Protocol of the Session on August 31, 2017

Frau Schott, bitte sehr.

Glauben Sie, es spielt eine ernsthafte Rolle, wenn diese Welt von einem Atomkrieg betroffen sein wird, wer letztendlich diesen Krieg begonnen hat, oder wäre es nicht sinnvoll, die Atomwaffen abzuschaffen, damit wir eben nicht von einem Atomkrieg betroffen werden?

Frau Kollegin Schott, wenn wir am langen Ende dazu kommen, dass es auf dieser Welt keine Atomwaffen mehr gibt, dann freuen wir uns alle. Aber solange diese Waffe in der Welt ist und solange terroristische Regime Zugriff darauf haben, müssen wir uns verteidigen können. Das sage ich in aller Deutlichkeit.

(Beifall bei der CDU – Manfred Pentz (CDU): Man muss den Aggressor auch mal beim Namen nennen! Das sind die Kommunisten! – Gegenrufe von der LINKEN – Jan Schalauske (DIE LINKE): Der Stahlhelm sitzt fest auf Ihrem Kopf, Herr Pentz! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Schwarz.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Hiroshima waren die Kommunisten?)

Vielen Dank, Herr Präsident. – In Zeiten wie diesen bedarf es einer ganzheitlichen Sicherheitsstrategie.

(Unruhe)

Einen Augenblick noch einmal, Herr Schwarz. – Ich bitte jetzt wirklich alle im Raum, auf welcher Seite auch immer, die Zwischenrufe etwas ruhiger zu machen.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Der Herr Pentz hat gerade einen Vogel gezeigt! – Manfred Pentz (CDU): Und Sie haben mich „Stahlhelm“ genannt! – Anhaltende Zurufe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte jetzt wieder, dem Redner zu lauschen. – Herr Schwarz, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, vielen Dank. – Gerade in Zeiten wie diesen brauchen wir eine konzertierte Sicherheitsstrategie in Europa mit unseren NATO-Partnern. Hier sind wir als Bundesrepublik Deutschland und übrigens auch als Hessischer Landtag gefordert, unseren Beitrag zu leisten – auch mit einem klaren Signal und der Unterstützung unserer Bundeswehr.

Solange die Bundesregierung – nur sie ist dafür verantwortlich; denn die Bundesregierung vertritt uns völkerrechtlich – in der Sicherheitsbewertung der Auffassung ist, dass wir weiter an der nuklearen Teilhabestrategie festhalten müssen, ist das auch eine vernünftige und richtige Entscheidung.

Ich will hier noch einmal sagen: Das Maß aller Dinge ist zum Schluss die eigene Stärke. Wenn man sich, wie Sie, sehenden Auges wünscht, den Westen zu schwächen, um alle anderen, die nun nachweislich nicht die Erfinder von Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechten sind, zu stärken, dann würde man unserem Vaterland einen Bärendienst erweisen. Genau das wäre unser Ende, meine Damen und Herren.

Im Sinne unserer Sicherheit – da verweise ich noch einmal auf Wilhelm von Humboldt – ist ein einseitiger Verzicht auf Atomwaffen falsch. Deswegen bin ich – das ist der aktuelle Stand der Dinge – auch froh darüber, dass die Bundesregierung ein klares Signal gesetzt hat und im September nicht den Vertrag unterschreiben wird, den Sie eben zitiert haben.

Wir müssen daran arbeiten, dass die NATO fit für die Zukunft gemacht wird. Wir müssen beides zusammen hinbekommen: internationale Friedenseinsätze und eine einheitliche Sicherheitsstrategie.

In einem Teil Ihres Antrags geht es auch um die Frage: Was sagt eigentlich die hessische Bildungspolitik dazu? Als bildungspolitischer Sprecher unserer Fraktion will ich darauf hinweisen: Im Hessischen Schulgesetz wird in § 6 Abs. 4 auf die besondere Bildungs- und Erziehungsaufgabe hingewiesen. Die Aufklärung über die Gefahren von Atomwaffen gehört auch dazu, um das Bewusstsein der jungen Leute zu schärfen. Das halte ich ebenfalls für wichtig.

