Protocol of the Session on March 22, 2017

(Norbert Schmitt (SPD): Aber wir haben die besten Muster!)

Wir können daraus ablesen, dass die FDP wieder einmal einen Steuersenkungswahlkampf führen wird. Genau so wird sie auch durch die Lande ziehen.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wieder einmal!)

In solchen Situationen vergisst die FDP dann auch nicht, zur Legitimation ihrer Steuersenkungsvorschläge die sozial Schwachen ins Boot zu holen.

Das Ganze beruht auf einem Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft, das im Auftrag der FDP für eine Fraktionsvorsitzendenkonferenz erstellt worden ist.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jawohl!)

Laut diesem Gutachten sollen zwei Funktionen damit erfüllt werden. Die eine Funktion ist, die Wohnungseigentumsquote zu erhöhen. Die andere Funktion ist, Erwerbsnebenkosten zu senken. Beschäftigen wir uns einmal einen Moment lang mit der Wohnungseigentumsquote, wie Sie es auch getan haben, Herr Hahn. Sie haben ausgeführt, dass die 20 % der Haushalte, die über das geringste Einkommen verfügen, auch die geringste Eigentumsquote haben. Das hätte ich gefühlt auch einmal so gesagt. Es ist auch logisch, dass Menschen, die über ein nicht so großes Einkommen verfügen, sich in ihrer Lebenshaltung beschränken.

Ihre Schlussfolgerung war, man müsse dafür sorgen, dass diese Menschen mehr Häuser bzw. mehr Wohnungen kaufen. Das kann eine Schlussfolgerung sein. Für mich stellt sich aber zunächst einmal die Frage, warum diese Men

schen so arm sind und wie ich ihnen helfen kann, damit sie mehr Vermögensbildung betreiben können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das eigene Häuschen kann ein Weg sein. Das eigene Häuschen kann aber auch fürchterlich erdrückend sein, und zwar dann, wenn die Schuldenlast für die gesamte Familie eine Belastung darstellt. Dann kann ein Haus bzw. eine Eigentumswohnung für eine Familie zu einer unbezahlbaren Last werden, die am Ende auch Familien zerrüttet und das Gegenteil von dem auslöst, was Sie hier einfordern.

Daher ist das nicht unbedingt der Königsweg. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass Menschen am unteren Ende der Einkommensskala zielgenau unterstützt werden, aber nicht mit der Gießkanne oder mit einem Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer von einer halben Million Euro. Das ist doch nichts für arme Menschen, sondern das ist etwas für den oberen Einkommensbereich. Das hat die Kollegin Arnoldt hier sehr genau ausgeführt.

An dieser Stelle könnten wir das Geld also sehr viel zielgerichteter ausgeben. Ich glaube, das muss unsere Intention sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Nun möchte ich die Erwerbsnebenkosten betrachten, die einen wichtigen Punkt in diesem Gutachten darstellten.

(Norbert Schmitt (SPD): Jetzt geht es um die Notare!)

Zu den Erwerbsnebenkosten gibt es eine Berechnung in dem Gutachten, die Sie einmal nachlesen sollten. Die Position „Maklergebühr“ schlägt nach dem Gutachten mit durchschnittlich knapp 9.000 € zu Buche. Diese Position lassen Sie einfach außen vor. Maklergebühren spielen in Ihrem Gutachten also überhaupt keine Rolle. Sie wenden sich nur der Grunderwerbsteuer zu. Dieser Punkt wäre aber auch ein lohnendes Beschäftigungsfeld für die Kolleginnen und Kollegen von der FDP. In den Niederlanden werden wesentlich weniger Notargebühren und Maklergebühren erlöst. Das wäre also eine Gruppe, mit der Sie sich beschäftigen könnten. Damit haben Sie sich aber gar nicht beschäftigt.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kein Interesse!)

