Protocol of the Session on August 30, 2017

Meine Damen und Herren, völlig unberücksichtigt bleiben die Vorhaltekosten der Kommunen im Bereich der Gemeinschaftsunterkünfte. Viele Kommunen haben mit Betreibern auch Verträge über mehrere Jahre abgeschlossen. Inzwischen zahlen die Kommunen dann für Plätze, die sie nicht belegen können. Ich meine, das Land sollte sich an diesen Kosten der Kommunen beteiligen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eines der größten ungelösten Probleme der hessischen Aufnahmepolitik ist und bleibt die Praxis der Lagerunterbringung. Dass sich die finanzielle Ausstattung der Kommunen an den tatsächlichen Kosten orientieren muss, ist eine Sache. Eine andere aber ist, dass dies mit verbindlichen Mindeststandards für die Unterbringung und Versorgung einhergehen muss. Solche Mindeststandards müssen auch die sozialräumliche Integration der Geflüchteten im Blick haben, und der Unterbringung in Wohngebieten und Privatwohnungen muss Vorrang eingeräumt werden.

Wir müssen weg von der Politik der Massenunterbringung. Das Leben in Lagern und Gemeinschaftsunterkünften zermürbt die Menschen, macht sie krank und behindert ihre Integration. Das ist bekannt. Dennoch sehe ich seitens der Landesregierung wenige Bemühungen, die Betroffenen vernünftig unterzubringen und gut zu betreuen. Das Landesaufnahmegesetz, um das es heute geht, wäre der Ort, an dem solche Mindeststandards festgehalten werden müssten. Doch das will die Landesregierung bis jetzt nicht.

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Nicht einmal eine Betriebserlaubnis nach dem Kinder- und Jugendhilferecht – das ist ansonsten ein Muss in jeder Einrichtung, in der Kinder untergebracht werden – ist in Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende erforderlich.

Meine Damen und Herren, ich sehe das vorliegende Gesetzesvorhaben sehr kritisch. Es ist ein finanzieller Kompromiss zwischen der Landesregierung und den Kommunalen Spitzenverbänden, der die tatsächliche Unterbringungssituation der Betroffenen und deren Interessen kaum berücksichtigt. Eine Integration wird aber nur dann gelingen, wenn menschenrechtliche Mindeststandards und eine ausreichende Finanzierung der Kommunen gewährleistet werden.

(Horst Klee (CDU): Was heißt denn das?)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faulhaber. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Bocklet von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz fasst zusammen, was in einer unfassbar großen Kraftanstrengung erarbeitet worden ist, nämlich in monatelangen Verhandlungen mit vielen Akteuren über die Frage, welche Entgel

te, welche Pauschalen für die Unterbringung von Flüchtlingen angemessen sind.

Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre sieht, und wie hoch die Pauschale nunmehr ist – bis zu 1.050 €; sie ist zu Recht über 45 % angehoben worden, weil die Herausforderungen vor Ort so groß sind –, dann kann ich sagen: Die neu ausverhandelten Pauschalen sind ein hervorragendes Ergebnis für die Kommunen, und es war eine hervorragende Entscheidung der Landesregierung, solch ein Abkommen abzuschließen.

Wir haben neben der sogenannten großen Pauschale auch die sogenannten kleinen Pauschalen, und es wurde noch einmal über die Frage der Übernahme der Gesundheitskosten durch das Land gesprochen. Die Grenze wurde auf 10.000 € abgesenkt; die Vorrednerinnen und Vorredner haben es gesagt.

Ich finde, diese Pauschalen sind in der Tat auskömmlich. Ich bin wie viele von Ihnen in diesem Themenbereich viel durchs Land gefahren. Wir haben uns viel mit Menschen getroffen: mit Landräten, auch mit hauptamtlichen Akteuren in den Flüchtlingsunterkünften. Ich habe seit einem Jahr keine Kritik darüber gehört, dass die finanzielle Ausstattung nicht in Ordnung sei. Es hat den Anschein – Herr Roth hat es auch gesagt –, dass die Mittel auskömmlich sind.

