Meine Damen und Herren, die Fachwelt ist sich in weiten Teilen aber darüber einig, dass die gezielte Rechtschreibarbeit Bestandteil des Schriftspracherwerbs sein muss und auch bei der alphabetischen Strategie nicht außen vor bleiben darf.
Umstritten ist allein der Weg dorthin. Deshalb ist es wichtig, wie wir es in Hessen getan haben, dass wir die Bildungsziele und die zu erwerbenden Kompetenzen bereits für die Grundschule sehr genau in den Bildungsstandards und in den hessischen Kerncurricula für die Primarstufe Deutsch klar formuliert haben und dass wir auch dafür sorgen, dass die Vermittlung entsprechend diesen Bildungsstandards gewährleistet wird.
An dieser Stelle will ich nur auf den Inhalt dieser Anfrage verweisen, weil ich zum Ende kommen muss und will. Die Vermittlung und die Anwendung von richtiger Rechtschreibung sowie von Grammatik und einer ordentlichen Handschrift dürfen nicht nur auf den Grundschulen beschränkt sein. Das muss auch an den weiterführenden Schulen ein Thema sein. Es gibt noch viele Punkte, die ich ansprechen könnte, wenn ich noch Zeit hätte. Wir werden den Antrag aber im Ausschuss weiter beraten. Da kann man das noch im Einzelnen tun.
Ich fasse zusammen: Sprache ist der Schlüssel zur Bildung. Das ist die Grundlage von allem. Aus diesem Grunde ist auch dieser Antrag zu unterstützen. Wir sollten uns im Ausschuss noch einmal sehr genau mit den Einzelheiten befassen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich inhaltlich auf den Antrag eingehe, möchte ich zwei Grundannahmen formulieren.
Ich gehe davon aus, dass hier im Haus Konsens darüber besteht, dass Lehrkräfte an hessischen Schulen eine hervorragende Arbeit leisten, obwohl ihre Arbeitsbedingungen nicht immer optimal sind.
Des Weiteren gehe ich davon aus, dass Konsens darüber besteht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kultusministerium unabhängig von politischen Mehrheiten und Schwerpunktsetzungen bei der Erarbeitung und Überarbeitung von Lehrplänen und Curricula eine verantwortungsvolle Arbeit leisten und dass diese Vorgaben eine gute Grundlage für eine auf Bildungserfolg ausgerichtete pädagogische Arbeit an hessischen Schulen sind.
Deshalb erlauben Sie mir die Aussage: Ich finde den Antrag teilweise schon etwas skurril. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Sie entweder den Kultusbeamten oder den Lehrerinnen und Lehrern nicht zutrauen, entsprechend den Vorgaben Unterricht so zu gestalten, dass Kinder und Jugendliche optimal unterrichtet und gefördert werden.
Beim Antrag geht es um Rechtschreibung und Leseverständnis. Das Leseverständnis ist bei diesem Antrag schon herausgefordert worden. Einige Punkte dieses Antrags, insbesondere der erste Punkt, sind so selbstverständlich, dass sie eigentlich keines Antrags bedürfen. Wenn Sie schreiben, das Lesen und das Schreiben seien die Schlüsselkompetenzen für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn, dann kann ich nur sagen: Schön, das Ihnen das auch schon aufgefallen ist.
Ich hätte erwartet, dass Sie inhaltliche Vorschläge machen, wie die Arbeit an den Grundschulen verbessert werden könnte, und zwar so, dass auch bezüglich der Rechtschreibung bessere Ergebnisse erzielt werden. Ich glaube, darum geht es Ihnen aber gar nicht. Wenn man nämlich weiterliest, entsteht der Eindruck, dass es Ihnen nicht um eine Verbesserung der Arbeits- und Unterrichtsbedingungen an den Grundschulen geht, sondern dass Sie von den schulpolitischen Versäumnissen der Landesregierung ablenken wollen. Statt sich mit den Verantwortlichen zusammenzusetzen und intensiv zu überlegen, was sich verändern muss, um bessere Ergebnisse zu erzielen – wir haben in der Vergangenheit oft Debatten darüber geführt –, üben Sie noch mehr Druck auf die Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen aus. Das halte ich für nicht gerechtfertigt.
Obwohl Sie es nicht explizit formulieren – Herr Greilich hat es schon gesagt –, ist zu vermuten, dass es Ihnen darum
geht, das didaktische Methodenkonzept des Lesens durch Schreiben zu diskreditieren. In der Vergangenheit wurden und auch jetzt werden maximal 1 % der Schüler nach der Reinform dieses Methodenkonzepts unterrichtet.
