Abschließend möchte ich all denen danken, die sich für diese Menschen engagieren: Pfleger, Sozialarbeiter und Ärzte. Sie leisten einen ganz wichtigen Dienst am Menschen, der oftmals zu wenig beachtet wird. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Es ist aus unserer Sicht – das haben wir schon in der ersten Lesung gesagt – ein großer Fortschritt in der gesamten Sozialpolitik des Landes Hessen, dass wir ein solches Gesetz auf den Weg bringen können und nun den Entwurf vorliegen haben. Ich bin auch überzeugt davon, dass dieses Gesetz eine Verbesserung der Situation herbeiführen wird.
Dabei stellt sich die Frage: Sind die Verbesserungen das, was man erreichen kann, oder sind sie ein erster Schritt in die richtige Richtung? Ich bin überzeugt davon, man kann nicht sagen, dass damit schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist.
Wir haben drei große Fragen. Die erste, aus unserer Sicht schwierige Frage lautet: Sind die bei der juristischen Beurteilung der Eingriffe als kritisch wahrgenommenen Punkte ausreichend geregelt, oder sind die Rechtsbegriffe zu unbestimmt? Das kann ich nicht abschließend feststellen. Aber wir haben größte Bedenken, dass es so ist. Das wird sicherlich noch juristisch geklärt werden. Dann wissen wir, wie die Gerichte das sehen. Aber was die Formulierung betrifft, haben wir größte Bedenken, dass wir die Rechtsbegriffe nicht genau genug definiert haben.
Das ist die erste, eher technische Frage. Sie bezieht sich aber auch darauf, wie man mit den Grundrechten umgeht. Das ist die eine Ebene.
Die zweite Frage lautet: Inwieweit wird dieses Gesetz die Situation der psychisch Kranken in Hessen verbessern? Diese Frage möchte ich heute hier ein Stück weit in den Mittelpunkt stellen. Ganz besonders möchte ich mich dabei auf die Anhörung beziehen. Der Herr Minister wird in sei
ner Rede sicherlich noch den einen oder anderen Punkt in Bezug auf die Anhörung herausarbeiten; denn in der Ausschusssitzung hat er uns mitgeteilt, dass das, was in der Regierungsanhörung erklärt wurde, und das, was identische Personen dann in der Landtagsanhörung gesagt haben, weit auseinandergegangen sind.
Ich denke, der Minister wird sicherlich noch einen Hinweis geben, welches die Punkte waren und wie sich diese haben aufklären lassen. Das ist für uns interessant, weil die Anhörung im Landtag selbst sehr kritisch war. Diese war sehr kritisch, und es gab auch in Bezug auf verschiedene kritische Punkte Ansätze. Die SPD hat einige dieser Punkte in ihrem Änderungsantrag aufgegriffen; und jetzt haben wir auch noch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vorliegen. Ich hoffe, dass wir uns in einer dritten Lesung mit diesen Themen noch einmal ausführlich auseinandersetzen können, weil ich glaube, die Detailfragen, die sich aus den beiden Änderungsanträgen ergeben, kann man im Rahmen dieser Plenardebatte nicht aufgreifen, da sie sehr speziell sind. Diese würden hier den Rahmen sprengen.
Ich möchte aber deutlich machen, und das ist für die psychisch kranken Menschen in unserem Lande ganz wichtig, dass die Zwangsmaßnahmen reduziert werden.
Diesen Geist trägt dieser Gesetzentwurf bereits. Das eint, glaube ich, alle im Sozialpolitischen Ausschuss sowie die Landesregierung, dass dies das übergeordnete Ziel ist: Zwangsmaßnahmen, diese harten Eingriffe für jeden Einzelnen dieser kranken Menschen, zu reduzieren.
Es verbleibt jetzt natürlich, dass man übereingekommen ist, dass man genauer hinschauen und das einmal statistisch aufarbeiten will. Dazu gibt es, habe ich gesehen, einen Konsens zwischen der Opposition und der Regierungsmehrheit; da könnte man auch noch weiter gehen. Es ist aber klar geworden: Dies muss das zentrale Thema sein. Daher ist dieser grundsätzlich gewählte Ansatz nicht falsch: Wenn Menschen psychisch erkrankt sind, sollte die ambulante Behandlung auf jeden Fall vor der stationären stehen. Das könnte man stärker herausstellen. Das ist ein Grundsatz.
