Protocol of the Session on May 30, 2017

Aus meiner Sicht sollte man sich das gut überlegen, wenn man solche Maßstäbe setzt, wie Sie das getan haben. Sie haben über 30 Maßnahmen angesprochen, von denen Sie heute keine einzige auch nur tangiert haben. Wichtige Bereiche, die Sie ganz konkret herausfordern und die uns als Landesgesetzgeber ganz konkret herausfordern, haben Sie in dieser Regierungserklärung mit keinem Ton erwähnt. Wenn Sie so an dem Thema vorbeireden, müssen Sie sich auch eine harte Kritik gefallen lassen. Wenn Sie dieses wichtige Thema heute auf die Tagesordnung setzen und in Worthülsen und klein gemachten Projekten über dieses Thema reden, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn Sie aus dem Hessischen Landtag so eine Antwort erhalten. Das war viel zu wenig, das war nicht einmal das Problem erkannt und beschrieben. Keiner Ihrer Vorschläge ist hinreichend, um diese Herausforderung anzugehen. Lieber Herr Minister Grüttner, da muss deutlich mehr kommen, und da muss die Hessische Landesregierung noch deutlich nacharbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Danke, Herr Rock. – Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Klaff-Isselmann zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, dieses Land war völlig verwüstet, kein Stein stand mehr auf dem anderen, nichts funktionierte mehr. Das war das Jahr 1945. Ab diesem Zeitpunkt begannen gerade auch junge Menschen, viele Frauen und daheim gebliebene oder bereits zurückgekehrte Männer, die Trümmer zu beseitigen und unser Land wieder aufzubauen. Sie arbeiteten hart – so hart, dass sie uns zum sogenannten Wirtschaftswunder in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts geführt haben.

Die jungen Menschen von damals, das sind unsere Vorfahren, unsere Eltern, Mütter, Väter, Großeltern. Wir sind ihnen sehr dankbar für ihre großartigen Leistungen von einst. Auch aus diesem Grund sind wir verpflichtet, das alltägliche Leben unserer älteren Mitbürger, unserer Mütter und Väter, mit aller Kraft gut zu gestalten und mit den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ideenreich zu fördern.

Wir liefern die Rahmenbedingungen für einen würdevollen selbstbestimmten Lebensabend. Dazu gehört, dass wir auf die Bedürfnisse unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger eingehen, ihnen zuhören, sie verstehen und umsetzen, was sie benötigen. So können wir sie in ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit abholen und unterstützen. Ich denke, nein, ich weiß, dass die hessische Sozialpolitik genau dies tut und dies selbstverständlich immer noch zu verbessern bereit und in der Lage ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ältere Menschen haben nach wie vor eine wichtige Stimme, und das nicht nur als Wählergruppe mit der höchsten Wahlbeteiligung auf allen Ebenen. Sie verfügen auch über eine Stimme in Gremien, ihren Gremien, um ihre Interessen direkt und selbst zu vertreten, von der Kommune bis zum Bund. Hier spreche ich von Hessen – Frau Alex, hö

ren Sie bitte zu – und z. B. der Landesseniorenvertretung Hessen e. V.; so heißt sie tatsächlich.

Sie ist eine gute Sache, eine wichtige Organisation. Sie ist sowohl Sprachrohr nach außen als auch Ansprechpartner intern für ältere Menschen. Sie bietet Schulungen und Fortbildungen auf allen Ebenen an.

(Unruhe)

Ich finde es übrigens äußerst respektlos, wie Sie sich bei den LINKEN unterhalten, während ich hier eine Rede halte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Mürvet Öz- türk (fraktionslos): Die reden doch gar nicht! – Manfred Pentz (CDU): So sind sie, die LINKEN!)

Die hessische Landesseniorenvertretung bietet Schulungen zu Seniorenthemen, gerade für die inzwischen über 130 örtlichen Seniorenräte, Seniorenbeiräte oder Interessenvertretungen für ältere Menschen. Die Landesseniorenvertretung ist unverzichtbar und nicht wegzudenken in der seniorenpolitischen Landschaft.

