Protocol of the Session on February 1, 2012

Auf alle diese Fragen haben Sie keine Antworten gegeben. Deswegen gibt es für diese beiden Punkte eine Übergangsfrist. Alle anderen Regelungen treten sofort in Kraft.

Jürgen Frömmrich hat in der Debatte am 18. Mai 2011 gefragt: Warum nicht kopieren, wenn es gut ist? – Damit hat er den Berliner Gesetzentwurf gemeint. Ich sage: Wenn Sie wollen, können Sie ab heute das Original haben. Das ist der Gesetzentwurf, den wir vorlegen. Sie sind eingeladen, dabei zu sein. Sie müssen lediglich die Hand heben und damit diesem Gesetz zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister. – Erster Redner in der Debatte ist Herr Kollege Rudolph für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um die Brisanz und die Bedeutung der Debatte deutlich zu machen, möchte ich ein paar Zahlen nennen. Rund 600.000 Bundesbürger sind spielsüchtig oder zumindest gefährdet. Die größte Bedrohung geht von den Automaten aus. Dies zeigen Untersuchungen von Psychologen der Universität Bremen. Die Anzahl ist seit 2005 bundesweit um ein Viertel auf 230.000 Spielautomaten gestiegen.

Wenn wir uns die Zahlen in Hessen anschauen, so sagt die Landesstelle für Suchtfragen, eine anerkannte, unabhängige Instanz: In Hessen sind zwischen 11.000 und 25.000 Menschen spielsüchtig, der weit überwiegende Teil pathologisch. Die Selbstmordrate ist höher als bei Alkoholkranken. Rund 80 % der meist männlichen Glücksspieler verzocken ihr Erspartes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer diese Zahlen ignoriert, der will nicht zur Kenntnis nehmen, dass hier seit vielen Jahren Handlungsbedarf besteht.

Herr Innenminister, Sie versuchen als Ankündigungsminister hier immer zu suggerieren: Hier ist jemand, der forsch zupackt, der kennt die Probleme und löst sie. – Sie haben in den letzten Jahren nichts gemacht. Seit der Föderalismusreform 2006 hat Hessen hier die Gesetzgebungskompetenz. In den letzten sechs Jahren haben Sie nichts gemacht.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Das, was Sie vorgelegt haben, ist ein jämmerlicher Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, so viel zur Wahrheit.

Im Mai 2011 konnte man auf der Internetseite lesen: Kabinett in Hessen beschließt den Entwurf eines Spielhallengesetzes. Darin waren Eckpunkte enthalten. Sie haben den Fraktionen diesen Entwurf übersandt. Was ist davon geblieben?

Offensichtlich hat sich da jemand durchgesetzt, und es nützt auch nichts, wenn der Staatssekretär mit Ihnen spricht, um Sie abzulenken. Herr Innenminister, die Wahrheit kommt ans Tageslicht. Eben haben Sie noch die FDP gebasht. Ich finde das nicht nett. Eine Partei, die ums Überleben kämpft, muss man nicht mit Wachstum in Verbindung bringen. Das macht man einfach nicht. Die haben es im Moment schwer genug. Die haben eher Mitleid verdient, als nachzutreten. Das muss man an dieser Stelle schon sagen.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Lachen des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) – Zurufe von der FDP – Minister Boris Rhein: Eieiei!)

Meine Damen und Herren, dass ich einmal die FDP gegen Herrn Rhein verteidigen muss, das hätte ich mir auch nicht träumen lassen. Aber so ist nun einmal die Zeit.

Die Anzahl der Spielhallen in Hessen ist in den letzten Jahren von 550 Konzessionen im Jahr 2006 auf über 850 Konzessionen im Jahr 2010 gestiegen. Meine Damen und Herren, wer hier noch sagt, es besteht kein Handlungsbedarf, der hat die gesellschaftspolitische Problematik, die Dramatik nicht erkannt, die dahinter steht.

(Holger Bellino (CDU): Das sagt doch keiner!)

Herr Innenminister, das, was Sie eben vorgelegt und als einen großen Wurf dargestellt haben, ist abenteuerlich und nur noch peinlich. Dieser Gesetzentwurf fällt hinter Ihre eigenen Vorgaben zurück.

(Nancy Faeser (SPD): So ist es!)

Das, was Sie als Entwurf in das Kabinett eingebracht haben, haben Sie deutlich verschlechtert und zurückgenommen. Das können Sie Ihrem innenpolitischen Sprecher gern mit auf den Weg geben. Die Fakten sprechen für sich.

Dass Sie sich am Schluss von der FDP – einer Partei, die nun vielleicht wirklich keine Zukunft mehr hat –, aber auch von der Automatenlobby so stark in den Hintergrund haben drängen lassen, das ist bedauerlich.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich will an sechs Punkten deutlich machen, warum wir diesen Gesetzentwurf konsequent ablehnen werden.