Ich kann Sie also nur bitten, sich auch einmal dieses Themas anzunehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Mit einer Subvention, die nicht zielgerichtet und nicht zielgenau ist, wollen Sie ein Loch in den Landeshaushalt von 400 Millionen € bis 500 Millionen € reißen, dies aber ohne ein Wort zur Gegenfinanzierung. Dies finde ich schlicht fahrlässig, meine Damen und Herren von der FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das sollten Sie sich besser überlegen. Sie sollten darüber nachdenken, wie man eine Vermögensbildung für ärmere Haushalte zielgenauer hinbekommt, ohne ein solches Loch in die Landeskasse zu reißen.

Unter dem Strich kann ich nur sagen: Ihre Maßnahme ist nicht zielgenau und nicht dazu geeignet, dass Menschen mit geringem Einkommen stärker an der Vermögensbildung beteiligt werden. So hätte die Finanzverwaltung ein neues Betätigungsfeld mit mehr Bürokratie, wie es Frau Kollegin Arnoldt sehr genau geschildert hat. Das wäre eine weitere teure Subvention, die wir im Landeshaushalt überhaupt nicht gebrauchen können. – Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Das Wort hat der Finanzminister Dr. Schäfer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist es lohnenswert, über die Frage nachzudenken, was denn die Ursachen dafür sind, dass der Erwerb von Wohneigentum in manchen Regionen sehr viel schwerer geworden ist, insbesondere für junge Familien, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Darauf mit einer sehr pauschalen Steuersatzsenkung bei der Grunderwerbsteuer zu reagieren, ist zwar eine Antwort; ich glaube aber nicht – da bin ich sehr bei dem, was die Kolleginnen Arnoldt und Erfurth vorgetragen haben –, dass dabei eine zielgerichtete Förderung der förderungsbedürftigen Klientel herauskommt. Es würde vielmehr ein neues Instrument geschaffen, auf das möglicherweise die Vorwürfe zuträfen, die im Hinblick auf die Eigenheimzulage geäußert worden sind, die wir vor vielen Jahren aufgrund der von ihr erzeugten Mitnahmeeffekte abgeschafft haben. Darüber muss man also sorgsam diskutieren. Meine Meinungsbildung hierzu ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber man muss jedenfalls gemeinschaftlich abwägen.

Ich finde auch den Hinweis von Frau Erfurth richtig, die gesagt hat: Wenn man die Nebenkosten in den Blick nimmt, darf man beispielsweise die Maklerkosten nicht außen vor lassen. Die Entwicklung der Maklerkosten in den letzten Jahren ist in einer gewissen Parallelität zur Entwicklung anderer Nebenkosten zu sehen. Wenn man also über einen ernst gemeinten Vorschlag diskutiert, muss man auch dieses Feld vollständig einbeziehen.

Ich will eines hinzufügen: Die Ursache für eine möglicherweise gesunkene Erwerbstätigkeit – im Sinne von Grundstücks- und Immobilienerwerb – in der Grunderwerbsteuer zu suchen, ist, glaube ich, etwas zu kurz gesprungen. Ich kann Ihnen aus meiner Privat-Empirie Folgendes sagen. Zu dem Zeitpunkt, als ich mein Familienheim erworben habe, wurde eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 3,5 % erhoben; die Zinsbelastung lag bei 5 %. Das ergab, addiert, 8,5 %. Wenn man zu der derzeit erhobenen Grunderwerbsteuer in Höhe von 6 % das aktuelle Zinsniveau von 2 bis 2,5 % addiert,

(Michael Boddenberg (CDU): War das ein Einmalzins? – Heiterkeit)

dann ist die Gesamtbelastung im ersten Jahr einer Anschaffung im Ergebnis gleich hoch, aber die für den Häuslebauer positive Entwicklung auf dem Zinsmarkt trägt sich in den darauffolgenden Jahren durch. Das heißt, die Ursache

für eine gesunkene Erwerbstätigkeit in der Grunderwerbsteuer zu suchen, ist sicherlich kein das Gesamtphänomen erklärender Ansatz.

