendwie nicht an.
Sie sind Weltmeister im Weglassen. Deswegen lassen Sie in dieser Debatte und in dem Antrag auch Dinge weg, die sich in unserer Gesellschaft ereignen und bei denen Sie nicht zuhören. Ich werde jetzt einige benennen.
Menschen mit Migrationsgeschichte haben im Alltag mit unterschiedlichsten Formen von Rassismus zu kämpfen. Manche werden wegen des Aussehens, wegen ihrer Aussprache oder wegen des Namens beleidigt, beschimpft, bedroht und auch angegriffen. Rassistische Gewalt gegen Minderheiten ist auf einem Rekordniveau. 914 Gewaltdelikte gab es im vergangenen Jahr in Deutschland. Dabei wurden fast 700 Menschen verletzt. Zählt man zu den Gewaltdelikten noch so etwas wie Volksverhetzung, Sachbeschädigung, Bedrohung und Beleidigung hinzu, dann steigt die Zahl aller rechten Delikte auf über 12.000 an.
Diese Zahlen sind in hohem Maße alarmierend. Auch in Hessen ist die Situation besorgniserregend. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.
Rechte Straftaten und Gewalt in Hessen haben sich nämlich vervierfacht. Eine öffentliche Auseinandersetzung mit Vorfällen und Statistiken rechter Gewalt findet gleichwohl kaum statt. Es herrscht der Mythos vor, es handele sich um Einzelfälle ohne Verbindung nach rechts.
Meine Damen und Herren, in der Politik muss endlich ein angemessenes Problembewusstsein für die Gefahr von rechts entwickelt werden, und es muss für einen besseren Schutz der Betroffenen gesorgt werden.
Auch unterhalb der Schwelle tatsächlicher Übergriffe erleben viele Migrantinnen und Migranten tagtäglich Stigmatisierung und Diskriminierung, z. B. beim Bewerbungsgespräch oder bei der Wohnungssuche. Sogar bei Mitfahrgelegenheiten haben sie es ungleich schwerer als andere Hessinnen und Hessen.
Diskriminierungen beeinträchtigen Entfaltungs- und Teilhabemöglichkeiten. Sie kränken die Betroffenen, isolieren und schaffen einen ungerechten Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zur gesellschaftlichen Teilhabe. Deshalb war es ein notwendiger und überfälliger Schritt, dass unter dem scheidenden Staatssekretär Jo Dreiseitel erste institutionelle Antidiskriminierungsmaßnahmen in die Wege geleitet wurden.
Es war auch richtig, das eigentliche Beratungs- und Unterstützungsangebot auf externe und spezialisierte Träger auszulagern, die unabhängig vom Sozialministerium sind. Wir haben das von Anfang an gefordert. Denn Antidiskriminierungsberatung wird nur dann auf Akzeptanz stoßen und erfolgreich sein, wenn sie behördenunabhängig erfolgt. Dies gilt umso mehr, wenn es um Diskriminierung durch staatliche Stellen geht.
Noch immer existieren gesellschaftliche Bereiche, in denen die bereits vorhandenen Gesetzesvorhaben nicht greifen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes ist nicht auf das hoheitliche Handeln des Staates anwendbar. Hier besteht eine bedeutende Rechtsschutzlücke, die geschlossen werden müsste.
Im Nachbarland Rheinland-Pfalz hat das Integrationsministerium ein Gutachten zu den vorhandenen Gesetzeslücken erstellen lassen. Dabei stellte sich z. B. heraus, dass Studierende an privaten Hochschulen vor Diskriminierung durch die Universität geschützt sind, nicht aber Studierende an staatlichen Hochschulen. An den Schulen gibt es das Antidiskriminierungsgesetz für das Verhältnis von Arbeitgeber und Lehrkraft, nicht aber für die Beziehung zwischen Schüler und Schule.
Um solche Defizite abzustellen, ist der Landesgesetzgeber gefordert. Wir brauchen ein Landesantidiskriminierungsgesetz, das auch Verbänden ein Klagerecht einräumt, damit Betroffene nicht aus Angst vor Kosten oder Repressalien davor zurückschrecken, den Rechtsweg zu beschreiten.