(Beifall bei der CDU)

Eines dürfen wir nicht vergessen: Es geht nicht nur um sehr alte Menschen. Wir sprechen, wenn wir über Ältere reden, von Menschen im Alter zwischen 60 und 100 Jahren. Das sind genau genommen zwei Generationen. Dazu gehören die in den Fünfzigerjahren Geborenen ebenso wie die um 1920 Geborenen, jene, die die Nachwehen des Ersten Weltkriegs erlebt und den Zweiten Weltkrieg durchlitten haben. Wir sprechen von aktiven, gesunden Menschen und von Menschen, die auf Hilfe, Unterstützung und Pflege angewiesen sind. Das verdeutlicht, welchen Herausforderungen Seniorenpolitik heute gewachsen sein muss.

Wir reden über sehr verschiedene Lebenswirklichkeiten mit vielfältigen Bedürfnissen. Wer heute 60 Jahre alt ist, steht meist voll im Berufsleben. Erst mit 67 Jahren geht man in Kürze in Rente. Was allerdings bietet der Arbeitsmarkt dem älteren Menschen? Leider ist es heute traurige Realität, dass viele Unternehmen kaum noch Mitarbeiter im Alter von 55 oder 60 Jahren anstellen wollen. Sie verzichten damit ohne Not auf das hohe Maß an Kompetenz und Erfahrungsschatz älterer Menschen. Lieber zahlt man eine hohe Abfindung, als jemanden weiterzubeschäftigen.

Dem Unternehmen geht also nicht nur ein loyaler und erfahrener Mitarbeiter verloren, sondern auch ein Mensch, der mit seinem reichen Wissen die Firma definitiv bereichern könnte. Dies ist ein Zustand, den wir uns nicht wünschen, den wir auch nicht fördern. Im Gegenteil, wir fordern alle Unternehmen auf, sich auch auf Menschen über 50 zu konzentrieren; denn sie werden es ihnen doppelt und dreifach danken. Da können sie sicher sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir alle kämpfen heute mit dem Fachkräftemangel. Wie können wir da auf bewährte Fachleute verzichten? Wo es an der Zeit mangelt, einen jungen Mitarbeiter zu qualifizieren, könnte ein älterer Mitarbeiter die Patenschaft für einen solchen jungen Mitmenschen übernehmen. Ich sehe einen großen Bedarf darin, bestehende Arbeitsstellen anzupassen, sodass dort Jung und Alt gemeinsam arbeiten und voneinander lernen können. Das steigert die Achtsamkeit in Bezug auf die Leistungsfähigkeit Älterer und die Sensibilität im gegenseitigen Umgang.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gilt, die Arbeitsinhalte den Fähigkeiten anzupassen. Glauben Sie mir, ältere Mitarbeiter können noch sehr viel leisten, wenn sie vielleicht nicht als Schaffer, sondern als Lehrende unterwegs sind. Das Projekt „HANDgerecht“ ist hier hilfreicher Ratgeber insbesondere für kleinere Betriebe im Baugewerbe.

Natürlich ist es eine große Herausforderung gerade auch für die Unternehmer. Aber dieses Spannungsfeld gilt es neu zu gestalten. Der Respekt vor den Erfahrungen älterer Mitarbeiter ist es, den wir vermissen. Eine persönliche Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters zu erkennen und zu gestalten, lässt ihn zum Gewinn aller werden.

Es gehört selbstverständlich dazu, dass alle Möglichkeiten der gesundheitlichen Prävention außerhalb und zunehmend auch innerhalb des Unternehmens getroffen werden. Arbeitsschutz ist Pflicht im Betrieb. Hier steht die Politik an der Seite der Mitarbeiter wie auch der Unternehmer.

Die Wissens- und Praxisplattform „Beschäftigungsfähigkeit“ wird in Kürze umfassende und systematische Informationen zum Thema attraktive, sichere und gesunde Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Wer seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine sichere Umgebung bietet, der profitiert von leistungsbereiten und motivierten Angestellten, auch im Alter.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ältere Menschen sind im gesellschaftlichen Leben und für dessen Gelingen unersetzbar. Sie sind nicht wegzudenken. Was wären sozialer Zusammenhalt, Sport und Kultur ohne den unentgeltlichen Einsatz der älteren Generation? Ehrenamtlichkeit wird bei den Älteren großgeschrieben und ist für sie gewissermaßen selbstverständlich. Das müssen wir immer wieder hervorheben, loben und mit Dank versehen.