Warum ist das ein Grundsatz? – Je länger die psychisch Kranken in ihrem Wohnumfeld bleiben können – dazu gehört natürlich eine Mindeststabilität, die die Menschen erreicht haben müssen –, umso besser kann man die Menschen wieder in ihr normales Leben zurückführen. Darum ist dieser Ansatz richtig. Wir haben das Pilotprojekt in Hanau einmal rudimentär erläutert bekommen; ich werde mir dieses, wenn es die Zeit erlaubt, ganz konkret anschauen. Ich glaube, das ist ein wichtiger und guter Weg, weil das auch die Belegzeiten in den stationären Einrichtungen reduzieren wird. Wir wissen, dass unser System an den Schnittstellen zwischen der ambulanten und stationären Versorgung nicht optimal ist. Ich glaube, da setzt das richtig gut an, und das muss auch weiterhin im Fokus bleiben.
Nun zu den Zwangsmaßnahmen. Wie wird das denn oftmals ausgelöst? – Jemand ist psychisch erkrankt, wird mit Medikamenten eingestellt, macht vielleicht noch eine Therapie, geht nach Hause und kommt vielleicht irgendwann einmal an den Punkt, an dem er glaubt, er könne seine Medikamente selbst ein bisschen absetzen, weil es ihm besser gehe. Er kommt vielleicht in eine Phase, in der er sich auf
schaukelt, in der er merkt, dass es Zeichen dafür gibt, dass er sich auf eine Krise hin entwickelt; und die Umwelt nimmt diese Zeichen wahr. Der Sozialpsychiatrische Dienst wird eingeschaltet; dieser fährt einmal vorbei, klingelt, wird aber nicht hineingelassen; die Zugriffsmöglichkeiten sind schwierig. Könnte ich dem psychisch Kranken, dessen Selbststeuerungsmöglichkeiten zurückgegangen sind, in dieser Phase Hilfe leisten? Würde ich ihn erreichen können? Würde ich die Krise vielleicht verhindern und damit die brutalen und harten Zwangsmaßnahmen, die keiner will, verhindern können?
Genau an dieser Stelle setzt der Gesetzentwurf an. Es stellt sich aber natürlich die Frage, wie das austariert wird. Meine Prognose ist, dass dieser Gesetzentwurf in weiten Bereichen unkonkret ist und dass es am Ende den Richtern überlassen wird, zu sagen: Was darf ich, und was darf ich nicht? – Es ist natürlich für alle schwierig, die in diesem Bereich arbeiten, in dieser Phase zwischen dem unkonkreten Gesetz und dem, was die Juristen dann daraus machen, tätig zu sein.
Dennoch ist es, wie gesagt, aller Ehren wert, sich auf diesen Weg zu machen. Da gibt es auch nicht die Möglichkeit, einfach zu sagen: So ist es richtig, und so ist es falsch. – Wir sind auf dem richtigen Weg. Der ambulante Bereich, der Sozialpsychiatrische Dienst, könnte noch stärker herausgearbeitet werden. Was in der Anhörung ganz wichtig war – das hat die Opposition aufgegriffen –, waren die kommunalen Netzwerke. Daher ist der Konjunktiv im Regierungsansatz aus meiner Sicht zu wenig; denn das gibt es schon in anderen Bundesländern. Diese kommunalen und regionalen Netzwerke haben aus Sicht der Anzuhörenden, und zwar unisono in Bezug auf die Prävention und die frühzeitige Einwirkung hervorragende Bewertungen erhalten.
