Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ende des vergangenen Jahres sah es noch so aus, als würde die große Pauschale, also das, was das Land den 26 Gebietskörperschaften nach dem Landesaufnahmegesetz für die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen zahlt, reduziert werden. Erich Pipa, der Präsident des Landkreistages, hatte ja entsprechende Pläne der schwarz-grünen Landesregierung bekannt gemacht. Nun treten die befürchteten Mittelkürzungen also nicht ein. Das ist gut zu wissen. Was wir aber nicht wissen und nicht verstehen, ist der tiefere Sinn dieses Antrags, der uns heute vorliegt.
Ja? – Hier klopfen sich die Regierungsfraktionen gegenseitig auf die Schultern, weil sie ihren ursprünglichen Plan, die Flüchtlingspauschale abzusenken, nun doch nicht realisiert haben. Ich hätte die Jubelstimmung noch verstanden, wenn sich die finanzielle Ausstattung der Kommunen wirklich substanziell verbessert hätte. Aber das sehe ich nicht. Meine Damen und Herren, die sogenannte große Pauschale ist eine politische Pauschale, die sich nicht am tatsächlichen Bedarf der Kommunen orientiert. So hat etwa der Landkreis Hersfeld-Rotenburg im Jahr 2016 für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Geflüchteten 9,1 Millionen € ausgegeben, bekam vom Land aber nur 8,5 Millionen € erstattet. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel, den Landkreis Kassel. Dieser hat 35,4 Millionen € ausgegeben und blieb auf 6 Millionen € sitzen. Nun ist es ja nicht so, dass die Kreise solche Mehrkosten einfach wegstecken könnten, meine Damen und Herren.
An den Kosten für die soziale Betreuung anerkannter Flüchtlinge, die Hartz IV beziehen, beteiligt sich das Land nunmehr mit 120 € im Monat, das ist eine Steigerung um 90 €. Das ist mehr als zuvor. Aber diese kleine Pauschale deckt nicht die Kosten, die entstehen, wenn Integrationskurse und eine gute Unterstützung für die berufliche Eingliederung geleistet werden sollen. Für die Jobcenter ist der Arbeitsaufwand bei dieser Gruppe wesentlich höher als für andere Gruppen von Hartz-IV-Empfängern. Auch die Kosten für die Kitas beispielsweise bleiben bei den Kommunen hängen. Die Absenkung des Grenzbetrags bei den Gesundheitskosten um 226 € auf jetzt noch 10.000 €, die zu zahlen sind, ist auch keine substanzielle Entlastung für die Kommunen.
Frau Kollegin, einen Augenblick, bitte. Wir sind ein Parlament, aber kein Parlament zum allgemeinen SchwätzchenHalten. Meine Herren da hinten, ich darf Sie bitten, Ihre Gespräche einzustellen. Auch ansonsten bitte ich um mehr
Gerade bei der Gruppe der anerkannten Flüchtlinge, die immer größer wird und für die die große Pauschale nicht mehr gilt, wäre ein größeres Engagement des Landes erforderlich.
Meine Damen und Herren, völlig unberücksichtigt bleiben die Vorhaltekosten der Kommunen für die Gemeinschaftsunterkünfte. Viele Kommunen haben mit Betreibern mehrjährige Verträge für die Unterbringung von Geflüchteten abgeschlossen. Die Flüchtlingszahlen sind aber gesunken, und die Kommunen zahlen nun für die Plätze, die sie nicht belegen können. Das Land sollte diese Kosten nicht den Kommunen aufbürden.
Wir sind der Ansicht, dass die Kommunen eine finanzielle Ausstattung brauchen, die sich einerseits an den tatsächlichen Kosten orientiert und andererseits verbindliche menschenrechtliche Mindeststandards erfüllen muss.
Was wir auch vermissen, ist eine Unterstützung von Kommunen im ländlichen Raum. Warum unterstützt das Land denn die Kommunen nicht mit strukturpolitischen Investitionen, die das Landleben attraktiv machen? Wäre das nicht ein besserer Ansatz für die Integration von Geflüchteten, als sie mit Wohnsitzauflagen aufs Land zu zwingen?
Außerdem wäre auch ein Konjunkturprogramm für ländliche Regionen für alle Bewohnerinnen und Bewohner, nicht nur für die Geflüchteten, nützlich. Damit würden auch die Akzeptanz und Integration der Neuhessinnen und Neuhessen wesentlich erhöht werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eben die Rede davon gewesen – ich glaube, es war der Kollege May –, Anträge würden immer nur Selbstverständlichkeiten enthalten. Wenn man sich in diesem Landtag nur mit den Anträgen befassen würde, die tatsächlich in die Zukunft gerichtet sind, und nicht mit denen, in denen sich die Landesregierung selbst lobt, dann wären wir auch schon einen Schritt weiter und könnten ein Leben herrlich und in Freuden leben. Das will ich aber jetzt nicht vertiefen.