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die reiche Lebenserfahrung Älterer zu nutzen und ihren unermüdlichen Einsatz zu fördern. Zu diesem Zweck helfen die vom Land unterstützten Freiwilligenagenturen beim Zusammenführen von Helfern und Vereinen oder Organisationen, die der Unterstützung bedürfen. Als Mittler von Interessen agieren sie nach dem Motto: Hier wird zusammengeführt, was zusammenkommen will und zusammenkommen kann. – Es ist für alle eine Win-win-Situation.

Was aber macht Seniorenpolitik heute noch aus? Es ist unter anderem das Unterstützen von bürgerschaftlichem Engagement. Es ist das Ermöglichen von persönlichem Mitgestalten vor Ort, und es ist das Sicherstellen der Selbstbestimmtheit eines jeden Menschen.

In vielen Städten wachsen sozialraumbezogene Initiativen zur Entwicklung seniorenfreundlicher Strukturen. Vom Land Hessen initiiert, gibt es die Familienzentren und Mehrgenerationenhäuser. Die sind Ihnen allen wohlbekannt. Nachbarschaftstreffs sind nicht nur Orte, um sich auszutauschen. Sie sind auch hervorragende Kontaktbörsen für gemeinsame Unternehmungen, vom Theaterbesuch bis zum Wandern. Vor allem tragen sie zu etwas Wichtigem bei: Sie vermeiden das Aufkommen von Isolation und Einsamkeit, einer Geißel vieler älterer Menschen.

Auch können dort ältere Menschen ihre Talente anbieten und nützlich einsetzen. Wissen und Können finden hier Anwendung. Warum sollen Ältere nicht Nachhilfe geben oder Begleitung beim Start in die Erwerbstätigkeit leisten?

Oder warum nicht eine Dienstleistung anbieten, vom Reparieren bis zum Rasenmähen? Warum nicht einen Großelterndienst oder eine Einkaufshilfe errichten? Hier bieten sich mannigfaltig Möglichkeiten, die dann sicher auch genutzt werden.

Das ist Miteinander und Füreinander der Generationen und Kulturen im großen Stil. All das geschieht bereits in unseren Städten oder ist im Aufbau begriffen. Denn Integration und soziale Kompetenz lassen sich im freiwilligen Miteinander besonders anschaulich lernen und herstellen. Niemand darf es dem Zufall überlassen, wie sich unsere Zukunft entwickelt. Alle sind Teil des Gestaltens. Es ist das Engagement aller, welches die Qualität unseres Miteinanders gestaltet.

Werte Kolleginnen und Kollegen, die meisten Menschen wünschen sich, Wurzeln schlagen zu können und in ihrer eigenen, vertrauten Umgebung zu leben. So geht es auch den älteren Menschen. Der Begriff Heimat ist hier zutreffend. Er beschreibt genau dieses Lebensgefühl.

Die Seniorenpolitische Initiative des Landes Hessen hat die Broschüre „Wohnen in Hessen – gemeinschaftlich und generationenübergreifend“ angestoßen und realisiert. Wohnen im Alter heißt: wohnen bleiben im Quartier. Man möchte so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden verweilen. Denn wer lässt sich schon gerne entwurzeln?

Wir freuen uns doch über eine gewohnte Umgebung, bekannte Gesichter und Freunde. Das ist es, was Lebensqualität ausmacht. Damit Bewährtes auch bestehen kann, gibt es Möglichkeiten, das eigene Zuhause entsprechend anzupassen. Sie alle kennen die vom Land Hessen geförderte Fachstelle für Wohnberatung in Kassel. Hier werden auch Personen ausgebildet, die Wohnberatung vor Ort vornehmen. Man kann seine Wohnung umgestalten lassen zu einer seniorengeeigneten Umgebung, die möglichst barrierefrei ist. Auch hier erhält man Unterstützung mit Rat, Tat und gegebenenfalls auch finanziell.

Darüber hinaus sind die sogenannten Senioren-WGs, das Mehrgenerationenwohnen oder die Bildung von Genossenschaften neue Wohnformen, die sich einer wachsenden Beliebtheit erfreuen. Sie fördern das gemeinsame Geben und Nehmen.

Wer aber nicht um persönliche Unterstützung und Pflege herumkommt und auf professionelle Hilfe angewiesen ist, für den stehen auch kleinere ambulante Wohneinheiten zur Verfügung. Der Weg dahin wurde in Hessen gerade gesetzlich geregelt.

Das Alter hat aber nicht nur die erwähnten Sonnenseiten. Nicht selten kommt hinzu, dass der Körper oder gar der Geist nicht mehr so mitspielt, wie man es einst gewohnt war und wie man es für selbstverständlich hält.

