Protocol of the Session on August 30, 2017

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Jetzt liegen aber wirklich keine Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Wir überweisen den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Stärkung der finanziellen Ausstattung bei der Flüchtlingsunterbringung – Drucks. 19/5166 –

Wer bringt diesen ein? – Bitte schön, Herr Kollege Dr. Bartelt.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für die Regierungsfraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN bringe ich den Entwurf für ein Gesetz zur

Stärkung der finanziellen Ausstattung bei der Flüchtlingsunterbringung ein.

(Manfred Pentz (CDU): Sehr gut!)

Für die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen waren Aufnahme-, Asylverfahren und Integration immer eine Gemeinschaftsaufgabe der Ebenen Bund, Land und kommunale Familie. So hat Hessen in den letzten drei Jahren Initiativen ergriffen und gehandelt. Die Erstaufnahmen wurden sehr gut organisiert, Obdachlosigkeit vermieden und Zelte in kürzester Zeit wieder abgebaut. Die Pauschalen an die Kreise und kreisfreien Städte für die Aufnahme von zugewiesenen Flüchtlingen nahmen im Ländervergleich immer Spitzenpositionen ein. Es wurde stets der Konsens mit der kommunalen Ebene, den Kommunalen Spitzenverbänden gesucht und gefunden. Hessen hat als einziges Bundesland einen umfassenden und nachhaltigen Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beschlossen und stellt dafür über 1 Milliarde € zur Verfügung.

Aufgrund verschiedener Entwicklungen mussten die Pauschalen des Landes an die Kommunen angepasst werden. Der Bund übernahm gemäß der Vereinbarung mit den Ländern vorerst bis Ende 2018 die gesamten Kosten für die Unterbringung – und Nebenkosten für die Heizung – der Flüchtlinge, die Leistungen nach dem SGB II erhalten. Diese Zahl ist natürlich kontinuierlich gestiegen, da über die Verfahren schneller entschieden werden konnte.

Die Zahl der Personen in Erstaufnahmeeinrichtungen ist erheblich gesunken, sodass der Mehraufwand der Standortkommunen zurückging. Diese Sachverhalte führten 2016 zu intensiven Verhandlungen der Landesregierung mit den Kommunalen Spitzenverbänden, die Ende Januar dieses Jahres zu entsprechenden Vereinbarungen und damit zu einem Abschluss geführt wurden.

Den Vertretern der drei Kommunalen Spitzenverbände und unserem Sozialminister Grüttner ist an dieser Stelle der besondere Dank für dieses Ergebnis auszusprechen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf alle Belange der kommunalen Familie wurde sensibel eingegangen, sodass hinsichtlich des Finanzflusses für die Kommunen folgende Verbesserungen vereinbart werden konnten. Die große Pauschale für Flüchtlinge, die keine SGB-II-Leistungen erhalten, wird jetzt über drei Jahre, statt wie bisher über zwei Jahre, geleistet. Die Beträge von 1.050 €, 940 € und 865 € pro Monat in Abhängigkeit von der Region bleiben stabil.

Die kleine Pauschale für SGB-II-Bezieher betrug für die Komponente der sozialen Betreuung zur Integration bislang 30 € pro Monat. Sie wird jetzt auf 120 € – also eine Vervierfachung – angehoben. Falls der Bund nach 2018 die Übernahme der Kosten für Unterkunft reduzieren sollte, rein theoretisch, würde Hessen die kleine Pauschale wieder nach oben anpassen.

Die Grenze, ab der das Land die Krankenbehandlungskosten vollständig übernimmt, wurde reduziert – auch ein Vorteil für die kommunale Familie.

Dieser Vereinbarung haben alle drei Kommunale Spitzenverbände zugestimmt. Das ist der wesentliche Inhalt des vorgelegten Gesetzentwurfs.

Auf Wunsch aller drei Kommunalen Spitzenverbände hat die Landesregierung von der Möglichkeit des Bundesgesetzgebers Gebrauch gemacht, ab dem 1. September dieses Jahres eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und subsidiär Schutzberechtigte einzuführen.

Die gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge ist ein Ansatz für den Integrationserfolg. Wenn Flüchtlinge eine Ausbildung absolvieren oder einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz mit einem Einkommen von wenigstens 712 € haben, besteht diese Auflage natürlich nicht. Diese Verordnung wird im Gesetzentwurf berücksichtigt.