Meine Damen und Herren, was wir vor uns haben, ist nicht wirklich ein Beispiel dafür, wie Kommunen und Land ganz besonders partnerschaftlich miteinander umgegangen wären. Man könnte sagen, das, was wir vor uns haben, ist das Ergebnis eines Kuhhandels, bei dem man nicht so ganz ge
nau weiß, wer am Schwanz und wer an den Hörnern gezogen hat. – Mein Kollege Herr Roth hat mich eben darauf hingewiesen, dass die entscheidende Stelle bei der Kuh sowieso der Euter ist.
Es ist also die Frage, ob so viel dabei herausgekommen ist. Wie auch immer, nach dem doch vernehmbaren Knirschen und Murren aus den Kommunen hinter und vor den Kulissen ist nun ein Kompromiss herausgekommen, von dem sich erst noch weisen wird, ob er tatsächlich bedarfsdeckend ist.
Ich habe schon einmal in einer Haushaltsberatung gesagt, dass wir an dieser Stelle nicht klüger sein wollen und nicht klüger sein können als die Kommunen. Es wird sich weisen, ob die Kommunen damit auskommen oder ob sie das nicht tun werden. Wenn sie es nicht tun werden, werden wir es hier erneut zu diskutieren haben. Deswegen will ich zu dem ganzen Prozess, der dazu und auch zu der Höhe der Pauschalen im Einzelnen geführt hat, nichts sagen.
Ich glaube, dass die Aufgabe bei der reibungslosen Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen, im Übrigen auch mit den Wohlfahrtsverbänden, den ehrenamtlichen Initiativen, den Arbeitsagenturen, den Jobcentern und den vielen anderen in der alltäglichen Praxis mit den vielen alltäglichen und grundsätzlichen Problemen der 85.000 Menschen, die in den Jahren 2015/2016 nach Hessen gekommen sind, auf eine andere Ebene gestellt werden muss. Wir müssen diese Zusammenarbeit optimieren. Das gilt für die Schulen und für die Kindertagesstätten.
Ich will z. B. nur die Probleme der Betreuung von Flüchtlingskindern im Pakt für den Nachmittag ansprechen. Ich habe das vorhin schon einmal angesprochen, als wir über Kinderarmut gesprochen haben. Das gilt für die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe. Ich höre täglich die Berichte aus der realen Alltagspraxis von Schulen, wie schwer es als Lehrerin oder Lehrer oder Schulleiterin bzw. Schulleiter ist, die einzelfallbezogene Zusammenarbeit mit den Jugendämtern, die ihrerseits an der Grenze bzw. über der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit sind, zu organisieren.
Es wird entscheidend darauf ankommen, dass es uns gelingt, endlich die psychosoziale Betreuung der Menschen, insbesondere der Kinder, zu organisieren und ins Laufen zu bringen. Das sind die Punkte, die dem Schulerfolg und dem Lernerfolg der Kinder noch stärker im Wege stehen als die Hürde der Sprache. Wir wissen, dass sich in vielen Fällen die beiden Faktoren, nämlich Probleme beim Spracherwerb und der gesundheitliche Status – insbesondere der psychische Status vieler Kinder, aber auch vieler Eltern, die dann als Ressource zur Lösung dieser Probleme ausfallen –, gegenseitig potenzieren.
Das sind die Probleme, mit denen wir uns herumzuschlagen haben werden. Deswegen ist es an der Zeit, Foren der Auseinandersetzung zu schaffen, die andere Themen ansprechen und vielleicht nicht so sehr auf Großgruppen angelegt sind, wie wir das bei den Flüchtlingsgipfeln in der Vergangenheit hatten. Eine vertiefte fachliche Diskussion über reale Probleme mit den Fachleuten ist angezeigt.
Das hat sich für uns auch sehr deutlich bei unserer eigenen Anhörung gezeigt. Das ist auch schon einmal berichtet worden. Damals ist über die realen Probleme im Zusammenhang mit dem InteA-Programm diskutiert worden.
Lassen Sie mich noch einen grundsätzlichen Satz sagen. Die Tatsache, dass wir hier im Verhältnis zu 2015/2016 in
einer relativ entspannten Situation reden können, hat damit zu tun, dass wir diese relative Entspanntheit durch die Abschottung der EU-Außengrenzen gekauft haben. Die einzige Ausnahme, in der Menschen im größeren Umfang in die Bundesrepublik kommen konnten, war der Spätsommer/ Herbst 2015. Diese Möglichkeit gibt es heute nicht mehr. Deswegen geht das Sterben an den Außengrenzen weiter.
Herr Kollege Utter hat in der Debatte über Europa dankenswerterweise darauf hingewiesen. Ich will das wiederholen. Das, was wir im Moment als Vorteil erleben, ist mit dem Leben der Menschen vor der libyschen Küste und vor der türkischen Küste erkauft. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der großen Herausforderung der vielen Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, waren nicht nur das Land und der Bund beschäftigt, sondern diese Herausforderung hatten vor allem die Gemeinden und Kommunen zu schultern. Dort sind die vielen Flüchtlinge gelandet, wenn sie aus den Erstaufnahmeeinrichtungen zugewiesen worden sind. Dort beginnen die Prozesse des Spracherwerbs und der beruflichen Integration.