Ich schließe sinngemäß nochmals mit Wilhelm von Humboldt:

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Jetzt weiß ich endlich, was „Stahlhelm-Fraktion“ bedeutet!)

Das Maß aller Dinge ist die eigene Stärke. Abrüstung gerne, dann aber für alle. – Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Schwarz. – Für die FDP-Fraktion erteile ich ihrem Vorsitzenden, Herrn Rock, das Wort.

(Zuruf: Gibs ihm!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Linkspartei hat heute einen Antrag auf die Tagesordnung gesetzt, dem wir grundsätzlich sogar zustimmen könnten, es aber auf keinen Fall tun werden. Die SPD hat ja in den Raum gestellt, dass sie Ihrem Antrag durch Enthaltung zu einer Mehrheit verhelfen wird. Ich kann schon einmal sagen: zumindest bei Stimmengleichheit abgelehnt. Die FDP-Fraktion wird Ihren Antrag nicht mittragen, weil wir die Grundhaltung Ihrer Außenpolitik für falsch halten.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Schade!)

Zum Thema „Atomwaffen in Deutschland“: Ich glaube schon, dass wir hier über ein symbolisches Thema sprechen; das kann ich sehr deutlich belegen. Damit zeigt sich schon, dass ich hier eine andere Haltung vertrete als mein Vorredner von der Union. Sie fallen auch wieder ein Stück weit hinter das zurück, was Sie 2009 in einem Koalitionsvertrag mit der FDP einmal unterschrieben haben, nämlich dass die Atomwaffen abgezogen werden sollen. Wie bei so vielem in dem Koalitionsvertrag: Zu unserem Schaden ist das leider nicht umgesetzt worden. Dennoch ist klar, wo wir hier stehen.

Ich will es noch einmal begründen, weil sich die Weltpolitik natürlich weiterentwickelt hat und wir neue Szenarien haben. Aus einer Zeit, in der man darüber nachgedacht hat, wie man Russland an die NATO heranführen kann, wie man die verteidigungspolitische Strategie eng mit Russland abstimmen kann, sind wir in eine Situation gekommen, in der wir klar feststellen müssen, dass Russland ein Störer der Friedenspolitik in Europa ist. Deshalb ist heute eben

nicht mehr eine außenpolitische Situation gegeben wie 2009.

(Beifall bei der FDP)

Das muss man immer in seine Überlegungen einbeziehen. Darum ist auch der Wert eines gemeinsamen westlich orientierten Verteidigungsbündnisses wie der NATO und einer Verteidigungsstrategie, die Europa gemeinsam vernünftig, bei gut eingesetzten Mitteln voranbringt, wieder unglaublich wichtig für uns geworden.

Aber zurück zu den Atomwaffen. Ich gehöre wahrscheinlich einer Minderheit im Hessischen Landtag an, die noch gedient hat. Ich war nicht bei der anderen Armee, sondern ich war bei der Bundeswehr.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich habe zu einer Zeit gedient, in der es noch die Mauer gab. Da hat man in den NATO-Szenarien noch „Blauland“ gegen „Rotland“ durchgespielt.

(Norbert Schmitt (SPD): Ich darf raten: Wir waren blau?)

Ich habe bei einer Einheit gedient – darum kann ich das ziemlich genau sagen –, die Begleitbatterie hieß. Damit wird der Nichtsoldat nicht viel anfangen können. Eine Begleitbatterie war die Einheit in der Bundeswehr, die die Atomwaffen im Zweifel eingesetzt hätte. Ich habe als Soldat bei einer Atomwaffeneinheit der Bundeswehr gedient und in Manövern erlebt, wie diese Waffen eingesetzt worden wären – zu einer Zeit, in der wir nicht über eine Handvoll Atomwaffen gesprochen haben.

