Protocol of the Session on May 3, 2017

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, es hat niemand von uns behauptet, dass die Projekte, die Sie anschieben, nicht sinnvoll und notwendig sind, da, wie Sie festgestellt haben, niemand von uns diese Probleme leugnet, um die wir uns kümmern müssen.

(Karin Wolff (CDU): Sie sind nicht bereit, darüber zu reden! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph: Das ist ja Unsinn! – Nancy Faeser (SPD): Wir dürfen ja nicht mit auf den Antrag! Unglaublich!)

Ich kann aber gleichzeitig nicht von Ihnen hören, wie groß die Problemlage z. B. bei Kindern und Jugendlichen ist, und muss zur Kenntnis nehmen, dass Sie es sind, die den Kirchen die Unterstützung verweigern, eine Ombudsstelle für Kinder und Jugendliche, die von Gewalt betroffen sind, zu finanzieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, ich kann nicht unwidersprochen zuhören, wenn Sie den Menschen, die tagtäglich, und nicht nur in einer mehrtägigen Veranstaltung, mit diesen Kindern und Jugendlichen arbeiten, eine ordentliche Bezahlung und angemessene Arbeitszeiten verweigern. Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine zweite kurze Bemerkung. Bei Herrn Frömmrich hatte sich das noch so angehört, dass wir in diesem Parlament selbstverständlich unterschiedliche Auffassungen haben und sie streitig miteinander austragen. Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, bei Ihnen hört sich das so an: Ich werde abgemeiert, weil ich nicht verstanden hätte, worum es geht. – Ich wiederhole mich: Arroganz und Respekt sind wechselseitig ausgrenzende Haltungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Boddenberg für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schäfer-Gümbel, ich gebe zu, ich bin ein bisschen enttäuscht, weil ich erwartet hatte, dass Sie es anders machen als Herr Kollege Rudolph. Das war offenkundig ein Trugschluss. Der Ministerpräsident hat, wie ich finde, völlig zu Recht gesagt, dass die Frage, die wir hier gemeinsam thematisieren wollen, eine Frage ist, die sich mit gesellschaftlichen Fehlentwicklungen befasst.

Herr Kollege Hahn, ob es früher besser oder schlimmer war, weiß ich nicht. Wir alle sind der Meinung, das ist das Erfreuliche an dieser Debatte, dass es viele Fehlentwicklungen gibt.

Herr Schäfer-Gümbel, ich hätte schon erwartet, dass Sie das nicht mit einer politisch notwendigen Auseinandersetzung und dem Respekt vor einer parlamentarischen Demokratie und dieser Auseinandersetzung verwechseln, wie es Herr Rudolph versucht hat.

Ich nehme das Beispiel mit den Beschäftigten heraus. Wir haben unterschiedliche Auffassungen, aber nicht, was den Respekt gegenüber den Beschäftigten anbelangt. Wir haben unterschiedliche Auffassungen davon, wie wir dieses Land in eine Zukunft führen und mit Respekt vor folgenden Generationen so aufstellen, dass sie politische Fehlentwicklungen, von denen wir sagen, dass es sie gibt,

(Nancy Faeser (SPD): Herr Boddenberg, was ist für Sie gemeinsam?)

nicht alleine ausbaden müssen. Für sie, nämlich die Kinder und Jugendlichen, die morgen diese Welt und diese Last zu tragen haben, machen wir Politik.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Der Ministerpräsident hat völlig zu Recht das Verhalten von Kindern angesprochen. Ja, wir müssen über Schule reden. Wir müssen uns aber zunächst einmal, auch das ist in der Rede des Ministerpräsidenten vorgekommen, über die

Erwachsenen unterhalten. Wir müssen uns über die Vorbildfunktion vieler Erwachsener in der Politik, im Sport, in der Kirche, in Verbänden, in Gewerkschaften, in Parteien und wo auch immer unterhalten. Ich gebe zu, das treibt mich schon seit Jahren um.

