Die Bedeutung der politischen Bildung im Schulunterricht muss insgesamt gestärkt werden. Dafür brauchen wir einen Ausbau des Unterrichtsangebots im Fach Politik und Wirtschaft.
Zwei Wochenstunden in der Mittel- und Oberstufe sind für diese Aufgabe nicht genug. Ich unterstütze die Landesschülervertretung mit ihrer Forderung, die Wochenstundenzahl zu erhöhen.
Außerdem muss diskutiert werden, ob es weiterhin möglich sein darf, Politik und Wirtschaft im letzten Jahr der Oberstufe abzuwählen. Ich meine, nein.
Die Vernetzung des Politikunterrichts mit der innerschulischen Demokratie ist ebenfalls noch nicht gut gelöst. Die Schülervertretungen sind das beste Beispiel dafür, wie theoretisches Wissen auch in der Praxis umgesetzt werden kann. Die Begleitung der Mitbestimmung der Schülerschaft im Politikunterricht ist aber auch nicht fest in der Verordnung über die Schülervertretung verankert.
Nicht zuletzt ist die Verbindlichkeit der Lerninhalte noch zu schwach. Die aktuellen Kerncurricula belassen Fragen zur Vermittlung der Werte des Grundgesetzes zu sehr im Ungefähren. Hier sollten wir über eine deutlichere Festschreibung dieser Werte und ihre praktische Umsetzung als wiederkehrendes Querschnittsthema nachdenken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle in diesem Haus wollen doch unsere Demokratie und unseren sozialen Rechtsstaat bewahren. Gerade angesichts der aktuellen Situation auf internationaler Ebene wollen wir alle an der Seite der Demokraten stehen und sie gegen die Feinde des Föderalismus verteidigen. Wir mögen uns hinsichtlich wichtiger Politikansätze unterscheiden. Aber wir alle stehen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands ein.
Ich appelliere an die Regierung: Nehmen Sie die Werteerziehung und die Bildung hinsichtlich der Grundrechte im
Schulunterricht nicht auf die leichte Schulter. Wir schulden das den Müttern und Vätern dieses Grundgesetzes.
Junge Menschen politisch zu bilden und im Sinne des Grundgesetzes zu erziehen, ist nicht nur die Aufgabe der Zivilgesellschaft. Der Staat muss die Demokratie bewahren, und zwar nicht nur durch Warnungen vor Extremismus. Er muss das auch mit der Überzeugungskraft der demokratischen Werte tun.
Ich verstehe nicht, warum die Landesregierung in den Antworten vor allem auf außerschulische Ansätze verweist und den konkreten Schulunterricht so selten berücksichtigt. Nur dort kann der Staat direkt gestalten und seiner Verantwortung so gerecht werden. Dort setzt bei den Schülerinnen und Schülern wirksame Prävention an. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. – Die nächste Wortmeldung stammt von Herr Kollegen May für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die hessischen Schulen sind für uns zentrale Orte der Demokratiebildung. In ihnen wird sich tagein, tagaus dafür eingesetzt, dass Pluralismus, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und demokratische Teilhabe gelehrt und gelebt werden.
Wir danken unseren Lehrerinnen und Lehrern, allen außerschulischen Kooperationspartnern, den Eltern, aber auch den Schülerinnen und Schülern, die sich beispielsweise in der Schülervertretung engagieren oder den Unterricht mitgestalten. Ich glaube, das sollte man vornean stellen, wenn man zu diesem Thema debattiert.
Herr Kollege Yüksel, was Sie gerade eben vorgetragen haben, war hinsichtlich der Kritik allerdings wirklich meilenweit von dem entfernt, was Sie in der Antwort auf die Große Anfrage eigentlich hätten lesen können. Es war von der tatsächlichen Situation wirklich so weit entfernt, dass man die Kritik als weitgehend substanzlos bewerten muss.
Ich finde es auch sehr bedauerlich, dass Sie das, was Sie in Ihrem Redebeitrag hier gesagt haben, nämlich, dass Sie allen in diesem Haus tatsächlich zugestehen, dass sie für die demokratische Grundordnung kämpfen, in der Vorbemerkung Ihrer Großen Anfrage so nicht ausdrücken konnten. Ich muss schon sagen: Ich finde es ziemlich vermessen, was Sie am Ende Ihrer Vorbemerkung ausgedrückt haben, nämlich zu behaupten, die Landesregierung oder die Koalition stünden nicht eindeutig zum Grundgesetz. Dazu muss ich sagen: Das fand ich ziemlich daneben. Das haben Sie heute vom Rednerpult aus nicht wiederholt. Aber ich muss Ihnen sagen: Was Sie dort zu Papier gebracht haben, ist schon grenzwertig.
(Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus) und Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie bei Abgeordneten der CDU)
Ich halte auch die Aussage, dass die Landesregierung der Vermittlung der Werte des Grundgesetzes zu wenig Bedeutung beimessen würde, dass sie da Engagement vermissen lasse, angesichts dessen, was dort auf fast 30 Seiten ohne Anlage zu Papier gebracht wurde, für vollkommen abwegig. Sie haben das auch nicht ordentlich begründet.