Das heißt noch lange nicht, dass es bei der Umsetzung vor Ort keine Probleme gibt. Ich nenne nur: Es fehlen immer noch Sprachlehrer, Sozialarbeiter und vieles andere mehr, wofür die Politik immer nur mittelbar etwas tun kann. Der Markt ist leer gefegt, wie uns vielfach mitgeteilt wird. Aber die Landesregierung hat Rahmenbedingungen geschaffen und Mittel bereitgestellt, damit diese Arbeit gelingen kann. Wenn Sie vor Ort in bestimmten Bereichen zu wenige Sozialarbeiter finden, ist das tragisch, aber wenig die Schuld der Politik.

Die Mittel sind vorhanden, die Pauschalen sind erhöht worden. Die bekannte Diskussion ist eigentlich schon gelaufen. Ich finde, dies ist ein weiterer Bestandteil einer guten Integrationspolitik. Auch das muss man in diesem Zusammenhang erwähnen, gerade wenn man Frau Faulhaber zuhört. Wir haben einen Aktionsplan II zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts hier im Hause verabschiedet, im zweiten Jahr.

Der erste umfasste 1,3 Milliarden €, das zweite Paket 1,6 Milliarden € für die Unterbringung, die Versorgung, die Betreuung, die Integration in den vielfältigsten Bereichen, von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, bildungspolitischen Maßnahmen oder Wohnungspolitik – dies und vieles andere mehr ist in dem Aktionsplan beschrieben, dort ist eine unfassbar große Fülle von Maßnahmen und Mitteln vorgesehen. Übrigens ist das bundesweit einmalig, Frau Faulhaber: Es gibt überhaupt nur einen zweiten Aktionsplan in diesem Umfang, der aus Bayern kommt und 500 Millionen € umfasst. In Milliardenhöhe gibt es unter 16 Bundesländern nur Hessen. Das ist eine, wie ich finde, vorbildliche Arbeit, die das Land und die Landesregierung hier leisten. Nur so kann Integration gelingen und es geschafft werden, dass die Flüchtlinge, die hierherkommen, tatsächlich zu Hessinnen und Hessen werden.

Deswegen befasst sich dieser Gesetzentwurf mit einem Teil des Aktionsplans, nämlich der auskömmlichen Ausstattung der Kommunen. Das ist wirklich auskömmlich

und ausreichend gelungen. Alle anderen Maßnahmen finden sich im Aktionsplan.

Es ist nicht das Problem, dass kein Geld für die Integration vorhanden wäre. Wir haben eine Fülle anderer Probleme – kulturelle Probleme, soziale Probleme, ein Fachkräfteproblem –, die wir Schritt für Schritt abarbeiten werden. Das ist heute nicht das Thema, aber auch dafür gibt es keinerlei Anlass zu Kritik, dass das Land Hessen nicht genug Rahmenbedingungen oder Mittel zur Verfügung stellt.

Kurzum: Das Landesaufnahmegesetz stellt eine wirklich gute Pauschale zur Verfügung. Alle anderen Probleme diskutieren wir im Zusammenhang des Aktionsplans, und dort ist eigentlich alles abgefrühstückt – im Übrigen in Zusammenarbeit mit dem Asylkonvent, mit vielen Arbeitsgruppen, mit den Menschen in der Flüchtlingsberatung und vielen anderen mehr. Anregungen werden aufgenommen und umgesetzt, aber das hat mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf nichts zu tun. Die Pauschalen sind gut, und ich bin stolz darauf, dass das Land dies auch für die nächsten Jahre sicherstellt. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Grüttner. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ende des Jahres 2015 haben Finanzminister Dr. Schäfer und ich gemeinsam mit den Kommunen über die Frage der Pauschalen verhandelt. Wir kamen zu einem Ergebnis. Dieses Ergebnis sollte schnell umgesetzt werden. Es ist damals, zu Beginn des Jahres 2016, durch einen Gesetzentwurf, den die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Landtag eingebracht haben, beschlossen worden – wenn ich mich recht daran erinnere, fast einstimmig.

