Kommen wir zu Freiheit und Sicherheit. Jedes Kind weiß bei uns, dass Freiheit nicht das Recht des Stärkeren sein darf, aber auch, dass Freiheit ganz oft eben das Recht des Stärkeren ist. Was wird schon Kindern vermittelt? Freiheit ist sehr vom Portemonnaie abhängig. Die freie Entfaltung und Entwicklung der Persönlichkeit hängt oftmals davon ab, ob die Eltern das Geld für den Bus, das Musikinstrument, den Theaterbesuch oder die Klassenreise aufbringen können.
Finanzielle Sicherheit bedeutet auch soziale Sicherheit. Vom sozialen Status hängt viel zu häufig ab, ob ein Kind Anerkennung findet, Gruppenaktivitäten mitmachen kann oder ob es verzichten muss, deswegen vielleicht sogar Mobbing ausgesetzt ist. Soziale Sicherung und die Freiheit, sich den eigenen Interessen und Begabungen entsprechend entwickeln zu können, sind grundlegende Erfahrungen in der Schulzeit.
Es geht in dem zitierten Text mit den Worten weiter: „gerecht verteilter Wohlstand“. – Hand aufs Herz, meine Damen und Herren: Sind Sie wirklich daran interessiert, dass in der Schule über die Verteilung des Wohlstands aufgeklärt wird,
dass z. B. die 36 Milliardäre in Deutschland mehr Vermögenswerte besitzen als die ärmere Hälfte der Bevölkerung? So, wie ich das Hohe Hause erlebt habe, bezweifle ich das. Das würde eher eine Debatte über eine linke Infiltrierung von Schule vom Zaun brechen.
Das Zitat geht aber noch weiter: „gerecht verteilter Wohlstand“ – jetzt kommt es – „gerade angesichts der bestehenden Ungleichzeitigkeit in der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung von Staaten und Regionen“. – Was würden Sie sagen, wenn in der Schule über eine gerechte Weltwirtschaftsordnung oder über die Ursachen der extremen Ungleichheit in der Welt aufgeklärt würde? Was Sie davon denken würden, war heute Morgen in der Debatte über Attac ein bisschen zu merken.
Meine Damen und Herren, ich versuche, deutlich zu machen, dass Werte und Demokratieverständnis durch gesellschaftliche Verhältnisse geprägt werden. Natürlich soll die Schule Werte vermitteln und antidemokratischen Entwicklungen entgegentreten. Aber wie erfolgreich das gelingt, ist eben davon abhängig, ob das Gelernte auch den Realitätstest bestehen kann. Schule ist nur ein kleiner Teil der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse, und leider nicht immer der vorbildlichste.
Erziehung zum Demokratieverständnis, politische Bildung, soziale Projekte und Prozesse gehören an die Schulen. Leider ist es so, dass dies nicht immer Konsens ist. Politische Bildung findet vor allem dort statt, wo engagierte Lehrerin
nen und Lehrer agieren. Ansonsten kommen heute zunehmend ökonomische Einflüsse zum Tragen, die auch den Lehrplan beeinflussen. Ich erinnere mich da an die Forderung der FDP-Fraktion, wirtschaftliche Inhalte im Unterricht vor gesellschaftliche Themen zu stellen.
Das war genauso hanebüchen wie die Benennung vieler Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter für die Anhörung zur Novellierung des Schulgesetzes.
Ich sage: Bildung darf nicht wirtschaftlich ausgerichtet sein, und sie darf schon gar nicht zur Ware werden.
Es hakt schon dann, wenn über demokratische Prozesse und über Partizipation an den Schulen gesprochen wird. Nicht nur da: Die Landesschülervertretung und die Elternbeiräte fordern seit Langem, dass Demokratie nicht nur gelehrt, sondern an unseren Schulen auch belebt wird. Wer über Partizipation redet, sollte diejenigen, die das System tragen, nämlich die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer und ihre Gewerkschaften, auch wirklich partizipieren lassen. Aber von gelebter Demokratie sind wir noch ein Stück entfernt.
In der Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion stellt die Landesregierung alles als schön und bereits praktiziert dar. Ist das tatsächlich so? Lehrerinnen und Lehrer, selbst diejenigen, die die politische Bildung als zentrale Aufgabe begreifen, werden häufig gar nicht in die Lage versetzt, entsprechende Projekte anzubieten. Die Überlastung unserer Lehrkräfte führt mittlerweile dazu, dass es nicht nur darum geht, ein bisschen kürzerzutreten, sondern auch darum, alle Pflichtaufgaben irgendwie erledigen zu können. Das sind keine guten Rahmenbedingungen, um beispielsweise verfassungsfeindliche Einflüsse erkennen, thematisieren und ihnen entgegenwirken zu können. Neben zeitlichen Ressourcen fehlt es oft einfach auch an Wissen. Ab wann sind jugendliche Rüpeleien ernsthaft als rechtsradikal einzuordnen? Wo ist der Punkt, an dem eingegriffen werden sollte? Wo ist die Grenze zwischen persönlichem religiösen Engagement und Extremismus? Wo findet man Ansprechpartner, um genau diese Fragen zu erläutern und beraten zu werden? Wie lässt sich das alles zeitlich bewältigen? – Hier wäre ein breites Feld für eine Unterstützung seitens des Kultusministeriums.