Wenn Sie meiner Rede gefolgt sind, dann wissen Sie, dass das der Ansatz ist, um entstehende Krisen frühzeitig zu erkennen. Wie das immer so ist – das wussten schon kluge Philosophen –: Eine Krankheit in einem frühen Stadium zu erkennen, ist extrem schwierig, aber in der Regel überlebt der Patient. Eine Krankheit in einem späten Stadium zu erkennen, kann in der Regel jeder, aber es kann oftmals zum Tod des Patienten führen. Je früher wir also ansetzen können, umso besser ist es. An dieser Stelle spielen aus meiner Sicht die kommunalen Netzwerke eine deutliche Rolle. Es ist von der Landesregierung sicherlich wahrgenommen worden; ich nehme an, an letzter Stelle geht es dann, wie immer, ums Geld und um die Frage: Was kann man noch an Mitteln für solch einen klugen Weg in diesem Gesetzentwurf mobilisieren?
Darauf können wir dann im Rahmen der dritten Lesung – ich gehe einmal davon aus, dass die SPD hier die dritte Lesung beantragen wird – noch einmal eingehen. Wie gesagt, ich bin froh, dass wir diesen Gesetzentwurf haben. Ich glaube, dass wir in der rechtlichen Umsetzung – das ist ein großer Kritikpunkt von uns – mit unbestimmten Begriffen arbeiten und wahrscheinlich vor Gericht ein großes Problem bekommen werden. Das Zweite ist natürlich, dass sich in dem Gesetzentwurf ein bisschen zu viele Formulierungen im Konjunktiv wiederfinden. Dennoch ist es gut, dass sich Hessen auf diesen Weg gemacht hat. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind alle froh, dass auch Hessen als letztes Bundesland nun endlich das PsychKG umsetzen will. Wir haben die Experten in einer langen Anhörung angehört, und einig sind wir darin – Herr Dr. Bartelt, da gebe ich Ihnen recht –: Der Gesetzentwurf wurde positiv bewertet, weil wir eine neue gesetzliche Grundlage benötigen. Aber es wurden viele Aspekte angesprochen, bei denen die Expertinnen und Experten bzw. Praktikerinnen und Praktiker dringend Änderungsbedarf angemeldet haben. Wir haben unseren Änderungsantrag genau mit diesen Praktikerinnen und Praktikern abgestimmt und hoffen, dass Sie unserem Weg folgen; denn dieser wird aus den Reihen der Experten befürwortet.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich für die konstruktive Zusammenarbeit mit jenen aus der Praxis recht herzlich bedanken. Der Änderungsantrag der Koalition wurde leider erst spät eingebracht. Wenn man sich diesen anschaut, kommt man zu dem Ergebnis, dass Sie nicht ganz so vieles ändern wollen und kaum bis gar nicht auf die Kritik der Anzuhörenden eingehen. Das ist sehr schade.
In der Änderung Nr. 2 c haben Sie die Einbeziehung der Betreuung geändert. Sie haben sich aber nur auf die Gesundheitssorge beschränkt. Wir sind davon überzeugt, dass auch die Betreuung, die sich ja auf das Aufenthaltsrecht bezieht, aufzunehmen wäre. Auch wurde eindringlich darauf hingewiesen, dass es fachlich höchst problematisch ist, eine zeitweise Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in einer Erwachsenenpsychiatrie möglich zu machen. Daran wollen Sie leider nichts ändern. Wir hätten uns aber gewünscht, dass Sie zum Wohle der Kinder und Jugendlichen agieren, so wie von den zuständigen Ärztinnen und Ärzten vorgeschlagen. Unser Antrag sieht vor, da es fachlich unstrittig ist, diesen Passus zu streichen.
Auch werden Einrichtungen, die keine Krankenhäuser sind, nicht berücksichtigt. Damit verwehren Sie Hilfesuchenden weitere Möglichkeiten. Auch berücksichtigen Sie die Psychotherapeutinnen und -therapeuten nicht. Dabei wären die so wichtig, da sie ein Teil jener Hilfsstrukturen sind. Die Erhebung der Daten wollen Sie zwar erweitern, aber es bleibt dabei, dass nur der jeweilige Sozialpsychiatrische Dienst die für seinen Bezirk vorhandenen Daten bekommt – also: kein Benchmarking, keine Transparenz, so wie gewünscht, d. h. keine Möglichkeit, um gemeinsam nach Best-Practice-Beispielen oder auch nach Verbesserungen zu schauen. Schade, auch hier wird eine Chance vertan.