Wenn Sie die scheinbar schlechter werdenden Rechtschreibleistungen heranziehen, um dieses Konzept zu diskreditieren, dann sollten Sie sich einmal intensiv mit Studien von Unterrichtswissenschaftlern auseinandersetzen. Alle ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass gute Rechtschreibleistungen von Schülern in den Sekundarstufen nicht davon abhängen, nach welcher Methode sie zu schreiben und zu lesen gelernt haben, sondern dass es vielmehr von der Unterrichtsgestaltung und somit auch von den einzelnen Lehrern abhängt. Das hat beispielsweise die oft zitierte Hattie-Studie nachgewiesen.
Es ist unstrittig und wird immer wieder festgestellt, dass eine individuell-adaptive Unterrichtspraxis, die den sehr heterogenen Voraussetzungen von Schulanfängern besser gerecht wird, Grundvoraussetzung für einen besseren Schriftspracherwerb ist. Angesichts der Zusatzaufgaben, die in den vergangenen Jahren an die Grundschullehrkräfte herangetragen wurden, hätte ich erwartet, dass Sie Vorschläge machen, wie diese Lehrkräfte entlastet werden können.
Ich befürchte, dass Sie mit diesem Antrag und mit dem, was Sie darin fordern, den Druck auf die Grundschulpädagogen noch weiter erhöhen, statt ihnen mehr Zeit für ihre pädagogische Arbeit zu geben.
Statt die Hilferufe, statt die Überlastungsanzeigen ernst zu nehmen, versuchen Sie, diese Lehrkräfte zu Sündenböcken einer verfehlten Bildungspolitik zu machen.
Ich kann Ihnen auch an dem Punkt zustimmen, dass es immer noch zu viele Kinder und Jugendliche gibt, die nicht gut genug lesen und rechtschreiben können. Jedoch tragen Vorurteile auch dazu bei, dass wir nicht ernsthaft über Verbesserungsmöglichkeiten reden, sondern eine politische Debatte führen, die letzten Endes nicht zu wirklichen Verbesserungen beiträgt.
Wenn man sich das Curriculum für das Fach Deutsch in der Grundschule oder die Lehrpläne für die Grundschule anschaut, dann stellt man fest, dass sich Fachleute darüber Gedanken gemacht haben. Ich würde mir als Bildungspolitikerin nicht anmaßen, in Curricula oder in Lehrpläne hineinzuregieren und denen, die sich im Kultusministerium aus der Praxis heraus Gedanken machen, wie politische Vorgaben umgesetzt werden können, zu sagen, wie es anders zu gestalten wäre.
Es wäre ehrlicher gewesen, wenn Sie in Ihrem Antrag geschrieben hätten, dass der bisherige Ansatz des Lesen- und Schreibenlernens durch das Fibel-Lernen ersetzt werden soll, weil Sie der Auffassung sind, dass dieser methodische Ansatz dem anderen überlegen ist. Dieser Ansatz berücksichtigt aber die Heterogenität in der Schülerschaft nicht. Mittlerweile ist es doch so, dass bereits zum Zeitpunkt der Einschulung eine Entwicklungsdifferenz von drei Jahren unter den Schülerinnen und Schülern besteht. Daher wäre es weitaus wichtiger, einmal darüber zu diskutieren, ob unser Schulsystem mit seiner Tradition des gleichschrittigen Lernens dem unterschiedlichen Lerntempo und den unter
Mit Ihrem Antrag verhindern Sie diese Debatte, die wir auch in der Enquetekommission hätten führen können und führen sollen. Das wäre ein weitaus sinnvolleres Vorgehen für eine Verbesserung der Qualität des Unterrichts an den Grundschulen gewesen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Antrag betreffend den Erwerb von Rechtschreib- und Lesekompetenz im Fach Deutsch könnte zwar wichtig sein, aber dieser Antrag der Koalition ist mehr als nichtssagend. Trotz mehrfachen Lesens ist mir weder der Grund für den Antrag noch seine Intention klar geworden.
Ich weiß gar nicht, worüber wir hier reden. Meinen Sie ernsthaft, Sie müssten die Bedeutung der Basiskompetenzen Lesen und Schreiben heute hervorheben? Gibt es denn ernst zu nehmende Bedenken, dass irgendjemand diese Bedeutung bestreiten könnte und in den Schulen der Stellenwert von Lesen und Schreiben unterbewertet wird? Meinen Sie, dass die Grundschullehrkräfte ihren Auftrag nicht ernst nehmen und das korrekte Schreiben nicht systematisch mit ihren Schülerinnen und Schülern erarbeiten? Oder haben Sie vielleicht festgestellt, dass die Lese- und Rechtschreibkompetenzen so schlecht sind, dass Sie jetzt dringend eine Offensive starten müssen? Was wollen Sie also mit diesem Antrag, in dem überwiegend Allgemeinplätze vorkommen?
