Protocol of the Session on May 20, 2014

Kurzum: Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Zu Recht haben zivilgesellschaftliche Gruppen, beispielsweise auch Blockupy und andere Organisationen, am 15. Mai in Brüssel gegen das Freihandelsabkommen demonstriert. Wir waren auch dort.

(Günter Schork (CDU): Es hätte uns auch gewundert, wenn nicht!)

Ich wollte das nur noch einmal sagen. Auch dort war die Polizeigewalt unerträglich. Ich sage das auch hier.

(Dirk Landau (CDU): Ich glaube, hier ist etwas ganz anderes unerträglich!)

Selbst Wirtschaftsminister Gabriel lud zur PR-Offensive EU-Handelskommissar De Gucht und den US-Handelsrepräsentanten Froman ein – um nochmals deutlich zu machen, dass auch die SPD Zuneigung zu einem solchen Abkommen hat.

Heute Morgen war ich etwas erstaunt, als der als links geltende Kollege Stegner in der „Frankfurter Rundschau“ ebenfalls ein Plädoyer für das TTIP-Abkommen abgegeben hat.

(Holger Bellino (CDU): Der wirkt da ja als Konservativer!)

Auch bei den hessischen GRÜNEN – wenn sie nicht auf einer EU-Wahlveranstaltung auftreten – spüre ich die Annäherung an die Macht der Konzerne und die Absage an bessere Standards für Beschäftigte und Verbraucher.

Es ist doch offensichtlich: Freihandel heißt es, weil es um den freien Handel geht, der durch nichts behindert werden darf, weder durch soziale, durch ökologische noch durch Verbraucher- oder Gesundheitsstandards.

(Unruhe)

Dabei drängen die Partner immer darauf, dass die für den Profit günstigsten Standards und Bedingungen durchgesetzt werden. Es sind nicht nur die US-Konzerne, die das tun, sondern das sind auch die europäischen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das mit dem Profit ist auch ekelhaft! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Und das aus Ihrem Munde?)

Ja, das ist das Profitstreben. Ich hätte gar nicht gedacht, dass Sie uns schon so viel näher gekommen sind.

Wir wollen ein soziales und solidarisches Europa. Wir wollen, dass die Menschenrechte und die in der EU-Grundrechtecharta verbrieften Rechte für alle in Europa lebenden Menschen gelten. Wir drängen darauf, dass die notwendige Versorgung mit Energie und Wasser als Menschenrecht gilt. Wir setzen uns für eine EU-Strategie gegen Armut und soziale Ausgrenzung ein, für die Durchsetzung der UN-Charta für die Rechte des Kindes und der UN-Charta für die Rechte der Menschen mit Behinderungen.

(Clemens Reif (CDU): Das hätten Sie alles in der DDR durchsetzen sollen, das wäre gut gewesen!)

Wir wollen, dass die EU im Kampf gegen den Klimawandel weltweit führend ist, sich für gerechte Handelsbeziehungen und für die Durchsetzung der weltweiten Entwicklungsziele einsetzt. Wir fordern, dass die EU den Kampf gegen Hunger und Krieg, gegen die Spekulationen mit Nahrungsmitteln auf die Spitze ihrer Agenda setzt.

Wir fordern eine radikale Umkehr in der Flüchtlings- und Asylpolitik. An den EU-Außengrenzen sind in den letzten 15 Jahren 23.000 Menschen gestorben. Menschen in Not brauchen unsere Hilfe. Die Menschenrechte sind unteilbar; denn kein Mensch ist illegal.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern ein Ende der arroganten Haltung der Bundesrepublik Deutschland. Länder wie Spanien, Griechenland, Italien oder auch Bulgarien dürfen mit den Flüchtlingsproblemen nicht alleingelassen werden.

(Michael Boddenberg (CDU): Habe ich das überhört, oder haben Sie auch schon etwas zu Russland gesagt?)

Wir fordern einen Abschiebestopp z. B. von afghanischen Flüchtlingen aus den Mitgliedstaaten, da ihr Heimatland nicht als ein sicheres Land betrachtet werden kann.

Wir fordern eine an den Kriterien der OSZE ausgerichtete Friedens- und Außenpolitik der EU, eine Auflösung der Battle Groups, die Auflösung der EU-Rüstungsagentur und nicht zuletzt eine EU-Nachbarschaftspolitik, die nachhaltige Kooperation – ja – auch mit Russland einschließt.

Die Tatsache, dass 2012 weltweit 1.747 Milliarden Dollar für militärische Produktion ausgegeben wurden, die Tatsache, dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren der Welt zählt und zunehmend Waffen in Gebiete liefert, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen, die zunehmende militärische Ausrichtung der EU und ihrer Außen- und Sicherheitspolitik nehmen wir zum Anlass, um zu sagen: Wenn wir all dieses Geld, das für die Entwicklung, die Produktion, die Lagerung, den Vertrieb, den Kauf, die Instandhaltung, die Modernisierung und schließlich den Einsatz von Waffen und Waffensystemen aller Art aufgebracht wird, nutzen, um damit solidarische und nachhaltige Investitionen in unser Leben, in unsere Regionen, in unsere Umwelt zu finanzieren, dann, erst dann können wir wirklich davon sprechen, dass sich der Traum von einem Europa des Friedens verwirklichen lässt.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Angola, Mosambik!)