Wenn ich mit meinen Kindern über Fußball rede – sie sind jetzt alle so um die 20 –, dann ist die jährliche Vergütung der Fußballer deutlich mehr Inhalt unserer Gespräche als deren sportliche Leistungen.

Ich weiß nicht, wann Sie gestern Abend nach Hause gekommen sind, ich hatte gestern Abend beim Zappen noch die Gelegenheit, bei Markus Lanz reinzuschauen. Dort war Marcell Jansen als Gast, der mit 29 Jahren die Fußballschuhe an den Nagel gehängt und gesagt hat, er habe nichts mehr, worauf er sich richtig freuen könne, und Geld genug verdient habe er auch. Er ist ein Beispiel dafür, dass es Gott sei Dank auch vereinzelt Vorbilder gibt, die einmal einen anderen Weg einschlagen.

(Widerspruch bei der LINKEN)

Deswegen wäre meine Bitte und herzliche Aufforderung – das ist ein erster Aufschlag in diesem Landtag –, alle, die hier sind, die Fraktionen und Zuschauerinnen und Zuschauer, im Plenarsaal oder außerhalb, mit dieser Thematik zu konfrontieren. Deswegen noch einmal meine herzliche Bitte und Aufforderung an die anderen Fraktionen: Lasst uns das gemeinsam machen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sehr gern!)

Lasst uns gemeinsam, wenn es bei uns Erwachsenen Fehlentwicklungen bei vermeintlichen oder eigentlich notwendigen Vorbildern gibt, darüber reden.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Laden Sie jetzt zum Gespräch! – Nancy Faeser (SPD): Wir kommen gern!)

Lasst uns offen über die zwei Dimensionen der Arbeit des US-amerikanischen Präsidenten Trump reden. Die eine Dimension ist seine Steuerpolitik und seine Politik im Verhältnis zum Rest der Welt. Lassen Sie uns aber bitte auch darüber reden, dass dieser Präsident eine große Fehlleistung nach der anderen produziert hat, wenn es genau um das geht, worüber wir heute reden, nämlich Respekt. Respekt gegenüber Minderheiten, Respekt gegenüber Frauen, das vermisse ich bei diesem Präsidenten. Das gehört weiter zu dieser Debatte.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gehört aber nicht nur zu der großen verbalen Debatte, sondern das gehört auch in die nationale Debatte. Da könnte ich, wie gesagt, beim Sport anfangen. Wir hatten jüngst erheblichen Streit, und ich hoffe, er wird fortgesetzt, um die Frage des IOC.

Wir waren am letzten Wochenende gemeinsam in der Paulskirche und haben mit den Schützen ihre Jubiläumsveranstaltung gefeiert. Wenn zum Schluss die Olympioniken auf die Bühne gerufen werden, geht mir das Herz auf. Ich denke, Ihnen auch, wenn Sie so etwas sehen. Manche, die nicht dort stehen, weil sie nicht in die Medaillenränge gekommen sind, tun mir auch leid. Sie haben es deswegen nicht geschafft, da es andere gibt, die mit unlauteren Mitteln und ohne Respekt vor der Leistung derjenigen, die mit fairen und sauberen Mitteln Sport betreiben, zum Erfolg kommen.

Kurzum: Wir haben Themen in allen gesellschaftlichen Bereichen, die mit dieser Frage zu tun haben. Nicht zuletzt haben wir die Frage des respektvollen Umgangs im Landtag miteinander zu diskutieren. Da werde ich ausdrücklich sagen: Ja, wir werden weiter streiten. Wir haben auch gerade in der Vergangenheit immer wieder heftige Auseinandersetzungen geführt. Lasst uns aber den Menschen zeigen, dass dieser Streit Teil der demokratischen Auseinandersetzung und Streit um die bessere Lösung oder um den besten Weg ist. Er hat aber nichts mit Respektlosigkeit vor der Meinung des jeweils anderen zu tun. Dann wäre der Hessische Landtag auch ein positives Vorbild in dieser Frage und könnte Signale nach außen senden. Das könnte die Frage des Budgets zweitrangig werden lassen. Das Budget hat etwas damit zu tun, dass wir möglichst viel kommunizieren müssen. Das kann man nun einmal nur mit Geld.