Meine Damen und Herren, Toleranz, Demokratie und Friedensverständnis sind zentrale gesamtgesellschaftliche Werte. Das ist unbestritten. Wenn deren Vermittlung tatsächlich als zentrale Bildungsaufgabe angesehen wird, dann müssen Schulen und Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, dieser Aufgabe sowohl inhaltlich als auch zeitlich nachzukommen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Ich bin sehr dankbar, dass wir heute zu vorgerückter Stunde über ein wichtiges Thema sprechen können, das unsere Schulen, aber auch unsere gesamte Gesellschaft betrifft: die Vermittlung von grundgesetzlichen, aber auch grundsätzlichen Werten. Herr Kollege Yüksel, ich glaube, das eine gehört zum anderen. Deswegen will ich in meiner Rede beides auch sehr bewusst zusammen thematisieren.
Bei der Vermittlung von Werten, bei der Präventionsarbeit, aber auch bei der Bekämpfung von Extremismus spielen die Schulen eine zentrale Rolle. Die Schulen sind gemäß dem hessischen Schulgesetz, gemäß dem Grundgesetz, gemäß der Hessischen Verfassung verpflichtet, die Schülerinnen und Schüler über die Menschen- und Bürgerrechte zu belehren. Die Schulen sind verpflichtet, die Schüler zu selbstständigen und mündigen Bürgern zu erziehen. Die Schulen sind verpflichtet, Rechte und Pflichten in einer sozialen Gesellschaft zu vermitteln. Genau das machen die Kolleginnen und Kollegen an den hessischen Schulen. Für ihre erfolgreiche Arbeit gilt es einmal Dank zu sagen.
Herr Kollege Yüksel, ich will direkt auf Ihre Große Anfrage zu sprechen kommen. In den ersten beiden Fragen geht es darum, wie die Landesregierung die aktuelle Gefährdungslage zum einen durch den Rechtsextremismus bzw. Rechtsradikalismus und zum anderen durch den Islamismus bewertet. Das sind berechtigte Fragen; da bin ich völlig bei Ihnen. Ich vermisse allerdings etwas, dass Sie nicht die Frage stellen, wie die Landesregierung die aktuelle Gefährdung durch den Linksradikalismus bewertet. Das ist ein Kapitel, das Sie bewusst oder unbewusst ausgeblendet haben. Vielleicht haben Sie es auch nur vergessen. Die Bekämpfung des Extremismus von links und von rechts und die Bekämpfung des Islamismus sind von zentraler Bedeutung.
Deswegen haben die Koalition und die Landesregierung eine deutliche Positionierung gegen die Verfassungsfeinde, und deswegen wird mit präventiven, aber auch mit repressiven Maßnahmen gearbeitet, um das einzudämmen und zu verhindern.
In unseren Schulen werden Werte und Unterrichtsinhalte vermittelt, und das Ganze geschieht fächerübergreifend. Wir erinnern uns noch daran: Zu Verhaltensweisen im Zusammenhang mit grundsätzlichen Werten gab es früher Noten. Da spielten z. B. der Fleiß und die Pünktlichkeit eine Rolle. Das spielt immer noch eine Rolle. Genau das wird von unseren Lehrerinnen und Lehrern vorgelebt. Herr Yüksel, ich will sehr deutlich sagen, dass die Vorbildfunktion von elementarer Bedeutung ist: Wenn derjenige, der sich im Klassenzimmer mit den Schülern befasst, nicht genau das vorlebt, kann er oder sie das nicht vermitteln.
Deswegen will ich jetzt zu den fächerübergreifenden Aspekten kommen. In der Antwort auf die Große Anfrage wird deutlich gemacht, dass Politikwissenschaft – ein wichtiges Fach natürlich –, aber auch Geschichte, Deutsch, Ethik, Religion und Philosophie gerade für Wertevermittlung und Prävention eine wesentliche Rolle spielen.
Herr Kollege May, ich kann nur bestätigen, wir hatten ein tolles Gespräch mit der Kreisschülervertretung aus Waldeck-Frankenberg. Am Dienstag hatte ich ein Gespräch mit Herrn Fabian Pflume, dem neuen Vorstand der Landesschülervertretung, in dem wir uns genau darüber unterhalten haben. Er hat ein bemerkenswertes Papier vorgelegt. Wir müssen uns nur überlegen, wo wir, wenn wir mehr Stunden für das Fach PoWi ansetzen, etwas wegnehmen. Das on top zu machen, also indem noch mehr Unterrichtsstunden gegeben werden, war – das war erkennbar – nicht der große Wunsch der Schülervertretung. – So viel zur Einordnung.