Von Europa, von Deutschland muss Frieden ausgehen. Deshalb muss Europa von unten neu gegründet werden. Dafür treten wir ein, auch bei den Wahlen zum Europaparlament. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr van Ooyen. – Für die FDP-Fraktion hat sich ihr Vorsitzender, Herr Rentsch, gemeldet. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege van Ooyen, ich

muss wirklich sagen, bis jetzt haben alle Redner versucht, nicht immer einer Meinung, aber in einem sehr abgewogenem Bild,

(Holger Bellino (CDU): Sehr richtig!)

das, was wir 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg heute begrüßen können, die Europäische Union, mit all ihren Diskussionen, aber vor allem mit ihren Werten, die sie uns als Land, als Deutschen gegeben hat, und vor allem mit dem Frieden, in ein richtiges Licht zu stellen. Was Sie hier gemacht haben mit Verschwörungstheorien, Antiamerikanismus und einem Nationalstaatsbild, das bei Ihnen immer wieder durchkommt, das ist schon wirklich abwegig und schadet der europäischen Idee massiv.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von der CDU: Gruselig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will ausdrücklich sagen, dass ich die Aufregung von Staatssekretär Weinmeister, der sich mit Frau Ministerin Puttrich für das Thema engagiert, absolut nachvollziehen kann. Denn so viel Blödsinn darf trotz der Meinungsfreiheit hier nicht ungestraft stehen bleiben. Deshalb finde ich es auch richtig, dass wir jetzt über die Frage diskutieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Was heißt denn „ungestraft“?)

Frau Kollegin Wissler, ich glaube schon, dass alle Parteien in Deutschland 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, 75 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, 65 Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik und 25 Jahre nach dem Mauerfall darüber diskutieren sollten, dass das, was wir heute haben, definitiv nicht gottgegeben ist, sondern dass viele Politiker in Europa – es sind viele genannt worden, Helmut Kohl, Willy Brandt – mit viel Einsatz, Engagement und teilweise ihrem Lebenswerk etwas erreicht haben, was heute für viele junge Menschen, die über Europa diskutieren – Frau Puttrich hat es gesagt –, völlig normal ist: offene Grenzen, gemeinsame Länder. Es ist eben nicht normal, sondern viele Politikergenerationen haben für dieses Europa, wie es heute ist, gekämpft.

Herr van Ooyen, deshalb kann man nicht das machen, was die Populisten so einfach machen – seien sie links oder rechts zu Hause, das ist mir völlig egal –,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

und sagen, es ist ein Europa der Banken, es ist ein Europa der Finanzhaie, es ist ein Europa, das am amerikanischen Gängelband hängt. Meine Damen und Herren, das wird dem, was wir heute diskutieren, weiß Gott nicht gerecht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Viele Kollegen von der Europa-Union sind da, Kollege von Hunnius, der lange in unserer Fraktion die Europapolitik verantwortet hat.

Ich glaube, dass wir als Land Hessen in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr stark von der Europäischen Union und der europäischen Idee profitiert haben. Gelegentlich muss man ein bisschen differenzieren zwischen der europäischen Idee und der Europäischen Union. Trotzdem ist Hessen eine der stärksten Wirtschaftskräfte in der Eurozone, immerhin Platz 12 von 28 EU-Staaten, wenn man Hessen einmal herausrechnen würde, stärker als Finnland, Griechenland und Portugal. Wir profitieren massiv davon – Kollege Schäfer-Gümbel hat es gesagt –, dass es andere

Länder gibt, die im Vertrauen auf deutsche Qualität Waren und Dienstleistungen aus unserem Land abnehmen.

Diese besondere Situation sorgt übrigens auch dafür, dass wir in unserem Land, gerade in der Rhein-Main-Region und in vielen anderen Teilen unseres Landes, einen so großen Wohlstand haben. Der ist auch nicht vom Himmel gefallen, den haben die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in diesen Bereichen gemeinsam erarbeitet.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Erarbeitet haben ihn nur die Arbeitnehmer!)

Ich glaube, dass auch Arbeitgeber arbeiten, Herr Kollege. Aber das ist Ihr Bild.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nein, erarbeitet haben ihn die Arbeitnehmer!)

Wenn man immer nur so einseitig denkt, muss das Leben doch relativ langweilig sein. Das Leben ist doch deutlich differenzierter, als uns die Linkspartei gelegentlich in Debatten zu verkaufen versucht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

So einfach ist die Welt doch nicht. Man muss doch nicht immer einen Gegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufmachen. Wir können doch feststellen, dass das, was wir in Hessen als Partnerschaft beider Seiten haben, dazu führt, dass wir einer der erfolgreichsten Wirtschaftsstandorte sind und dass wir massiv von der Europäischen Union profitiert haben.

Deshalb haben wir in unserem Antrag heute vor allem darauf hingewiesen, dass die Bedeutung der Stadt Frankfurt in diesem europäischen Konzert eine ganz besondere ist und dass wir neben den Europastädten wie Brüssel und Straßburg mit Frankfurt eine Stadt haben, die es mit ihrer besonderen Qualität als Finanzplatz, aber auch als ein Ort, der mitten in Europa zu Hause ist, der wirklich auch lokal mitten in Europa zu Hause ist, aufgrund guter Infrastruktur, aber auch aufgrund des Einsatzes der Politik, der Hessischen Landesregierung und vieler Kolleginnen und Kollegen gemeinsam mit der Bundesregierung, geschafft hat, dass in den letzten Jahren wesentliche Institutionen der Europäischen Union nach Frankfurt gekommen sind und nicht nach Paris, nach Amsterdam oder in andere Städte Europas, sondern dass Frankfurt ganz bewusst mit diesen Institutionen ausgezeichnet worden ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)