Protocol of the Session on April 3, 2014

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist fast ein Jahr her, dass wir durch die mutigen Enthüllungen des Edward Snowden erfahren haben, wie umfassend wir alle durch US-Geheimdienste überwacht werden. Im Bundestag ist es gelungen, mit den Stimmen aller Fraktionen einen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre einzusetzen, der heute seine Arbeit aufnimmt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich denke, das ist ein gutes Zeichen für Aufklärung und ein Zeichen dafür, dass diese Grundrechtsverletzung parteiübergreifend verurteilt wird.

Leider spielt Hessen in dieser NSA-Affäre eine ganz herausgehobene Rolle. Experten nennen Frankfurt die deutsche Geheimdiensthauptstadt der USA. Es ist nicht die Regierung, sondern Journalisten wie John Goetz und dem Projekt „Geheimer Krieg“ des NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ zu verdanken, dass wir wenigstens ein bisschen von dem erfahren haben, was das US-Militär und die -Geheimdienste in Hessen eigentlich tun.

Wir haben erfahren, dass das US-Konsulat in Frankfurt eine heimliche Abhörstation und eine der größten Niederlas

sungen der CIA außerhalb Amerikas ist. Hier soll auch die Einheit sitzen, die in Berlin das Handy der Kanzlerin ausspioniert hat. Von hier werden Entführungen und geheime Foltergefängnisse geplant.

Eine zweite bedeutende Einrichtung ist der größtenteils unterirdische Dagger Complex in Griesheim. Das ist ein Abhörposten der US-Armee. Der ehemalige Bürgermeister vom Griesheim, Norbert Leber, hat versucht, herauszufinden, was dort passiert. Aber er durfte nicht einmal das Gelände betreten. Der grüne Darmstädter Oberbürgermeister Partsch hat sich in einem Brief über den Umgang der Militärpolizei mit Spaziergängern beschwert, weil immer wieder Autokennzeichen fotografiert und Vorbeigehende aufgehalten wurden.

Die dritte Einrichtung ist das europäische Hauptquartier, das nach Wiesbaden-Erbenheim verlegt werden soll. Das wird einer der größten US-Militärstützpunkte weltweit. Hier wird auch ein Hightech-Zentrum für geheimdienstliche Auswertung entstehen.

DIE LINKE hat das schon vor Jahren im Landtag thematisiert, weil wir Fragen hinsichtlich dessen hatten, was dort eigentlich geplant ist. Leider blieben wir damals mit unseren Fragen und unserer mit Kritik allein.

Laut Amnesty International wurden in den letzten zehn Jahren etwa 3.000 Menschen durch US-Drohnenangriffe getötet, darunter befanden sich 1.000 Zivilisten und 200 Kinder. Diese Tötungen geschahen ohne Gerichtsverfahren und unter strengster Geheimhaltung. Die Informationen dafür kommen auch aus den US-Einrichtungen in Hessen.

Wenn von Hessen aus Menschenrechtsverletzungen vorbereitet, Entführungen und Foltergefängnisse geplant und Bürger bespitzelt werden, dann darf der Landtag und dann darf die Landesregierung dazu nicht schweigen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen keine US-Militärzentrale und kein Abhörzentrum in Wiesbaden, in denen die Kriege der Zukunft geplant werden.

Willy Brandt sagte einst:

Von deutschem Boden darf niemals wieder Krieg ausgehen.

Das gilt für uns nach wie vor. Das bedeutet auch: Von Deutschland aus dürfen keine Kriege vorbereitet und koordiniert werden. Auch deshalb unterstützen wir die diesjährigen Ostermärsche der Friedensbewegung.

(Beifall bei der LINKEN)

Edward Snowden hätte Dank und Anerkennung verdient. Ich halte es wirklich für ein Armutszeugnis, dass Deutschland und die Europäische Union Edward Snowden kein Asyl gewährt haben.

Der ehemalige Soldat Manning sitzt in den USA für 35 Jahre in Haft, weil er ein Kriegsverbrechen öffentlich machte. Wir unterstützen die Forderung nach Freiheit für Manning und nach Freiheit für Snowden, aber auch für alle anderen Whistleblower, die solche Verbrechen aufdecken und damit zur Aufklärung beitragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es reicht aber nicht, mit dem Finger auf die USA zu zeigen. Wer sich über die NSA empört, darf über die deut

schen Geheimdienste nicht schweigen. Auch sie bespitzeln Bürger, und sie werden mit immer mehr Kompetenzen ausgestattet.

In Berlin wird demnächst die neue BND-Zentrale eröffnet werden. Die Gesamtkosten dafür betragen 1,5 Milliarden €. Das hat sogar CDU-Innenpolitiker Bosbach kritisiert, der nicht gerade als Kritiker der Geheimdienste bekannt ist.