Standortgemeinden von Erstaufnahmeeinrichtungen werden weniger Flüchtlinge zugewiesen. Da Zahl und Belegungen der Erstaufnahmeeinrichtungen deutlich gesunken sind, wird dieser Schlüssel entsprechend angepasst.

Wie sich die Zahlen der eintreffenden Flüchtlinge künftig entwickeln werden, kann niemand seriös prognostizieren. Die Erstaufnahmeeinrichtungen wären aber personell und durch kurzfristig reaktivierbare Standorte auch auf einen Anstieg vorbereitet. Die derzeit wichtigen Herkunftsländer, ganz im Gegensatz zu den Hauptherkunftsländern von vor zwei Jahren, jetzt etwa Nigeria und Bangladesch, sind keine Kriegs- und Bürgerkriegsstaaten, sodass das Ergebnis von Asylverfahren völlig anders zu bewerten ist.

Das Land Hessen und die hessischen Kommunen haben die Herausforderungen gemeinsam sehr gut bewältigt. Auch bei den aktuell niedrigen Zahlen von neu eintreffenden Flüchtlingen bleibt die Integration in den Kommunen über eine sehr lange Zeit unsere Herausforderung. Dieser Herausforderung werden wir uns gemeinsam stellen und der kommunalen Familie helfen. Der Gesetzentwurf leistet hierzu einen guten Beitrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt, für die Einbringung. – Ich möchte jetzt Herrn Lenders von der FDP-Fraktion aufrufen. Herr Kollege, Sie haben das Wort. Die vereinbarte Redezeit beträgt 7,5 Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn ich das eben sehr friedlich gemacht und schon meine Zustimmung zu dem anderen Gesetzentwurf signalisiert habe, so will ich Ihnen an dieser Stelle sagen, warum wir mit diesem Entwurf ein paar Probleme haben oder zumindest noch einmal deutlich kritisch hinschauen.

Der Landesrechnungshof hat uns seinerzeit in seinem Bericht zur Aufgabe gegeben, dass wir als Parlament deutlich genauer auf die Pauschalierung für die Unterbringung schauen müssen. Der Landesrechnungshof hat dabei mehr Transparenz eingefordert. Jetzt darf man sich fragen, ob die Verlegung der Zuständigkeit auf die Landesregierung durch eine Verordnung, was dem Parlament eine weitere Einflussnahme entzieht, wirklich den Empfehlungen des Landesrechnungshofs entspricht. Meine Damen und Herren, daran habe ich meine Zweifel.

Ich kann Ihnen für die FDP-Fraktion sagen, dass wir uns in der Anhörung gerne die Stellungnahme des Landesrechnungshofs dazu anhören werden, wie er das sieht, und zu dem, was er uns zuvor ins Geschäftsbuch hineingeschrieben hat. Dann werden wir mit dieser Anhörung objektiv umgehen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Für die SPD-Fraktion rufe ich Herrn Kollegen Roth auf. Herr Kollege Roth, Ihnen gehört das Mikrofon.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute Nachmittag der zweite Gesetzentwurf, der sich mit der ganz großen, ja, ich möchte sagen, der größten Herausforderung für unsere Gesellschaft in dieser Legislaturperiode beschäftigt: die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen.

Der Gesetzentwurf ist durch die Koalitionsfraktionen eingebracht. Ich will in der gebotenen Kürze vier bis fünf Punkte nennen, die aus meiner Sicht für die erste Lesung wichtig sind.

Der erste Punkt, der in diesem Zusammenhang zu nennen ist: Das Landesaufnahmegesetz scheint, das war nicht zu allen Zeiten und nicht immer im ersten Anlauf so, für die Kommunen keine Nachteile zu bringen. Das ist eine wichtige und gute Feststellung.

Zweitens. Die Grenze, die überschritten werden muss, wenn es um die Kostenerstattung in der Krankenhilfe geht, ist um 226 € gesenkt worden. Das hört sich viel an, aber wenn man weiß, dass sie von 10.226 € auf 10.000 € gesenkt wurde, dann müsste man im Gesetzgebungsverfahren noch einmal darüber nachdenken, ob es für die Kommunen nicht vielleicht eine bessere Lösung geben kann.

Der dritte Punkt, den ich nennen möchte: Ganz positiv ist, dass es nun die Möglichkeit gibt, Abschlagszahlungen bis zu 90 % der im Abrechnungszeitraum zu erwartenden Erstattungen zu beantragen. Das ist für die Kommunen sehr gut.