Gleichzeitig ist zum damaligen Zeitpunkt vereinbart worden, dass wir das laufende Jahr 2016 beobachten, die Entwicklungen sehen und uns am Ende des Jahres 2016, Anfang 2017 auf der Grundlage von dann vorhandenen Daten zusammensetzen, um erneut über die Auskömmlichkeit von Pauschalen zu reden.

Diese Untersuchungen sind vorgenommen worden und hatten zum Ergebnis, dass die verhandelten Pauschalen im Jahr 2015, die durch das Landesaufnahmegesetz 2016 zum Gesetz geworden sind, mehr als auskömmlich gewesen sind. Es hat deutlich mehr Zuwendungen des Landes an die Kommunen gegeben, als dort tatsächlich Aufwendungen vorhanden waren.

Das führte dazu, dass wir in den Verhandlungen mit den Kommunalen Spitzenverbänden die Überlegung angesprochen haben: Ja, wir wissen, wir haben die gleiche Situation wie bei uns im Land auch auf der kommunalen Seite deswegen, weil wir in den Zeiten, als wir sehr viele Flüchtlinge und Asylsuchende hatten, die zu uns gekommen sind, Kapazitäten geschaffen haben, die jetzt aber nicht so schnell abgebaut werden können, wie wir sie aufgebaut haben, weil wir nicht wussten, wie sich die Flüchtlingszahlen

entwickeln würden. – Eines der Ergebnisse, die wir einvernehmlich mit den Kommunen getroffen haben, war, dass wir die großen Pauschalen nicht kürzen, sondern unverändert weiter an die Kommunen zahlen, die Kommunen im Gegenzug aber auch erklären, dass es keine still- oder leerstandsbedingten Kostenansprüche der kommunalen Seite geben würde.

Wenn heute eine Kommune sagt, sie habe Mietverträge abgeschlossen, aus denen sie nicht herauskomme, und sie habe Kosten, dann sage ich: Wir haben einvernehmlich mit allen Kommunen verhandelt, nämlich durch ihre Spitzenverbände, dass genau dies mit der Gewährung der Pauschalen abgegolten ist, neben der Unterbringung von Flüchtlingen. Wer also heute so etwas fordert, weiß nicht, was Gegenstand der Verhandlungen und damit auch Gegenstand dieses Gesetzentwurfs ist.

Das Zweite. Wir haben im Hinblick auf die Tatsache, dass der Bund in der Zwischenzeit die gesamten Kosten für die Unterbringung übernimmt – also für diejenigen, die als Flüchtlinge im SGB-II-Bezug sind –, gesagt: Wir gewähren die kleine Pauschale in einer Größenordnung weiter, die laut uns zur Verfügung stehenden Daten deutlich höher lag als die Aufwendungen der kommunalen Seite für soziale Betreuung, um den Kommunen an dieser Stelle eine Hilfestellung zu geben. – Das sind die 120 €, und an dieser Stelle muss ich sehr deutlich sagen, dass wir auch dort eine Einvernehmlichkeit mit der kommunalen Seite erzielt haben.

Ein Drittes. Wir haben in den Vereinbarungen mit der kommunalen Seite auch vereinbart, dass wir die Fraktionen bitten werden, diesen Gesetzentwurf einzubringen, um möglichst schnell in die Erstattungszahlungen kommen zu können. Dass es jetzt etwas länger gedauert hat, lag an einer Tatsache, die auch den Kommunen zugutekommt. Wir haben in diesem Landesaufnahmegesetz eine Ermächtigung zum Erlass von Satzungen auf kommunaler Ebene vorgenommen, damit Gebühren, die Kommunen in Gemeinschaftsunterkünften erheben, auch tatsächlich mit dem Bund im Rahmen der Bundeserstattung für Kosten der Unterkunft im SGB II abgerechnet werden können. Damit bekommen sie diese Kosten erstattet. Das ist ein ganz wesentlicher Vorteil für die kommunale Seite.

An dieser Stelle mussten wir suchen, ob wir es hinbekommen würden, es im Hinblick auf die Rückwirkung mit dem Kommunalabgabengesetz in Einklang zu bringen. Weil an dieser Stelle nicht etwa eine Person, sondern der Bund als Staatsform betroffen ist, ist eine Rückwirkung über die drei Monate – selbst wenn eine Satzung erst im nächsten Jahr erlassen wird – zurückdatiert auf den 01.01.2017 möglich. Das wird den Kommunen eine Hilfestellung sondergleichen geben.