Erstens. Der Mindestabstand zwischen Spielhallen soll nur noch 300 m Luftlinie betragen. Ursprünglich waren das 500 m. Auch gibt es keinen Mindestabstand zu Einrichtungen, die in ihrer Art vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht werden. Warum weichen Sie von Ihrem eigenen Entwurf ab? Welche inhaltliche Begründung gibt es dafür?

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Keine. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist reine Ideologie.

Zweitens. Die Ruhezeiten, in denen die Spielhallen nicht geöffnet haben dürfen, wurden in Ihrem Entwurf noch auf

acht Stunden festgesetzt. Das, was Sie jetzt einbringen, sind sechs Stunden. Herr Innenminister Rhein, was machen Sie dann in Frankfurt? Die städtische Verordnung dort schreibt Ruhezeiten von acht Stunden vor. Sie wollen die auf sechs Stunden reduzieren. Welche inhaltliche Begründung gibt es dafür? – Keine. Das ist reine Ideologie.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Meine Damen und Herren, ein wichtiger Punkt ist: Die Beschränkung der Anzahl von Spielautomaten und Spielhallen fehlt vollständig. Das ist ein ganz zentraler Punkt in dem Gesetzentwurf der GRÜNEN: nach Einwohnerzahl gestaffelt, pro 20.000 entsprechende Geräte. Warum fehlt das bei Ihnen vollständig? Offensichtlich soll das wieder der Markt regeln.

Viertens. Es fehlen Regelungen, dass die Betriebserlaubnis daran gekoppelt ist, dass jemand, der die Anforderungen des Geldwäschegesetzes nicht erfüllt, die entsprechende Erlaubnis nicht erhält. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Warum ist das nicht geregelt? Pure Ideologie.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das gibts aber schon!)

Ja, im Entwurf der GRÜNEN ist das explizit drin. Das kann man auch noch einmal deutlich machen.

(Lachen des Ministers Boris Rhein)

Fünftens. Auch das Alkoholverbot in Spielhallen ist nicht geregelt.

Punkt sechs. Jetzt kommen wir zu dem ganz interessanten Punkt: Herr Innenminister, die bestehenden Konzessionen sollen für eine Übergangszeit von 15 Jahren gelten.

Meine Damen und Herren, was ist die Begründung dafür? – Natürlich gibt es die Diskussion – wir werden das bei einem Glücksspielstaatsvertrag erleben –: Eingriff in Eigentumsrechte. Letztlich wird das in Karlsruhe landen. Das wissen wir. Warum sind aber fünf Jahre nicht ausreichend? Nennen Sie uns eine Begründung dafür, warum eine Übergangsfrist von fünf Jahren für bestehende Konzessionen nicht ausreicht. Das ist völlig unmöglich und reine Ideologie.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die Bekämpfung der Spielsucht und der daraus erwachsenden volkswirtschaftlichen Schäden muss entgegengewirkt werden, und zwar konsequent. Das wird durch Ihren Gesetzentwurf überhaupt nicht möglich.

Ich habe das schon bei der Lesung des Gesetzentwurfs der GRÜNEN gesagt: Wir brauchen noch weitere Verschärfungen. Ich bin sehr dafür – denn anders bekommen wir die Spielsucht nicht in den Griff –, dass die Quadratmeterzahl pro Spielgerät erhöht wird; die Mindestspieldauer muss angehoben werden; der maximale Spielverlust muss gesenkt werden. Auch die Gewinnmöglichkeiten müssen reduziert werden.

(Minister Boris Rhein: Aber nicht durch den Lan- desgesetzgeber!)

Nein. Aber Sie haben die Möglichkeit, über eine Bundesratsinitiative tätig zu werden. Herr Innenminister, nicht nur immer ankündigen und die Backen aufblasen,

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

sondern einmal konkret handeln. Das ist Ihr Job, den Sie als Innenminister hier an dieser Stelle zu verrichten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Die Kollegin Pauly-Bender hat eine Menge Arbeit in den Entwurf zum Hundegesetz gesteckt. Ihr haben Sie zugerufen: Schnelligkeit geht vor Gründlichkeit. Sie arbeiten langsam – und bei Ihnen kommt nichts heraus. Das ist keine Alternative, die Sie uns hier ernsthaft anbieten können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema Glücksspiel und Bekämpfung der Spielsucht ist viel zu wichtig, um es den Ideologen des Marktes zu überlassen.

(Minister Boris Rhein: Das ist selbst für die SPD- Fraktion niveaulos!)

Nein, nein, Herr Innenminister, Sie sollten sich durchaus einmal die Regelung in Berlin anschauen. Der Gesetzentwurf dort ist weitergehend.