Auf dem Land kommt hinzu – das will ich noch einmal deutlich machen –, dass die Fahrten zur Schule teilweise so weit sind, weil jeder Ort einzeln abgeklappert wird. Hinzu kommt, dass Busse nur selten fahren und sehr überfüllt sind, sodass kleine Kinder mit dicken Rucksäcken oder Schulranzen im Gang ausharren, weil sie keinen Sitzplatz finden. Vor Kurzem gab es einen Schulbustest. Insofern ist auch das meines Erachtens ein Punkt, an dem man ansetzen könnte.
Es geht natürlich auch um die Frage der Zumutbarkeit von Schulwegen. Ich finde, auch da muss man schauen, welche Wege für Grundschüler wirklich zumutbar sind. Frau Kollegin Faulhaber hat sich das in ihrem Wahlkreis einmal angeschaut. Sie hat festgestellt, dass der Weg zum Teil an Straßen vorbeiführt, an denen es keinen Bürgersteig gibt oder die unbeleuchtet sind. Solche Schulwege sind Schulkindern einfach nicht zuzumuten. Insofern brauchen wir auch dann eine Fahrkostenerstattung, auch wenn die Schule weniger als 2 km entfernt ist.
Eine Familie, die Hartz IV bezieht, wird Probleme haben, sich diese 365 € für eine Fahrkarte leisten zu können. Egal, wie weit sie gilt: Schulkinder, insbesondere Grundschulkinder, nutzen dieses Schülerticket nicht für Ganztagsausflüge quer durchs Hessenland.
Ich will damit nur sagen, dass das Thema Schülerbeförderung noch weitaus mehr Probleme mit sich bringt, als mit der Einführung des Schülertickets vom Tisch sind. Damit sage ich nicht, dass das nicht ein richtiger Schritt ist. Das ist ein richtiger Schritt. Es bleiben aber noch einige Fragen offen und Probleme im Raum stehen.
Dazu gehört auch die Tatsache, dass Schüler ab der 11. Klasse nach G 9 bzw. ab der 10. Klasse nach G 8 das Ticket selbst zahlen müssen. Auch das ist ein Problem.
Deswegen fordern wir, dass die Schülerbeförderung ohne Wenn und Aber kostenfrei ist. Was für Landesbeschäftigte und Landesbeamte funktioniert, was durch den neuen Tarifvertrag und die Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten funktioniert, was wir ausdrücklich gut finden, warum soll das nicht bei Schülerinnen und Schülern funktionieren? Frau Müller, an dieser Stelle verstehe ich Ihre Argumentation wirklich nicht.
Sie haben in Ihrer Rede explizit gesagt, das Schülerticket solle nicht kostenlos sein. Ich frage Sie: Warum sollen denn Schüler bzw. deren Eltern dafür bezahlen, wenn das für Beamte und Landesbeschäftigte kostenlos ist, was wir, wie gesagt, explizit für richtig halten? Es ist gut, dass für immer mehr Personengruppen Pauschalangebote gemacht werden.
Mittelfristig wird es aber doch Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. Wir brauchen deutlich gesenkte Fahrpreise. Perspektivisch brauchen wir aber auch so etwas wie einen Nulltarif, der z. B. steuerfinanziert ist. Es gibt Beispiele, die belegen, dass das gut umsetzbar ist. Den Nulltarif für die Landesbeamten und Landesbeschäftigten haben Sie ja eingeführt. Das finden wir ausgesprochen gut.
Jemandem, der 180 € für eine Monatskarte von Frankfurt nach Darmstadt bezahlt, ist schwer zu erklären, dass die Schülerinnen und Schüler und die Landesbeamten, die um ihn herum im Zug sitzen, ein Vielfaches weniger bezahlen. Ich finde, das ist ein Thema, über das man reden muss.
Es ist doch absurd, hier von Sozialneid zu reden, Herr Wagner. Das ist doch wirklich Unfug. Ich bin dafür, dass Landesbeschäftigte kostenlos fahren. Ich bin auch dafür, dass Beamtinnen und Beamte kostenlos fahren. Warum aber Schülerinnen und Schüler, die kein Einkommen haben, nicht kostenlos fahren können, das könnten Sie doch einmal erklären. Das hat doch nichts mit Sozialneid zu tun.
Ich würde zum Schluss kommen, wenn Herr Wagner auch zum Schluss kommen würde. – Ihr Schülerticket ist für viele Menschen ein Fortschritt und weist in die richtige Richtung. Ganz so traumhaft wie Sie es darstellen, Herr Minister, ist es aber nicht. Wir üben an einigen Stellen Kritik.
Vielen Dank, Frau Abg. Wissler. – Als Nächster spricht Herr Kollege Caspar für die Fraktion der CDU. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle fest, dass das Schülerticket eine große Anerkennung und im Wesentlichen Zustimmung findet. Das enthebt die Opposition aber offensichtlich nicht der Aufgabe, Kritik zu üben, auch wenn es eigentlich nichts zu kritisieren gibt.
Frau Kollegin Wissler, als Sie ans Mikrofon getreten sind, habe ich erwartet, dass Sie uns darlegen – wenn das alles so schlecht ist –, dass in den Ländern, in denen Sie regieren, die Dinge viel besser sind.
Ich nenne als Beispiel das Land Thüringen, wo es für die Schüler keineswegs ein Ticket zum Nulltarif gibt.