Das Szenario, das die NATO zur Grundlage ihrer Verteidigung gemacht hätte, wenn es zu einem massiven Angriff des Warschauer Pakts auf die NATO gekommen wäre, hätte den gemeinsamen Tod Europas nach sich gezogen. Zu einer Zeit, in der auf dem Höhepunkt fast 5.000 taktische Kurzstreckenatomwaffen in Deutschland stationiert waren, hätte die Verteidigungsstrategie, die ich noch in Manövern mit durchexerzieren durfte, eine völlige Auslöschung der Bundesrepublik Deutschland nach sich gezogen, zum Teil durch selbst eingesetzte taktische Atomwaffen. Darum bin ich immer noch dafür, dass die Waffen, die heute in Deutschland stationiert sind, abgezogen werden sollten.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Verteidigungsstrategie, die am Ende nur die Vernichtung dessen bedeutet, was man verteidigen will, ist vielleicht aus der Not geboren als Abschreckung aufrechterhalten worden, war aber nicht wirklich eine Alternative.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Man muss einfach sehen: Was war denn 1989 noch politische Verhandlungsgrundlage, und wie sieht es heute aus? Es stehen keine Warschauer-Pakt-Panzerarmeen mehr an unserer Grenze. Es gibt kein kommunistisches Polen mehr. Es gibt die Situation, in der wir damals in unserer Verteidigungsstrategie scheinbar als einzige Alternative einen physischen Selbstmord zugrunde gelegt hätten, einfach nicht mehr. Es ist auch falsch, zu meinen, dass wir einen nordkoreanischen Diktator von irgendwelchen irren Taten in Asien abhalten könnten, weil bei uns noch 20 Atomwaffen in einem Bunker liegen. Das ist natürlich falsch.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Sie müssen auch wissen, dass wir schon eine besondere Verantwortung für solche taktischen Kurzstreckenatomwaffen haben; denn eingesetzt werden diese Waffen in Deutschland über deutsche Trägersysteme. Die Waffe gehört Amerika. Sie wird von zwei, drei amerikanischen Offizieren begleitet, von 50 bis 100 deutschen Soldaten bewacht und im Zweifel über ein deutsches Trägersystem eingesetzt. Das ist die Vorgehensweise der Bundeswehr und der NATO mit diesen Waffen.

Wenn wir es ernst damit meinen, dass Atomwaffen geächtet gehören, und wenn wir persönlich nicht von einem Angriff bedroht sind, dann gibt es aus meiner Sicht zumindest kein moralisches Argument mehr dafür, diese Waffen in Deutschland zu stationieren.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Darum werden wir auch einigen Anträgen, die heute vorliegen, zustimmen. Ich persönlich würde mich freuen, wenn die Szenarien, die ich in meiner Bundeswehrzeit zum Glück nur auf dem Papier erleben durfte, in Deutschland für immer und ewig der Geschichte angehören. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Danke, Herr Rock.

Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile: Es ist noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ein Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Mobilitätsberatung für das Landesticket, Drucks. 19/5213. – Die Dringlichkeit wird bejaht. Dann wird dies Tagesordnungspunkt 75, und die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion.

Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Staatsminister Wintermeyer das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf feststellen, dass wir heute erneut eine Debatte zur großen Außen- und Sicherheitspolitik im Hessischen Landtag führen. Erst im März ging es bekanntermaßen bei der inszenierten Verabschiedung des LINKEN-Fraktionsvorsitzenden van Ooyen hier heiß her in der Diskussion um Abrüstung und einen NATO-Austritt.

Jetzt stellt die Fraktion der LINKEN wieder einmal einen ähnlichen Antrag, und wir müssen uns hier wieder damit beschäftigen. Es geht erneut um eine rein bundespolitische Debatte über den Umgang mit Atomwaffen. Diese wird völlig zu Recht im Deutschen Bundestag geführt, und dort gehört sie meiner Meinung nach auch hin.