An dieser Stelle haben wir sehr intensiv verhandelt, und es gab auch auf der kommunalen Seite nie eine Forderung, von den Pauschalen abzusehen und in die Spitzabrechnung zu gehen. Es war eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung, die die Spitzabrechnung und die Vollkostenerstattung abgeschafft und aus gutem Grunde Pauschalen bei der Erstattung der Aufwendungen von Flüchtlingen in unserem Land eingeführt hat. An diesem guten Teil einer Beschlussfassung halten wir nach wie vor fest, und es gibt auch keine Forderungen seitens der Kommunen im Hinblick auf eine Spitzabrechnung oder Vollkostenentlastung.

Ein Letztes. Das finde ich eine Verantwortlichkeit gegenüber denjenigen, die sich, seitdem sehr viele Menschen zu uns gekommen sind und sich die Situation zum Glück beruhigt hat und deutlich weniger Menschen zu uns kommen, engagiert haben. In all der Zeit – auch, als noch so viele Menschen täglich zu uns gekommen sind – haben die Kommunen und alle, die Verantwortung getragen haben, dafür gesorgt, dass eine menschenwürdige Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen vorgenommen wurde. Wer heute von Lagerhaltung, menschenverachtender Unterbringung und anderem spricht, der hat nicht verstanden, was dort vor Ort geleistet worden ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist eine Semantik, die an dieser Stelle vollkommen fehl am Platze ist.

Deswegen bleibt es auch dabei: Wir sind der festen Überzeugung, dass das, was immer wieder auch von Oppositionsrednern in diesem Landtag gesagt wird, an dieser Stelle von uns genau so umgesetzt wird. Wir haben vollstes Vertrauen in die kommunalen Gebietskörperschaften, dass sie sich im Hinblick auf Betreuung, Unterbringung und Versorgung nach besten Kräften um Flüchtlinge und Asylsuchende bemühen. Wir brauchen keine Standards zu setzen; die Kommunen wissen selbst, was sie zu tun haben. Deswegen werden wir auch keine Standards setzen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, bei dem ich dankbar bin, dass die Fraktionen ihn eingebracht haben, werden die Ergebnisse umgesetzt, die wir einvernehmlich mit der kommunalen Seite verhandelt haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Damit sind wir am Ende der ersten Lesung.

Zur Vorbereitung der zweiten Lesung überweisen wir den Gesetzentwurf an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 60 auf:

Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zu Petitionen – Drucks. 19/5148 –

Herr Kollege Rudolph, zur Geschäftsordnung, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bitten, die Petition Nr. 3808/19 – ich habe das den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen schon mitgeteilt – heute herauszunehmen, über sie nicht abzustimmen. Das ist eine Petition, die auch Thema in der letzten Sitzung des Petitionsausschusses war, weil es Nachfragen gab. Es war eine Eilentscheidung.

Ich will mich nicht inhaltlich äußern. Aber ich bitte, zukünftig dafür Sorge zu tragen, Herr Innenminister: Es gab Nachfragen, und wir haben heute um 17 Uhr eine Antwort darauf bekommen. Das ist nicht akzeptabel; denn wir stimmen heute über die Petitionen ab. Ich bitte, dass wir zukünftig einen Weg finden, dass die Fraktionen, die im Peti

tionsausschuss beraten, die entsprechenden Rückmeldungen bekommen.

Deswegen will ich es an dieser Stelle nicht inhaltlich, aber formell sagen: Das war jetzt arg knapp, und wir können die Petition noch kurz vor der Abstimmung über die Petitionen herausnehmen, um beim nächsten Mal darüber zu entscheiden. Aber ich bitte gerade bei solchen Petitionen, die besonders sensibel sind, dass wir uns gemeinsam auf ein vernünftiges Verfahren verständigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Danke, Herr Kollege Rudolph. – Herr Kollege Bellino hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte schön.