Protocol of the Session on May 31, 2017

(Zuruf des Abg. Ismail Tipi (CDU))

Also sechs Tage, bevor die mündliche Anhörung in einem normalen rechtsstaatlichen Verfahren stattfindet, hat er eine schriftliche Ablehnung bekommen. Es ist von ganz vielen Ablehnungen zu hören, wo die Asylanträge als unbegründet gelten, obwohl die Unterlagen eindeutig Aussage geben, dass die Asylbewerber dort einer politischen Verfolgung ausgesetzt waren oder bei der NATO gearbeitet haben. Wir fordern die Bundesregierung und den Bundesinnenminister dringend auf, wirklich nur qualifiziertes Personal dort einzustellen und zum Einsatz zu bringen, damit solche Fehlentscheidungen nicht zustande kommen. Es geht um Menschen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es ist tatsächlich so, dass die zielstaatsbezogenen Abschiebehindernisse vom Bundesinnenministerium vorgegeben und vom BAMF dann tatsächlich vollzogen werden. Wir als Land und die Hessische Landesregierung werden alles dafür tun, um mit größtmöglicher Sorgfalt dafür zu sorgen, dass tatsächlich auch hier die personenbezogenen Abschiebehemmnisse beachtet werden. Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, die in unserer Macht stehen, damit es tatsächlich nur noch so ist, wie wir es vereinbart haben, dass vorrangig Straftäter abgeschoben werden.

Ich glaube, das ist der Auftrag. Darüber hinaus haben wir eine Fülle von Qualitätskriterien vorgelegt, die die Ausländerbehörden befähigen, tatsächlich eine Duldung auszusprechen.

Herr Kollege Roth, dieses Argument sei mir noch gestattet: Wir alle sind der Meinung, wie wir politisch argumentieren, dass wir auf der Grundlage der UN-Flüchtlingskonvention von 1951 argumentieren. In Art. 33 steht:

Auf die Vergünstigung … kann sich … nicht berufen, der … eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.

Ich finde, in einer solchen Situation ist zu vermitteln, dass, wer vergewaltigt oder gemordet hat, diese Menschenrechtskonvention laut Art. 33 nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Das ist in der Tat eine Frage der Abwägung. Aber ich glaube, angesichts der Diskussion, die wir hier führen, ist es eine Entscheidung mit Augenmaß.

All unsere Probleme wären gelöst, wenn Afghanistan wie Syrien behandelt würde und es uns gelingen würde, einen generellen Abschiebestopp auf Bundesebene zu erreichen. Ich glaube, das ist der richtige Schritt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Das Wort hat Frau Abg. Öztürk, zweieinhalb Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal klar feststellen, dass sich der Sinn unseres Antrags nicht erledigt hat. Es ist makaber, dass ein Anschlag, der jüngst stattgefunden hat, quasi dazu geführt hat, dass der Abschiebeflug gestoppt wird – aber nicht aufgrund der Situation und der Sicherheitslage vor Ort, sondern aufgrund der schwierigen technischen Umsetzung. Das zeigt, dass die Einschätzung der Situation vor Ort unterschiedlich ist. Dass ein aufgehobener bzw. aufgeschobener Abschiebeflug schnellstmöglich stattfinden soll, zeigt, dass wir unterschiedlicher Meinung sind. Deswegen ist es wichtig, dass dieser Antrag heute diskutiert wird und, so hoffe ich, auch eine Mehrheit findet; denn in diesem Hause ist schon einmal durch eine Koalition eine Mehrheit für einen Abschiebestopp nach Afghanistan gefunden worden. Ich möchte sagen, dass es solche und solche Koalitionen gibt. In der 2. Plenarsitzung der 17. Legislaturperiode am 9. April 2008 haben wir es hier schon einmal hinbekom

men, eine Mehrheit für einen Abschiebestopp nach Afghanistan zu erreichen.

Damals haben wir gemeinsam festgestellt, dass die Situation vor Ort eine ganz schwierige ist. Diese hat sich in den letzten neun Jahren nicht verändert, sondern ist heute noch schlimmer. Deswegen ist dieser Beschluss notwendiger denn je. Ich bitte darum, dass die Worte, die hier klingen, und das Beileid, das bekundet wird – das auch ich bekundet habe –, auch Konsequenzen zur Folge haben. Diese Konsequenz kann nur sein, dass Sie unseren Antrag unterstützen und ein genereller Abschiebstopp auch von diesem Hause als Signal gesendet wird und deswegen eine Mehrheit findet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum sage ich das? Es geht einfach darum, dass sich die Situation vor Ort in den letzten Jahren verschlimmert hat und die Einschätzung vieler Menschenrechtsorganisationen immer noch die gleiche ist. Nur der politische Wille ist der einzige Punkt, der dieser Realität keine Rechnung trägt und verhindert, einen Abschiebestopp zu erreichen.

Wir haben Menschen in Hessen, die betroffen sind. Es ist nicht nur die von Herrn Bocklet erwähnte Gruppe, sondern es sind auch in jeder Besuchergruppe zum Plenum afghanische Flüchtlinge dabei, die sagen, dass sie eine Ausbildung absolvieren würden und nicht wüssten, was passiert und ob sie betroffen seien oder nicht. Die gestern von Herrn Innenminister Beuth getroffene Aussage, dass prioritär nur Straftäter abgeschoben werden sollen, ist nicht beruhigend. Ich bin der Meinung, dass Menschen, wenn sie Straftaten begangen haben, in unseren Gefängnissen inhaftiert werden und die Strafe absitzen sollten. Aber es kann nicht sein, dass man sie jetzt in ein Land wie Afghanistan abschieben und das Ganze unter „humanitären Gesichtspunkten“ verkaufen möchte.