Die Gemeinden und die Kommunen hatten diese Herausforderungen zu schultern. Ich denke, es war mehr als recht und billig, dass wir die Pauschale und die geldwerten Entlohnungen dafür im Landesaufnahmegesetz vor einem Jahr erhöht haben.
Mit dieser Erhöhung konnten die real anfallenden Kosten vor Ort in den Gemeinden bezahlt werden. Das war richtig und wichtig. Es war auch eine großartige und fantastische Leistung finanzpolitischer Art, diese Pauschalen zu erhöhen. Dadurch wurde tatsächlich die Aufnahme in den Kommunen und Gemeinden verbessert bzw. ermöglicht.
Aber es war nicht selbstverständlich, dass diese Pauschale so schnell von dieser Landesregierung erhöht wurde. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass das auf diesem Niveau bleibt. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal die Frage beantworten, warum wir diesen Antrag gestellt haben.
Ich erinnere an den Landesrechnungshof, der gesagt hat, diese Pauschale ist eigentlich zu großzügig bemessen. Sie haben da einmal nachgerechnet. Die Neutralität dieser Institution ist hier unbestritten. Sie haben gesagt, dass sie da einmal nachgerechnet haben und dass diese Pauschale eigentlich viel zu hoch ist. Auf der anderen Seite haben wir nach wie vor noch Kommunen, die sagen, sie sei eigentlich viel zu niedrig.
Deswegen ist es richtig und wichtig gewesen, dass es Verhandlungen zwischen der Landesregierung und den Kommunalen Spitzenverbänden gab, um darüber einen Konsens zu erzielen, welche Pauschalen dieses Jahr in welcher Höhe beibehalten werden. Es war noch wichtiger, eine Einigung herbeizuführen, sodass eine solche Vereinbarung für die Planungssicherheit möglichst lange trägt.
Genau diese Vereinbarung ist zustande gekommen. Die Landesregierung hat über Wochen mit den Kommunalen Spitzenverbänden verhandelt. Sie hat dabei erreicht, dass die Höhe der großen Pauschale erhalten bleibt. Sie hat erreicht, dass das hohe Niveau bis 2020 garantiert bleibt und damit eine gute Integration von Flüchtlingen in den Kommunen gelingen kann.
Sie hat auch unter der kleinen Pauschale, wenn ich das noch sagen darf, die Sozialbetreuung von 30 auf 120 € substanziell erhöht. Auch durch diese Gelder wird die soziale Betreuung noch verbessert werden können. Und sie hat die Übernahme von Gesundheitskosten auf 10.000 € abgesenkt. Man hat also noch einmal finanzielle Verbesserungen für die Kommunen miteinander vereinbart und sie bis 2020 festgeschrieben.
Wenn Sie fragen, warum so ein Antrag kommt, dann will ich Ihnen sagen, dass es eine ganz einfache Antwort gibt: weil das nicht selbstverständlich ist. Natürlich gibt es Menschen, die die Gelder gern woanders ausgeben würden. Es gibt Menschen im Landesrechnungshof, die sagen, die Pauschalen seien zu hoch. Deswegen bin ich auch stolz darauf, dass CDU und GRÜNE und diese Landesregierung es geschafft haben, einen Konsens darüber herzustellen, dass diese auf hohem Niveau bestehenden Pauschalen weiter gezahlt werden, weil wir wissen, dass das ein Schlüssel für eine gute Integration von Flüchtlingen vor Ort ist.
Nichts ist selbstverständlich – weder dass in diesem Landesetat so viele Mittel bereitstehen noch dass die Kommunen diese Arbeit machen und dafür entlohnt werden. Deshalb von dieser Stelle aus zum Abschluss noch einmal ein Dank nicht nur an die Landesregierung und die Spitzenverbände, die das verhandelt haben, sondern unseren Dank und hohe Anerkennung auch an die Kommunen, wo jeden Tag tatsächlich diese reale Integrationsarbeit mit Flüchtlingen geleistet wird. Diese Pauschale, die wir auf drei Jahre vereinbart haben, macht das möglich. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir erinnern uns alle noch an die schwierigen Tage, als Tausende von Menschen nach Hessen kamen.
Ich muss Sie unterbrechen, weil es hier sehr laut ist. Komischerweise ist das immer donnerstags abends der Fall. Vielleicht hat das etwas mit der Uhrzeit zu tun. Bitte, Herr Rock hat allein das Wort. Alleine. – Halt, ich sehe noch Leute reden. Jetzt müssen Sie bitte einmal Ruhe halten. Ich bitte um Ruhe. – Danke schön.