Wir sprechen uns ebenfalls für eine Erweiterung der Berichtspflicht bei Zwangsmaßnahmen, bei besonderen Sicherungsmaßnahmen und bei Todesfällen aus. Im Gegensatz zu Ihnen wollen wir die Berichte allen Einrichtungen,
natürlich anonymisiert, zur Verfügung stellen, um Vergleiche zu ermöglichen und für Verbesserungen zu sensibilisieren.
Wir können auch nicht nachvollziehen, dass Sie die Begrifflichkeiten ändern, aber inkongruent bleiben. „Fluchtgefahr“ ändern Sie, aber „Fesselung“ und „Überwachung“ bleiben als Begrifflichkeiten. Die Frage ist: Ist das so gewollt? – Wenn ja, fehlt uns dabei jegliche Logik.
Unser Änderungsantrag greift pragmatisch Änderungsvorschläge aus der Anhörung auf. Er kommt dem Ziel nahe, das auch das Gesetz verfolgt. Es geht uns um optimale und pragmatische Behandlungsformen für die Patientinnen und Patienten und darum, dass ein Hilfssystem mit einer Mussvorschrift zu verbindlichen wohnortnahen Angeboten geschaffen wird. Dabei gehen unsere beiden Anträge auseinander.
Wir wollen alle fraktionsübergreifend, dass wir den Patienten ein Leben außerhalb von psychiatrischen Einrichtungen ermöglichen können und einen Klinikaufenthalt vermeiden bzw. verkürzen. Wir wollen aber auch, dass die Angehörigen und die Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen besser unterstützt werden.
Ich möchte noch einmal die Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Wir befürworten zum einen, dass das Gesetz einen Anspruch auf Verständigung in der Mutter- oder Herkunftssprache oder in leichter Sprache gewährt, um die Prävention verstärken zu können.
Herr Dr. Bartelt, Sie sprachen von ambulanten Hilfen. Wir wollen diese ambulanten Hilfen verbindlich. Deswegen gehört für uns zu einem wohnortnahen Angebot auch die Einrichtung eines 24-Stunden-Krisendienstes an allen Wochentagen. Das wäre ein präventives Pfund.
In anderen Bundesländern funktioniert das bereits, und die Ergebnisse sind dort eindeutig: weniger Einweisungen, weil frühzeitig interveniert werden konnte und entsprechende Hilfen zur Verfügung standen. Es scheitert an der Finanzierung. Sie haben gesagt, es sei konnex. Ja, das ist es. In anderen Ländern ist es so, dass es durch eine ProKopf-Pauschale organisiert wird. Daran haben wir uns orientiert. Natürlich muss man dann aber schauen, ob es reicht oder ob nachgesteuert werden muss.
Außerdem wollen wir regeln, dass die Versorgung schwerer somatischer Erkrankungen Vorrang vor der Einweisung in die Psychiatrie hat. Es ist einleuchtend, dass im Fall schwerer somatischer Erkrankung die Behandlung dieser Erkrankung Vorrang hat. Hier geht es um körperliche Unversehrtheit, die wir nicht außer Acht lassen dürfen.
Wir halten auch weiterhin daran fest, dass die Besuchskommission unangemeldet kommen soll, natürlich mit genügend Zeit, damit sich die Patienten in ihre Privatsphäre zurückziehen und diese wahren können. Wie das gelingt, zeigt das Gesetz in Nordrhein-Westfalen.
Wir nehmen auch gerne den Vorschlag der Anzuhörenden auf, dass Psychiatrieerfahrene aus Befangenheitsgründen nur Mitglieder in Besuchskommissionen solcher Einrich
Wichtig ist uns auch – das greifen wir neu auf – die befristete Zurückhaltung. Sie ist immer wieder Thema bei den Experten. Hierbei geht es um Personen, die freiwillig in eine Einrichtung kommen, die weiterhin eine Fremd- oder Eigengefährdung haben. Hier geht es um die fürsorgliche Zurückhaltung innerhalb von 24 Stunden zum Schutz des Patienten.