Meine Damen und Herren, aus diesem Antrag könnte man vielleicht herauslesen, dass Sie sich in die didaktisch-methodische Auseinandersetzung um die beste Art der Vermittlung von Lese- und Rechtschreibkompetenz einmischen wollen. Das könnte vielleicht sinnvoll sein. Aber dann sollten Sie die Anforderungen, die Sie in den Kerncurricula stehen haben wollen, deutlich benennen. Wollen Sie festlegen, dass in der Grundschulzeit die Handschrift gelehrt werden soll und nicht zu früh digitale Medien eingesetzt werden sollen? Wenn das so ist, dann sagen Sie es doch einfach.
In Ihrem Antrag führen Sie außerdem die Reichen-Methode an, deren Anlauttabelle Sie zur Verwendung innerhalb eines pädagogischen Konzepts für sinnvoll erachten. Danach geht es aber völlig gegensätzlich und unklar weiter. Wollen Sie diese häufig kritisierte Methode aus den Schulen verbannen, oder wollen Sie sie hervorheben? Oder wollen Sie darauf hinweisen, dass der Schulaufsicht die
Ich finde, es wäre dringend notwendig, in einem solchen Antrag darauf hinzuweisen, dass die Alphabetisierung von Kindern nicht allein auf eine Methode reduziert werden kann. Jedes Kind lernt anders, und der Erfolg einer Lehrmethode ist bei unterschiedlichen Klassen und Schülern unterschiedlich groß. Das sollte auch in den Lehrplänen Berücksichtigung finden.
Es gibt Studien für den deutschsprachigen Raum, die zeigen, dass der traditionelle Fibel-Unterricht gerade bei leistungsschwächeren Schülern die besseren Ergebnisse hervorbringt. Es gibt aber auch Befunde, die die Überlegenheit des freien Schreibens nahelegen und wonach Kinder in den ersten beiden Schuljahren die Rechtschreibung zwar schlechter beherrschen, sich diese Unterschiede bis zum Ende der 4. Klasse aber auflösen.
Die Alphabetisierung muss dann natürlich in ein reformpädagogisches Konzept eingebunden sein, das zumindest in der Grundschulzeit gänzlich auf Ziffernnoten verzichtet; denn hier liegt der eigentliche Bruch: Die Kinder lernen in der 1. und 2. Klasse nach der Reichen-Methode das Lesen und Schreiben, haben dann aber keine Zeit, ihre Kompetenzen zu festigen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Notengebung einsetzt, sollen sie die Wörter – beispielsweise in einem Diktat – auf einmal korrekt schreiben können. Das kann nicht funktionieren.
Dazu sagt Ihr Antrag aber nichts. Ihr Antrag bleibt vage und unkonkret. Warum schreiben Sie denn nicht, welches Konzept – oder welche Konzepte – Sie sich für die Alphabetisierung in hessischen Schulen vorstellen?
Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich Sie ermuntern, das wichtige Thema Schriftspracherwerb wirklich ernsthaft in Angriff zu nehmen. Formulieren Sie, wie Sie lese- und rechtschreibschwache Kinder fördern möchten. Machen Sie Konzepte dafür, wie Sie den Kindern gerecht werden möchten, die mehrere Sprachen sprechen. Eine andere Sprache ist für den Bildungserwerb nämlich auch ausreichend. Erarbeiten Sie einen Kompetenzrahmen für die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, und lassen Sie Ihre zukünftigen Konzepte in Universitäten wissenschaftlich begleiten. Dann kommt vielleicht etwas Sinnvolles dabei heraus. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ein bisschen enttäuscht darüber, mit wie wenig Ernsthaftigkeit die Kollegin Faulhaber, aber auch die Kollegin Hartmann an das Thema herangegangen sind. Ich finde, sie hätten sich, was die Reihen der Opposition betrifft, ein Vorbild an Herrn Kollegen Greilich nehmen sollen, der sich dem Thema sehr sachlich genähert hat.
Ich möchte jetzt auf das eingehen, was Sie uns vorgeworfen haben. Frau Kollegin Hartmann, Sie haben hier gesagt, der Antrag sei skurril, und alles, was dort stehe, sei selbstverständlich. Man könne das, was wir unter Punkt 1 des Antrags geschrieben hätten, nicht beantragen; denn das sei selbstverständlich.
Es gibt den Spruch: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“. Wenn wir nach der Maßgabe handelten, dass man an den Anfang eines Antrags keine positive Bemerkung stellen darf, dürften auch die meisten SPD-Anträge nicht gestellt werden. Ich möchte dazu aus dem Antrag der Fraktion der SPD, Drucks. 19/4821, zitieren. Dort heißt es:
Der Landtag stellt fest, dass sich die fachlichen Anforderungen an Schule und Unterricht in den vergangenen Jahren gewandelt und massiv zugenommen haben.