Auch dem wichtigen Thema der Pflege widmen wir uns erfolgreich. Für uns hat die Pflege in der Familie und unter Freunden einen hohen Stellenwert. Für viele ist sie selbstverständlich und wird in den meisten Fällen zu Hause geleistet. Jedoch bedeutet diese aufopferungsvolle Hingabe eines Menschen an seine Eltern oder Verwandten, die nicht selten über einen langen Zeitraum hinweg geleistet wird, ein hohes Maß an Belastung – übrigens für alle Beteiligten.

Nach der Erziehungsleistung für die eigenen Kinder sind im Wesentlichen Frauen faktisch ein weiteres Mal von dieser Fürsorge betroffen, gerade wenn es darum geht, die Erwerbsbiografie zu gestalten, oft genug auch zu unterbre

chen. Neben der physischen und psychischen Belastung kommen dann noch Einschränkungen im Finanziellen und in der beruflichen Entwicklung hinzu.

Hier sollen das Pflegegeld sowie ein Anerkennungswert für die Rente Abhilfe schaffen. Die Pflege ist ein gern geleisteter Dienst, ein Dienst an der Gesellschaft. Die Pflege wird aber von der Gesellschaft nicht ausreichend anerkannt, ob im Privaten oder im Beruf. Auch hier gilt es, Dank zu sagen, Danke für diese großartige Arbeit, die so viele Menschen freiwillig und unentgeltlich leisten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dennoch bleibt etwas zu tun. Die hessische Initiative „Beruf und Pflege vereinbaren“ wurde ins Leben gerufen. Die Charta zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sensibilisiert viele Unternehmer, gerade bei diesem Thema tätig zu werden. Es geht dabei um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

In Hessen gibt es dankenswerterweise ausreichend viele stationäre Pflegeeinrichtungen. An dieser Stelle möchte ich zumindest die Pflegeleistung in der ambulanten oder stationären Hospizbegleitung erwähnen.

Die Pflegeberufe müssen natürlich noch weiter aufgewertet werden. Gerade für jüngere Menschen müssen sie noch deutlich attraktiver gestaltet werden. Das Land Hessen wirkt mit, der Pflegeausbildung einen neuen Rahmen zu verschaffen, um so mehr Menschen für diesen Beruf zu interessieren. Das ist eine sehr dankenswerte Aufgabe. Man erhält starke positive Rückmeldungen und Dankbarkeit von den Betroffenen.

Derzeit hat die Zahl der Auszubildenden in der Pflege einen aktuellen Höchststand erreicht. Wir rechnen zurzeit mit über 5.300 Anwärterinnen und Anwärtern. Noch vor wenigen Jahren war deren Zahl nur halb so hoch. Es gilt, anzuerkennen, was da in kurzer Zeit geleistet wurde, um deutlich mehr Menschen für diesen Beruf zu interessieren.

Nicht vergessen werden sollten die ehrenamtlichen Pflegebegleiter, die Entlastung für viele pflegende Angehörige bieten. Wir werden dafür Sorge tragen, dass jenen, die sich um die älteren pflegebedürftigen Menschen kümmern, weiterhin viel Anerkennung widerfährt. Unser Hessischer Pflegemonitor ist ein allseits bekanntes Steuerungsinstrument bei der Ausbildungsplanung.

Ich komme langsam zum Schluss meiner Rede und möchte noch auf das Problem der vollen Praxen in den Städten hinweisen sowie auf die schwierige ärztliche Versorgung im ländlichen Raum. Dank des Hessischen Gesundheitspaktes 2.0 können regionale Gesundheitsnetze mit lokalen Gesundheitszentren geschaffen werden. Diese gewährleisten die medizinische Betreuung der Menschen vor Ort.

Natürlich blicken wir auch in die Zukunft. Da werden wir die enorm wichtige und hilfreiche Entwicklung der Telemedizin sowie des E-Health berücksichtigen und fördern, wo es nur geht.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind für alle älteren Menschen da. Mein Respekt vor der Lebensleistung älterer Menschen und der gebührenden Fürsorge für sie ließen mich meine Worte ohne kabarettistische Einlage finden. Mein Respekt vor der Lebensweisheit meiner Großmutter ließ mich deren Satz „Hochmut kommt vor dem Fall“ verinnerlichen.