Herr Yüksel, jetzt möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen der Bildungs- und Erziehungsplan wirklich bekannt? Er wurde hier schon zweimal zitiert, auch von dem Kollegen Greilich. Darin ist nämlich von Basiskompetenzen und von Werten die Rede. Da geht es z. B. um Höflichkeit und Zuverlässigkeit. Ich übersetze das jetzt einmal: Man sollte Guten Tag sagen, man sollte Frauen Wertschätzung entgegenbringen, man sollte die Hand geben, wenn sie einem entgegengestreckt wird, und man soll Respekt leben. Man darf Werte leben, die, freiheitlich geprägt und demokratisch gelebt, in diesem Land eine wesentliche Rolle spielen.
All das steht im Bildungs- und Erziehungsplan. Dabei fangen wir von vorne an, nämlich bei Kindern von null bis zehn Jahren. Dieses Altersspektrum umfasst der Bildungsund Erziehungsplan. Ich sage Ihnen deutlich: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. – Dieser Spruch ist zwar alt, trifft aber nach wie vor zu.
In der Antwort auf die Große Anfrage wurde eine Vielzahl von Maßnahmen aufgelistet, die, kontinuierlich novelliert, in Hessen nicht erst seit gestern praktiziert werden, in den Schulen selbst oder in Kooperation mit anderen. Das sind z. B. interkulturelle Projekte und Fortbildungen zum Klassenrat. Das ist diese basisdemokratische Arbeit, die von den Schülervertretungen an den Schulen geleistet wird.
Wir haben Demokratietage, Kinderrechtsprogramme, die Europaschule, Netzwerke und – das ist mir besonders wichtig – auch außerschulische Lernorte. Es werden in Hessen NS-Opfer-Gedenkstätten besucht, aber auch – das ist genauso wichtig – Point Alpha oder das Grenzmuseum Schifflersgrund. Da sieht man nämlich die Ergebnisse nicht demokratischen Handelns, und da sieht man, wohin totalitäre Regime führen. Genau dadurch kann man Geschichte lernen, und daran kann man auch erkennen, wie bedeutsam die Demokratie für unsere Gesellschaft ist.
Ich bin sehr dankbar, dass von Schülerorganisationen, von der Landesschülervertretung und den Kreisschülerräten deutlich gesagt wird, dass ihnen die Vermittlung von Werten und Moralvorstellungen sehr wichtig ist und dass sie auch erwarten, dass sich die Menschen, die zu uns kommen, ein Stück weit an den christlich-abendländischen Werten orientieren, die wir in diesem Land leben.
Das bedeutet, das Grundgesetz gilt für uns alle. Das Grundgesetz beschreibt die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Es bedeutet auch, dass die Eltern eine Rolle dabei spielen: dass den Kindern Demokratie also nicht nur in der Schule beigebracht wird, sondern dass sie auch zu
Dazu zählt – das will ich ebenfalls sehr deutlich betonen –, dass alle Kinder und alle Jugendlichen, also auch die Mädchen, am Schwimmunterricht teilnehmen können. Es bedeutet auch, dass die Teilnahme von Mädchen am Sportunterricht gewährleistet ist, dass die Teilnahme am Sexualkundeunterricht gewährleistet ist und dass alle an den Klassenfahrten teilnehmen können. Das bedarf tatsächlich einer konzertierten Aktion nicht nur innerhalb der Schule. Nicht nur dort müssen die Kolleginnen und Kollegen daran arbeiten und die Betroffenen davon überzeugen, sondern es ist ein Kraftakt aller gesellschaftlichen Akteure. Da ist in der Tat noch viel zu tun.
Entschuldigung, es ist für alle viel zu tun. Ich rede nicht nur von der Schule. Herr Kollege Yüksel, ich habe eben von den gesellschaftlichen Akteuren gesprochen.
Ich bin sehr froh, dass wir eine fantastische Zusammenarbeit zwischen dem Kultusministerium, dem Innenministerium und der Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien haben, in der ich selbst mitarbeiten darf. Dort gibt es tolle Projekte. Dort werden Filme für die jungen Leute altersgemäß aufbereitet. Daran kann man sehen, dass wir nicht nur darüber reden, sondern handeln, und zwar im Rahmen eines tollen Netzwerks.
Deswegen will ich am Ende meiner Rede sagen: Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Lehrerinnen und Lehrern, die an den Schulen einen ganz tollen Job bei der Demokratieerziehung machen. Das ist toll. Respekt, Lob und Anerkennung für die Lehrer.
Ich will deutlich sagen, dass viele Eltern genauso engagiert daran mitwirken, aber auch die Trainer und Lehrer, die nachmittags und abends in den Sportvereinen und Musikvereinen aktiv sind.