Gleichzeitig gibt es aber aus meiner Sicht so viele Fristen, mehr als bisher, dass zumindest die Gefahr besteht, dass die Abrechnung komplizierter werden könnte. Auch darüber wird man im Gesetzgebungsverfahren noch sprechen müssen.

Aus Sicht der Kommunen scheint es auch gut zu sein, dass die Unterbringungsgebührensatzung jetzt im Sinne der Ermächtigung möglich ist.

Gewundert hat mich, dass es hierbei nicht zu einem Regierungsgesetzentwurf gekommen ist, sondern dass die Fraktionen den Entwurf eingebracht haben. Deshalb sagen wir: Wir brauchen unbedingt, weil wir nicht auf eine Regierungsanhörung zurückgreifen können, die schriftliche und die mündliche Anhörung in dieser Frage. Dann haben auch die Kommunen die Möglichkeit, vorzutragen – ich nenne hier ganz besonders die Städte; die Stadt, in der wir uns befinden, hat dieses Problem auch –, dass sie die Flüchtlinge in ordentlichen Gemeinschaftsunterkünften unterbringen und dass sie auskömmlich finanziert werden.

(Beifall bei der SPD)

Daran gibt es immer wieder Zweifel. Das könnte im Gesetzgebungsverfahren mit geklärt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Roth. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Faulhaber von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir hatten unsere Kritik an dem Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem Land und den Kommunalen Spitzenverbänden bereits im Mai-Plenum formuliert. Auch damals ging es um die Erstattung des Landes an die Gebietskörperschaften im Rahmen des Landesaufnahmegesetzes.

Das zentrale Problem der Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme durch das Land ist das System der Pauschalen. Die Pauschalen sind politische Größen, die sich nicht am tatsächlichen Bedarf der Kommunen bei der Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Geflüchteten orientieren. Es gibt sicher Kommunen, die mit der Höhe der Pauschalen ganz gut zurechtkommen. Andere wiederum bleiben auf ihren Kosten sitzen, so etwa der Landkreis HersfeldRotenburg im Jahr 2016. Dieser hat 9,1 Millionen € ausgegeben, aber vom Land nur 8,5 Millionen € erhalten. Ein anderes Beispiel ist Kassel. Der Landkreis Kassel hat im vergangenen Jahr 35,4 Millionen € ausgegeben und damit 6 Millionen € mehr, als das Land ihm erstattete.

Deswegen sprechen wir uns für ein Finanzierungsmodell aus, das sich an den tatsächlichen Kosten orientiert. Ein solches Modell würde natürlich größere finanzielle Spielräume ermöglichen. Kommunen würden dann nicht, wie sie es heute vielfach tun, Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen, nur um den Betreuungsaufwand und die Kosten niedrig zu halten. Sie tun es ja manchmal sogar, wenn ausreichend Wohnraum zur Verfügung stünde.

Übrigens hätten dann auch Kommunen in ländlichen Gebieten die Möglichkeit, sich mit attraktiven Integrationsangeboten als Wohnort für Geflüchtete interessant zu machen. Das wäre der richtige Ansatz, der richtige Anreiz,

(Beifall bei der LINKEN)

auf jeden Fall ein besserer Politikansatz, als Menschen mit Wohnsitzauflage in Orte zu zwingen, wo sie nicht wohnen möchten.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Das sowieso!)

Für die Gruppe der anerkannten Flüchtlinge, die immer größer wird und für die die sogenannte große Pauschale nicht mehr gilt, zahlt das Land jetzt 120 € im Monat für die soziale Betreuung. Es ist offensichtlich, dass dieser Betrag viel zu niedrig ist. Asylsuchende benötigen auch nach ihrer Anerkennung Beratung und Betreuung. Der Arbeitsaufwand in den Jobcentern ist für sie wesentlich höher als für andere Gruppen von Hartz-IV-Leistungsberechtigten. Sobald weitere Kostenpositionen hinzukommen, etwa die

Kosten für einen Kitaplatz, ist die Pauschale schnell aufgebraucht.

Meine Damen und Herren, völlig unberücksichtigt bleiben die Vorhaltekosten der Kommunen im Bereich der Gemeinschaftsunterkünfte. Viele Kommunen haben mit Betreibern auch Verträge über mehrere Jahre abgeschlossen. Inzwischen zahlen die Kommunen dann für Plätze, die sie nicht belegen können. Ich meine, das Land sollte sich an diesen Kosten der Kommunen beteiligen.