Ich bitte Sie, zur Einsicht zu gelangen und unseren Antrag zu unterstützen. Wie gesagt: Herr Bocklet, ich finde Ihre Ansage gut, indem Sie klar gesagt haben, dass es unterschiedliche Positionen gibt.

Frau Kollegin Öztürk, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich habe um 15 Sekunden überzogen. – Nur, Unterschiede zu kommunizieren, ohne Taten folgen zu lassen, das geht nicht.

Frau Kollegin Öztürk, das hätte ich jetzt nicht gesagt – jetzt weiß jeder, dass ich Ihnen 15 Sekunden mehr gegeben habe. Jetzt machen Sie mal, dass Sie zum Schluss kommen.

(Heiterkeit)

In Anbetracht dieser Angelegenheit bitte ich wirklich um eine Mehrheit, und ich bitte wirklich um einen Abschiebestopp, weil es einfach nichts bringt, immer wieder zu dis

kutieren, schöne Worte zu bekunden, aber keine Taten folgen zu lassen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Greilich, FDPFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der neue Punkt 1 des heute ergänzten, hier schon mehrfach gefassten Beschlusses der Koalition lautet – das will ich genau so vorlesen, wie es dort steht –:

Heute Morgen ereignete sich in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein Anschlag, bei dem mindestens 80 Menschen getötet wurden, darunter auch mindestens ein Angestellter der Deutschen Botschaft. Der Landtag gedenkt der Opfer dieses verabscheuungswürdigen Anschlags und spricht den Angehörigen sein Beileid aus.

Meine Damen und Herren, dem gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen. Das ist alles, was wir hier festzustellen haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich versuche, die Ruhe zu bewahren, obwohl ich einräume, dass ich es – es ist ein verharmlosendes Wort – ärgerlich finde, was die Antragsteller in Gestalt von Linksfraktion und Frau Öztürk mit diesem Antrag veranstalten.

„Ärgerlich“ ist etwas sehr zurückhaltend formuliert. Frau Öztürk, makaber ist nicht, dass die Bundesregierung reagiert und gesagt hat, in der heutigen Situation diesen Abschiebeflug nicht durchführen zu können – makaber ist das, was Sie hier veranstalten, indem Sie die Opfer dieses Anschlags als Vehikel benutzen,

(Janine Wissler (DIE LINKE): So ein Quatsch! Unsinn!)

um, wie seit Monaten immer wieder, endlich einen Punkt gefunden zu haben, mit dem Sie dieses Thema erneut – –

(Beifall bei der FDP und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist auch etwas ganz Neues, dass es Anschläge in Afghanistan gibt! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Frau Kollegin Wissler, wenn es eines Beweises bedurft hätte, dann wäre es Ihre Rede gewesen, die außer den einleitenden Worten überhaupt nichts mit der heutigen Situation und dem heutigen Vorfall zu tun hatte. Vielmehr haben Sie das wiederholt, was Sie uns hier immer wieder erzählen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Widerspruch bei der LINKEN)

Der zweite Beweis, den Sie geleistet haben, ist, dass Sie den Antrag nicht zurückgezogen haben, nachdem er sich durch das Handeln der Bundesregierung erledigt hat.

(Zuruf – Holger Bellino (CDU): Ich hatte darum gebeten! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Deswegen will ich in der Sache nur in aller Kürze erwidern: Der Vollzug von Abschiebungen – auch das haben wir hier schon mehrfach erörtert – ist eine Konsequenz aus einem rechtsstaatlichen Verfahren. Dieser Rechtsstaat zeigt sich auch darin, dass er seine Entscheidungen letztlich vollzieht.

Die Beurteilung der konkreten Situation, und ob es dort eine Situation gibt, die dem entgegensteht, ist Sache der Bundesregierung. Dort haben wir bis heute keine veränderte Einschätzung bekommen. Aktuell ist der Abschiebeflug heute ausgesetzt worden, das ist richtig. Ich habe es eingangs schon gesagt, das ist eine richtige Entscheidung der Regierung gewesen. Aber es ändert nichts an der grundlegenden Situation,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Na klar!)

dass ein Anschlag kein Grund dafür ist, die Politik grundsätzlich zu verändern.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Es ist doch nicht nur ein Anschlag! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Frau Kollegin Wissler, es ist nicht nur ein Anschlag, sondern wir haben weltweit mit diesen Problemen zu kämpfen. Es gibt nicht nur den Anschlag in Kabul. Es gab einen Anschlag in Manchester, es gab einen in Berlin, es gab einen in Paris, falls Sie das vergessen haben sollten.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Frankreich mit Afghanistan zu vergleichen, das ist schon ein bisschen lächerlich!)

Es gibt immer wieder neue Anschläge, und das kann nicht das Kriterium sein, mit dem Sie hier Ihre politischen Süppchen kochen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Gegenruf von der CDU: Lassen Sie ihn doch einmal ausreden!)

Das kann sie nicht.

Einen Moment, Kollege Greilich. – Meine Damen und Herren, das geht jetzt ein bisschen über Zwischenrufe hinaus. Ich darf Sie bitten, in der vernünftigen Aufmerksamkeit dem Redner zuzuhören.

(Holger Bellino (CDU): Bisher waren wir alle vernünftig!)