Herr Kollege Boddenberg, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das kann man nur, wenn es alle mittragen. Dann reden wir nicht über das Budget, sondern über eine gemeinsame Aufgabe. Mein Eindruck ist, dass die meisten Redner heute darüber gesprochen haben, dass das möglich ist. Wir laden Sie herzlich dazu ein und freuen uns, wenn Sie den Worten auch Taten folgen lassen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Wagner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Respekt scheint … keine Selbstverständlichkeit mehr zu sein. Denn das Gegenteil von Respekt – Respektlosigkeit – zeigt sich in der jüngeren Vergangenheit immer öfter und droht zu einer Gefahr für den Zusammenhalt und für die Vielfalt unserer Gesellschaft zu werden. … Aber nicht nur die Gewalt in Taten, auch die Gewalt in Worten nimmt weiter zu. Sie zeigt sich in einer von Hass und Hetze geprägten Sprache im Internet, in Mobbing an Schulen und am Arbeitsplatz und vielfach auch schon im alltäglichen Umgang miteinander. … Deshalb hat die Landesregierung ein klares Zeichen gesetzt, gegen Hass und Gewalt, für ein friedliches Zusammenleben und mehr Wertschätzung im Umgang miteinander.

Das ist die Beschreibung der Respekt-Kampagne der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Ich verstehe nicht, warum hier einige Redner das gut finden, wenn es eine Respekt-Kampagne einer SPD-geführten Landesregierung gibt, aber wenn es eine schwarz-grün ge

führte Landesregierung macht, hier solche Reden halten, wie sie heute Vormittag gehalten wurden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Tatsache, dass mehrere Landesregierungen das Thema Respekt in Kampagnen aufgreifen, könnte ja ein Hinweis sein, dass das Thema größer und bedeutender ist als manches, was heute hier debattiert wurde. Klar ist es ein Aspekt von Respekt, wie die Abgeordneten in diesem Hause miteinander umgehen. Natürlich ist es eine Frage des Ringens um die bessere Lösung im Hessischen Landtag. Aber, meine Damen und Herren, ist mit den Entwicklungen der letzten Monate in unserem Land das Thema Respekt nicht sehr viel grundsätzlicher aufgerufen als das, was hier heute teilweise diskutiert wurde?

(Judith Lannert (CDU): Genau!)

Wenn es um eine Respekt-Kampagne der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen oder in Hessen geht, reden wir über den verloren gegangenen Respekt im Meinungsaustausch in den sozialen Medien. Es ist doch etwas qualitativ völlig anderes, ob ein Parlament um die richtige Lösung ringt oder ob in den sozialen Medien elementare Formen des menschlichen Umgangs und des Meinungsaustauschs nicht mehr eingehalten werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Darum geht es heute, wenn wir über Respekt reden. Es ist doch etwas viel Grundsätzlicheres aufgerufen, wenn die Vertreterinnen und Vertreter der Medien von einem Teil der Bevölkerung als „Lügenpresse“ bezeichnet werden. Dann sind elementare Grundpfeiler unseres Rechtsstaats, elementare Grundpfeiler unserer Demokratie bedroht. Dann ist es doch richtig, wenn eine Landesregierung ein Zeichen dagegen setzt und sagt, das ist kein Respekt. So soll es in unserem Land nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es sind doch die grundsätzlichen Fragen aufgerufen, wenn einige wenige Bürgerinnen und Bürger die Institutionen unseres Staates infrage stellen, unsere verfassungsgemäße Ordnung infrage stellen, den demokratischen Prozess an sich infrage stellen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Hier ein Zeichen zu setzen, hier zu sagen: „Das ist nicht die Mehrheit, das ist die Minderheit“, das ist doch Aufgabe einer Landesregierung. Es gibt in unserem Land ganz viele Menschen, die anderer Meinung sind, die anderes leben, die die Werte unserer Gesellschaft, unserer Verfassung leben. Dabei sollten wir alle die Landesregierung unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)