Es kann uns nicht um eine Aufrüstungsschlacht der Geheimdienste gehen. Wir wollen keine Abhörzentralen, nicht von Freunden, nicht von Konkurrenten und auch nicht von den eigenen Geheimdiensten. Geheimdienste lassen sich nicht demokratisch kontrollieren. Das zeigt die NSA-Affäre. Deshalb wäre die Abschaffung der Geheimdienste ein Beitrag zur Demokratisierung unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Datenschutz beginnt nicht erst bei Regierungs- oder Wirtschaftsspionage. Heute ist es möglich, die Kommunikation der Angehörigen ganzer Staaten abzuhören und zu speichern.

Elementare Grundrechte, wie das Postgeheimnis, das Recht auf Privatsphäre, die Meinungs- und Pressefreiheit, werden ausgehebelt. Das gefährdet demokratische Errungenschaften. Wer überwacht wird, wird erpressbar durch Informationen und Daten, die über ihn gesammelt werden.

Auch hierzulande wurde die Massenerfassung der Daten leider immer weiter vorangebracht. Das heißt: Wir brauchen eine kritische Öffentlichkeit. Wir brauchen mutige Journalisten und Menschen, die sich für den Schutz der Grundrechte engagieren.

Am vergangenen Samstag wurde zum wiederholten Mal am Dagger Komplex demonstriert. Das wurde durch das Bündnis „Demokratie statt Überwachung“ organisiert. Das unterstützen wir als LINKE ausdrücklich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort erhält Herr Abg. Heinz für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es ganz klar vorneweg zu sagen: Das im Sommer des vergangenen Jahres enthüllte Verhalten des Geheimdienstes NSA ist nicht akzeptabel.

(Beifall)

Wir haben das wiederholt einmütig im Landtag kritisiert. Wir haben das auch unter den Datenschutzpolitikern im zuständigen Ausschuss und wiederholt im Plenum besprochen. Soweit besteht sicherlich Einmütigkeit.

Ich spreche jetzt die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE an. Unsere Einigkeit endet aber sehr schnell, wenn es um die Bewertung des europäischen Hauptquartiers der USStreitkräfte in Wiesbaden und generell um die Bedeutung der US-amerikanischen Einrichtungen in Hessen geht.

Für uns gilt nach wie vor: Die Entscheidung unserer USamerikanischen Partner für Wiesbaden, und damit für Hes

sen, ist ein großer Erfolg für uns und für unser Land. Weiterhin ist das neue Hauptquartier ein Beleg dafür, wie gut und eng die Beziehungen zwischen unseren Ländern sind.

Lassen Sie mich das an dieser Stelle auch klar sagen: Es war ein persönlicher Erfolg des damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch, dass es ihm gelungen ist, das Headquarter aus Heidelberg nach Hessen zu holen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die US-Streitkräfte fühlen sich hier wohl. Es gibt vielfältige und gute Beziehungen zu Hessen. Nicht zuletzt drückt sich das auch dadurch aus – ich sage das mit einem Schmunzeln –, dass es in den vergangenen Jahren schon viele Begegnungen mit der Fußballelf des Landtags gegeben hat.

Deutschland und die Vereinigten Staaten sind seit sieben Jahrzehnten gute und hervorragende Partner. Sie arbeiten eng zusammen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Das ist eines der großen Friedensprojekte. Das ist einer der großen Erfolge deutscher Bündnis- und Außenpolitik.

Das passt auch hierzu: Die Verzahnung wird immer enger. Ein deutscher General soll Stabschef des amerikanischen Heeres in Europa mit voller Verantwortung und Befehlsgewalt werden. Das ist von amerikanischer Seite ein Zeichen für Offenheit und gute Partnerschaft. Das ist das richtige Signal nach den Vorgängen des vergangenen Sommers.

(Manfred Pentz (CDU): Genau!)

Auf dem Gelände des Quartiers in Wiesbaden entsteht unter anderem auch ein nachrichtendienstliches Zentrum. Das haben Sie angesprochen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Genau!)

Hier stehen aber militärische Interessen im Vordergrund. Die Auslandsmissionen der NATO-Truppen, also auch der deutschen Soldaten, werden nachrichtendienstlich vorbereitet und begleitet. Wenn man hier korrekt argumentiert und nicht alles durcheinanderschmeißt, wie es Frau Wissler gemacht hat, muss man schon verschiedene Sachverhalte auseinanderhalten. Man darf nicht die unzulässige Bespitzelung durch die NSA, die im vergangenen Sommer aufgedeckt wurde, mit den berechtigten Aktivitäten der Nachrichtendienste durcheinandermengen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Mit Drohnenangriffen! Völlig berechtigt!)

Sie haben sich dann während Ihrer Rede schleichend zwischen dem, was wir wissen, und dem, was Sie vermuten, hin- und herbewegt. Ob über diese berechtigten militärischen Interessen hinaus noch andere Ziele verfolgt werden, ob Verstöße gegen das deutsche Datenschutzrecht vorliegen, das wird, das haben Sie zu Recht gesagt, ab heute von dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages erörtert.