Sie haben sich darüber aufgeregt, dass es einen Übertragungsfehler in der Überschrift der Großen Anfrage gibt. Wenn Sie sich das weiter anschauen, werden Sie sehen, dass in der Vorbemerkung der Landesregierung die ganze Zeit von den Werten des Grundgesetzes die Rede ist. Das zeigt doch sehr deutlich, dass hier nur ein Übertragungsfehler in der Landtagskanzlei stattgefunden hat.
In der Vorbemerkung der Landesregierung ist von grundgesetzlichen Werten die Rede. Jetzt sozusagen Übertragungsfehler in der Kanzlei zum Aufhänger dafür zu machen, dass bewusst etwas missverstanden werden sollte, so wie Sie es hier vorgetragen haben, das finde ich ziemlich dünn.
Ich muss sagen: Es ist auch nicht konsistent, was Sie hier vortragen. Kollege Degen hat vor diesem Pult in einer anderen Debatte schon einmal etwas ganz anderes gesagt. Er hat gesagt:
Eine Vielzahl der Ziele, die Sie genannt haben, Herr Kultusminister, einen uns. … Dazu zählt ebenso die Bedeutung, die Sie der politischen Bildung beimessen. Die Erziehung zu Demokratie und Mündigkeit muss oberstes Gebot schulischer, aber auch außerschulischer Bildung sein. Gerade bei Letzterer haben wir noch Nachholbedarf.
Ich will hier etwas dazu sagen, dass die Demokratieerziehung in den Kerncurricula nicht weitgehend genug sei. Wenn Sie beklagen, dass sich die Landesregierung auf Gesetze und Verordnungen zurückziehen würde, dann frage ich einmal: Was würden Sie denn anders machen? Würden Sie sagen, dass es nicht richtig ist, dass in § 2 des Hessischen Schulgesetzes die Erziehung zu grundgesetzlichen Werten ganz prominent verankert ist? Finden Sie es falsch, dass wir das über Verordnungen umsetzen? Finden Sie es falsch, dass wir die Bildungsinhalte in Kerncurricula regeln? – Wenn das nicht der Fall ist, dann frage ich Sie: Was würden Sie denn anders machen? Nach dem, was Sie vorgetragen haben und was Sie anders machen würden: Was kam da? Es kam: Wir würden gerne eine Stunde mehr Politik- und Wirtschaftsunterricht machen.
Man kann darüber streiten – aber auch das ist eine Maßnahme, die letztendlich über eine Verordnung geregelt
wird. Daher habe ich nicht so richtig verstanden, was Sie im Übrigen anders machen würden. Ich habe auch den Eindruck bekommen, dass Sie nicht wirklich die Antwort auf die Große Anfrage wahrgenommen haben. Dort wird sehr deutlich dargestellt, wie das in der schulischen Bildung aussieht. Wir haben Ihnen umfangreich dargelegt, dass der hessische Bildungs- und Erziehungsplan für die Altersgruppe von null bis zehn Jahren – das sollte man auch nicht vergessen – schon die Basiskompetenzen für Werthaltungen legt, wie z. B. Kinder stark machen gegen religiösen Fundamentalismus, Rechtspopulismus und politischen Extremismus.
Es ist auch dargestellt worden, wo welche Kompetenzen in den Kerncurricula erreicht werden sollen. Ich möchte da einmal den Geschichtsunterricht, den Unterricht in Politik und Wirtschaft sowie den Ethik- und Deutschunterricht nennen. Aber auch der Religionsunterricht ist daran beteiligt. Neben den klassischen Fächern, die im Bereich der politiknahen Bildung unterwegs sind, ist das aber auch der naturwissenschaftliche Unterricht. Sogar der Mathematikunterricht ist wichtig, damit man am demokratischen Diskurs teilnehmen kann. Nur derjenige, der nicht weiß, was ein Grund- oder ein Prozentwert ist, wird dazu verführt, einfachen mathematischen Aussagen, wie eine prozentuale Steigerung um 200 %, erst einmal zu glauben, ohne nach dem Grundwert zu fragen. Daher ist auch in diesem Bereich die Mathematik nicht zu vernachlässigen.
Das alles ist in epischer Breite dargelegt worden. Ich verstehe nicht, dass Sie das ignorieren. Das ist auch ein bisschen bedauerlich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kultusministerium, die viel Arbeit in die Beantwortung der Großen Anfrage hereingesteckt haben. Wenn man eine Große Anfrage stellt, dann sollte man sich einmal den umfangreichen Antworten widmen und seinen Redebeitrag darauf fußen lassen. Ich glaube, das wäre das bessere Vorgehen bei der Besprechung von Großen Anfragen.