Das Einzige, was es in Thüringen zum Nulltarif gibt, ist Ihre Regierungsleistung. Mehr ist die nicht wert.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Ja- nine Wissler (DIE LINKE))
Frau Wissler, es mag Sie stören, dass wir das hier ansprechen, aber es ist nun einmal so. Wenn man nicht nur in der Opposition ist, sondern irgendwo mitregiert, dann muss man sich daran messen lassen, welche Politik man dort macht, wo man regiert. Hier in Hessen immer nur mit der Forderung aufzutreten, es dürfe ein bisschen mehr Geld sein, ist ein bisschen zu dünn.
Herr Frankenberger hat gesagt, das Schülerticket sei gut; im Grundsatz unterstütze die SPD das Vorhaben. Ich finde es schön, dass Sie das unterstützen. Ich begrüße es außer
dem, dass Sie sich sehr für Pünktlichkeit einsetzen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ein früherer SPDVorsitzender die Pünktlichkeit diskriminierend als „Sekundärtugend“ abgetan hat. Es ist schön, dass Sie sich jetzt auch der Pünktlichkeit annehmen. Sie können aber davon ausgehen, dass wir das schon längst auf dem Schirm haben.
Damit Pünktlichkeit im ÖPNV möglich ist, tun wir sehr viel, um die Infrastruktur auszubauen. Sie können der heutigen Tagespresse entnehmen – vielleicht wurde Ihre Rede aber schon gestern geschrieben, und Sie konnten es nicht mehr berücksichtigen –, dass der viergleisige Ausbau der Strecke zwischen Frankfurt und Friedberg jetzt angegangen wird. Das ist eine der Maßnahmen, um für die S 6 Pünktlichkeit sicherzustellen; denn wir wissen, dass die begrenzte Kapazität der zwei Gleise – gerade aufgrund des Vorrangs des überregionalen Verkehrs – einer der Gründe für Unpünktlichkeiten ist. Dieses Ausbauvorhaben wird jetzt beherzt angegangen.
Ich darf ebenfalls erwähnen, dass das Planfeststellungsverfahren für die Nordmainische S-Bahn eingeleitet worden ist und dass es mit der Regionaltangente West weitergeht. Die Dinge, die Sie hier anmahnen, sind also auf dem Weg. Wir werden, wenn die Projekte vorangehen, auch über sie eine Debatte im Landtag führen.
Heute ist das Hauptthema das Schülerticket. Ich finde schon, dass es ein ganz hervorragendes Angebot ist, in unserem Bundesland allen Schülerinnen und Schülern und allen Auszubildenden – darauf legen wir besonderen Wert – zu ermöglichen, für 1 € pro Tag den ÖPNV in ganz Hessen zu nutzen. Wenn Sie sagen, an einigen Orten gebe es günstigere Tickets für den jeweiligen ÖPNV, dann ist das zwar zutreffend, aber jeder weiß doch, dass viele Schüler und Auszubildenden gerne auch einmal eine Nachbarkommune aufsuchen, z. B. die Stadt Frankfurt am Main,
weil es dort ein zusätzliches Angebot gibt, oder – Kollege Bellino weist darauf hin – nach Neu-Anspach fahren, um dort die Schönheit der Landschaft zu erleben. Man sieht, dass die Schüler und Auszubildenden, die auf das 1-€-proTag-Ticket umsteigen, erhebliche Vorteile davon haben, weil sie sich damit nicht nur in ihrer Kommune bewegen, sondern auch darüber hinaus unterwegs sein können. Das wissen die Schüler und Auszubildenden zu schätzen.
Wir sind davon überzeugt, dass dieses hoch attraktive Angebot ein Erfolgsmodell werden wird. Deshalb sind wir das mit Freude angegangen und haben das in den Koalitionsvertrag aufgenommen und damit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes versprochen. Heute können wir sagen: versprochen, gehalten – ein Erfolg für Hessen und für den ÖPNV.
Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Herr Kollege Hahn hat für die Fraktion der Freien Demokraten das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute Morgen für die FDP-Fraktion gesagt: Wenn die Landesregierung etwas gut macht, dann sollte die Opposition sie auch loben. – Ich habe das beim Thema Umorganisation der Steuerverwaltung von diesem Pult aus auch getan.
Daran könnte man sich zwar gewöhnen, aber in diesem Fall, lieber Kollege, ist eine in unseren Augen nicht so gute Lösung gefunden worden. Deshalb wollen wir loben, aber auch tadeln.
Sie wundern sich vielleicht, dass nicht der verkehrspolitische Sprecher – wie bei den anderen Fraktionen –, sondern der finanzpolitische Sprecher hier am Pult steht. Das hat ein bisschen damit zu tun, dass der Kollege Lenders gerade auf einer Beerdigung in Fulda ist, das hat aber insbesondere damit zu tun, dass wir bei der Vorbereitung dieses Plenarpunktes folgende Fragen gestellt haben: Was kostet das? Wer bezahlt das? Ist jetzt innerhalb weniger Tage bei der Regierung aus CDU und GRÜNEN die Abteilung „Wir schenken auf Steuergeld den Bürgerinnen und Bürgern irgendetwas“ eröffnet worden?
Am Anfang der Woche haben wir zur Kenntnis genommen, dass sich der Ministerpräsident sehr darüber freut – Kollege Frömmrich hat das gestern hier theatralisch vorgetragen –, dass der Tarifabschluss im Verhältnis 1 : 1 für die Beamten übernommen wird. Ich will gar keine inhaltliche Debatte führen, aber losgelöst davon wissen Sie offensichtlich schon, dass Sie sich zwei Jahre lang unkorrekt verhalten haben. Nunmehr wollen Sie eine Aktion für die Beamtinnen und Beamten in der Form eines Wahlgeschenks durchführen.
Darüber kann man sich freuen, wenn man Beamter ist. Dazu muss man aber Fragen stellen, wenn man für den Haushalt des Landes Hessen mitverantwortlich ist.