Schauen wir uns einmal an, was Ihr Vorschlag bedeuten würde – darauf ist schon hingewiesen worden –: Wir hatten im Jahre 2016 in Hessen ein Grunderwerbsteueraufkommen von 1,3 Milliarden €. Wenn die Analyse des IW zutreffend ist – was ich unterstelle –, dass die von Ihnen vorgeschlagene Lösung ein um etwa 41 % sinkendes Steueraufkommen zur Folge hätte, dann wären das, gerechnet auf das Jahr 2016, 533 Millionen €. Es wäre mehr als fair gewesen, in der Debatte wenigstens eine Anmutung zu hinterlassen, wie man diesen Steuerausfall zu kompensieren gedenkt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine detaillierte Ausfinanzierung kann man gar nicht verlangen, aber zumindest eine Anmutung. Ich glaube, dass es kein am Ende sinnvoller Vorschlag ist, eine halbe Milliarde Euro für eine Förderung in die Hand zu nehmen, deren Zielgenauigkeit höchst unsicher ist.

Ich bin Frau Arnoldt sehr dankbar für den Hinweis, dass die Grunderwerbsteuer an einer anderen Stelle aufgerollt werden muss. Wir haben die Situation, dass derjenige, der ein Grundstück, eine Immobilie, erwirbt, grunderwerbsteuerpflichtig wird, derjenige hingegen, der Anteile an einem Unternehmen erwirbt, das Eigentum an Grundstücken hält, grunderwerbsteuerfrei bleibt, wenn er sich unterhalb einer bestimmten Erwerbsquote hält. Das ist gerade bei konzerninternen Umstrukturierungen per se nicht zu kritisieren, aber es wird, insbesondere weil die Steuersätze einen Anreiz dazu bieten, zunehmend für Deals genutzt, die mit Steuergerechtigkeit wenig zu tun haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Deshalb haben wir in der Finanzministerkonferenz eine Initiative ergriffen, um hier zu Veränderungen zu kommen. Die Arbeitsgruppe hat in der letzten Woche ihren Zwischenbericht vorgelegt. Ich hoffe, dass wir bis zum Herbst einen Vorschlag auf dem Tisch haben werden – vielleicht sogar zwei alternative Vorschläge –, wie man an dieser Stelle zu einem Ergebnis kommen kann, das es ermöglicht, alle Erwerbsvorgänge in gleicher Weise zu besteuern, um das dadurch gewonnene Geld zur Senkung der Steuersätze zu verwenden. Man könnte auch über differenzierte Steuersätze nachdenken. Darüber kann man gerne diskutieren, aber so platt, wie Ihr Antrag daherkommt, macht es keinen Sinn, ihm zu folgen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Debatte beendet.

Es wird vorgeschlagen, den Antrag an den Haushaltsausschuss zu überweisen. – Dem widerspricht keiner.

Ich habe Ihnen mitzuteilen, dass noch einige Anträge eingegangen sind.

Erstens. Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Freihandelsabkommen CETA, Drucks. 19/4707. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Wenn keiner widerspricht, dann wird der Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 56 und kann mit Tagesordnungspunkt 8 zu diesem Thema aufgerufen werden. – Kein Widerspruch.

Zweitens. Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Wohnungsbauförderung in Hessen zeigt Wirkung, Drucks. 19/4708. – Auch hier wird die Dringlichkeit mit Freuden bejaht. Wenn niemand widerspricht, dann wird der Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 57 und kann zusammen mit Tagesordnungspunkt 20 zu diesem Thema aufgerufen werden. – Das ist der Fall.

Drittens. Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Hessen muss ein Einwanderungsgesetz mittragen, Drucks. 19/4709. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird der Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 58 und könnte nach Tagesordnungspunkt 45, der Aktuellen Stunde zu diesem Thema, aufgerufen und ohne Aussprache abgestimmt werden. – Das wird so gemacht; es herrscht allgemeine Freude.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung in der Vormittagssitzung. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung von 12:47 bis 15:01 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fahren mit der Sitzung fort.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend bezahlbares Wohnen in Hessen endlich realisieren statt nur darüber reden – Drucks. 19/4654 –