Von der akuten Wohnungsnot in den hessischen Metropolen sind Migrantinnen und Migranten noch schwerer betroffen. Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit einem nicht deutschen Namen oder wegen ihrer vermuteten oder
tatsächlichen Religionszugehörigkeit häufiger eine Absage erhalten als Bewerber ohne Migrationsgeschichte. Frankfurt nimmt in der Liste der Städte, in denen Menschen auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert werden, neben München eine unrühmliche Spitzenposition ein.
Deshalb muss für den hessischen Mietermarkt endlich eine wirksame Antidiskriminierungsstrategie entwickelt werden. Beratungs- und Interventionsmöglichkeiten müssen besser vernetzt sein, wie beispielsweise in Berlin, wo derzeit eine Fach- und Koordinierungsstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt eingerichtet wird. Ein nicht deutscher Name darf genauso wenig ein Grund für eine Benachteiligung bei der Wohnungssuche sein wie ein Kopftuch, eine Kippa oder andere äußere Merkmale.
Auch das gehört zwingend dazu: Statt dem andauernden Abbau von Sozialwohnungen zuzuschauen, sollte endlich ein Investitionsprogramm für bezahlbaren Wohnraum aufgelegt werden.
Eine gute Integrationspolitik zeichnet sich nicht so sehr dadurch aus, dass Anforderungen an Eingewanderte gestellt werden, die sie dann erbringen müssen. Eine gute Integrationspolitik schafft die Voraussetzungen, damit diese Menschen aktiv und chancengleich am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Integration wird nicht gefördert, wenn elementare Grundrechte verwehrt werden, etwa wenn der Schutz der Familie missachtet wird und Menschen über Jahre hinweg ihre Familienangehörigen nicht nachholen können.
Ich nenne hier nur das Schicksal des zwölfjährigen Adib aus dem südhessischen Reinheim, das letztens durch die Presse ging, der seine Familie nicht nachholen konnte und daher in das Kriegsgebiet nach Syrien zurückkehrte. Zwei Jahre lebte das Kind getrennt von Eltern und Geschwistern, die nicht nachkommen durften. Meine Damen und Herren, das kann doch nicht unser Verständnis von einem Rechtsstaat sein.
Integration wird auch nicht dadurch gefördert, dass anerkannte Flüchtlinge gezwungen werden, an einem bestimmten Ort zu leben. Was für uns selbstverständlich ist, nämlich uns unseren Wohnort aussuchen zu können, wird diesen Menschen in Hessen seit dem 1. September 2017 verwehrt. Die Wohnsitzauflage ist das Gegenteil von Integration.
Wer Flüchtlingen vorschreibt, wo sie wohnen sollen, erschwert ihre Mobilität und damit den Zugang zum Arbeitsmarkt. Wie soll sich jemand mit einem Land verbunden fühlen, das ihm das elementare Recht auf Freizügigkeit verwehrt? Die Wohnsitzauflage muss abgeschafft werden.
Am vergangenen Sonntag ist mit der AfD eine Partei in den Bundestag eingezogen, die Mitglieder mit faschistischen Positionen in ihren Reihen hat und die nicht gegen diese Mitglieder vorgeht. Die AfD wird – das steht zu befürchten – das politische Klima weiter vergiften, Stimmung gegen Minderheiten machen und den Rassismus weiter schüren.
Die Hemmschwelle für rechte Gewalt, für Stigmatisierung und Ausgrenzung wird weiter sinken. Diese Situation wird auf keinen Fall dadurch entschärft, dass sich auch andere Parteien repressiven Forderungen gegen Migranten zu eigen machen.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Fleisch aus dem Fleische der Hessen-CDU? – Jan Schalauske (DIE LIN- KE): Wie war das mit Hohmann, Herr Bellino?)
Es wird auch nicht besser, indem man vor den realen Problemen den Kopf in den Sand steckt. Es wird überhaupt nichts nützen, und das betrifft besonders Sie, mit rechten Parolen um die Anhängerschaft der AfD zu konkurrieren. Das wird die Rechten noch stärker machen, wie man am Wahlergebnis in Bayern sieht.