Für uns ist auch klar, dass wir nicht nur sagen, was am Ende dabei herauskommen muss, sondern dass das auch ein zentraler Bestandteil der Lehrerbildung sein muss – so wie es die Landesregierung auch dargestellt hat. Das ist in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer so. Das ist aber auch in der Lehrerfortbildung so.
Ich darf exemplarisch ein Beispiel aus der Lehrerfortbildung nennen, und zwar das Grundlagentraining „Konstruktive Konfliktbearbeitung und Partizipation in der Klasse“ des Staatlichen Schulamts für den Landkreis Offenbach und die Stadt Offenbach, das von Lehrerinnen und Lehrer in großer Anzahl besucht worden ist. Das zeigt: Auch die Lehrerinnen und Lehrer, die einmal im System sind, werden von uns begleitet und immer weiter fit gemacht, was aktuelle Fortbildungsangebote im Bereich der Demokratieerziehung angeht.
Eine Sache möchte ich zum Schluss noch hervorheben. Es würde einen breiten Raum benötigen, noch die außerschulischen Kooperationspartner und Lernorte zu nennen, insbesondere das VPN-Projekt, das bundesweit anerkannt ist, aber auch das Beratungsnetzwerk Hessen.
Ich möchte aber noch die Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund stellen, nämlich die Schülervertretung. Ich glaube, dass die Art und Weise, wie wir Schülervertretung in Hessen organisieren, eine sehr lebhafte Schülervertretung ist. Die Kollegen Degen, Greilich, Schwarz und ich waren erst in der letzten Stunde wieder bei der Schülervertretung. Wir haben wahrgenommen, wie lebhaft eine Schülervertretung sich für ihre Dinge einsetzt. Das ist eben nicht nur eine Interessenvertretung für die Schülerinnen und Schüler, sondern es ist gelebte Demokratie, die hier stattfindet. Ich glaube, dass die Selbsterfahrung von Schülerinnen und Schülern als Interessenvertreter ein ganz wertvoller Beitrag zur Demokratieerziehung ist. – Daher halte ich es Ihnen entgegen, wenn Sie hier sagen, dass in diesem Bereich zu wenig getan werden würde.
Herr Kollege Yüksel, ich möchte damit schließen, dass ich dem, was Sie eingangs gesagt haben, vollständig zustimmen kann, nämlich dass Demokratie an Schulen ein zentraler Bestandteil ist und dass sie zentral für die Sozialisation ist – deswegen habe ich auch applaudiert. Wir müssen Demokratie an der Schule stark machen, um Schülerinnen und Schüler gegen Angriffe von Extremisten zur stärken. Genau das tun wir. Ich finde, dass diese Große Anfrage sehr deutlich gemacht hat, welchen großen Stellenwert dieser Politikbereich bei uns in der Schule hat. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD zum Thema Wertevermittlung weist bereits in der Vorbemerkung auf die Bedeutung der Thematik hin, die für viele aktueller denn je erscheint. Der unermüdliche Einsatz für Demokratie, Freiheit, Grundund Menschenrechte sowie für die Werte der pluralistischen Gesellschaft wird durch den Erziehungs- und Bildungsauftrag des Hessischen Schulgesetzes in § 2, insbesondere Abs. 2 und 3, und durch die inhaltlichen Konkretisierungen in den Kerncurricula und Bildungsstandards sowie durch die gesellschaftlichen Anforderungen und Erwartungen in die Schulen hineingetragen. Diesen kommt eine besondere Verantwortung zu. Das lässt sich auch noch weiter konkretisieren: Dem jeweiligen Lehrer, der jeweiligen Lehrerin kommt diese Verantwortung zu, da sie als direkte Mittler dienen und dienen müssen.
In der Antwort der Landesregierung wird detailliert aufgeführt, in welch vielfältiger Art und Weise Wertevermittlung, interkulturelle Bildung und Demokratieerziehung verwirklicht werden. Die Vielzahl der Kooperations-, Finanzierungs- und Projektpartner, die in Erscheinung treten, sind ein positives Signal. Das ist weiter zu fördern und zu unterstützen.
In der Antwort der Landesregierung wird mehrfach darauf hingewiesen, dass die Vermittlung grundlegender Werte nicht erst in der Schule beginnt, sondern bereits im Bil
dungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren angelegt ist. Darin heißt es – ich zitiere –:
Kinder erfragen unvoreingenommen die Welt und stehen ihr staunend gegenüber. Sie stellen die „Grundfragen“ nach dem Anfang und Ende, nach dem Sinn und Wert ihrer selbst und nach Leben und Tod. In ihrer Konstruktion der Welt und ihrem unermesslichen Wissensdrang sind Kinder kleine Philosophen und Theologen. …
Kinder sind darauf angewiesen, vertrauensbildende Grunderfahrungen zu machen, die sie ein Leben lang tragen. Sie brauchen Ausdrucksformen und Deutungsangebote, um das ganze Spektrum möglicher Erfahrungen positiv verarbeiten zu können.