Protocol of the Session on February 1, 2012

Sehr geehrte Frau Dr. Pauly-Bender, in Ihrem Entwurf entsteht allerdings die Pflicht zur Versicherung bereits sofort, ab der Geburt. Im niedersächsischen Hundegesetz, welches Sie als vorbildlich bezeichnen, wird jedoch eine Versicherungspflicht erst für Hunde, die älter als sechs Monate sind, vorgeschrieben.

Auch ist in § 2 Ihres Entwurfs das Führen von normalen Hunden nur mit Sachkundenachweis erlaubt. Das geht doch etwas an der Lebenswirklichkeit vorbei. Auch ich muss gelegentlich Verwandte oder Bekannte für die kurzfristige Betreuung unseres Hundes in Anspruch nehmen. Ist das jetzt Schwarzgassigehen?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Auch hierin unterscheidet sich das niedersächsische Gesetz von Ihrem Entwurf. Eine Chippflicht für gefährliche Hunde besteht bereits in Hessen. Verantwortungsvolle Halter lassen schon heute ihre Hunde impfen und chippen, um allein schon bei Reisen einen sicheren Nachweis über Impfungen wie die Tollwutimpfung führen zu können.

EU-rechtlich ist die Verbringung von Hunden zwischen den Mitgliedstaaten schon seit dem letzten Jahr der Chippflicht unterworfen.

Im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage in Hessen sieht Ihr Entwurf vor, alle Hunde zunächst einmal grundsätzlich als ungefährlich einzustufen. Es muss also erst etwas passiert sein, damit ein Hund als gefährlich eingestuft werden kann.

Ich glaube, da müssen wir deutlich behutsamer vorgehen. Neben den objektiv feststellbaren Gefährdungen durch statistisch erfasste Beißattacken müssen wir auch auf das subjektive Befinden der Bevölkerung Rücksicht nehmen. Zum Beispiel kann aus Sicht eines kleinen Kindes schon ein mittelgroßer Hund eine nicht unerhebliche Bedrohung darstellen.

Zum anderen sind größere Hunde zum Teil aufgrund ihres Körpers und ihres Knochenbaus von kleinen zierlichen Hunden zu unterscheiden. Das sagt freilich noch nichts über deren Aggressivität aus.

Die FDP setzt auf Freiheit und Verantwortung.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Der Markt wird es schon richten!)

Verantwortliche Halter sollen ihre Hunde auch grundsätzlich frei halten dürfen. Die Freiheit eines Hundehalters endet aber dort, wo die Freiheit und die Gesundheit anderer unzumutbar eingeschränkt wird.

(Beifall bei der FDP)

Ein Leinenzwang innerhalb geschlossener Ortschaften kann schon im Hinblick auf die sonst nicht kontrollierbaren Hinterlassenschaften sinnvoll sein. Das sollten aber die Kommunen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung frei festlegen dürfen.

Auch eine Vermittlung grundsätzlicher Sachkunde über Hundehaltung vor Erwerb eines Hundes halte ich für sehr sinnvoll. Hier ist aber höchst fraglich, inwieweit man eine Lösung finden kann, mit der einerseits tatsächlich Sachkunde vermittelt wird, andererseits darf es aber nicht dazu führen, dass nur noch wohlhabende Bürgerinnen und Bürger Hunde halten können.

Gestatten Sie mir erneut den Hinweis auf die Selbstverantwortung. Halter sollten ein eigenes Interesse an Sachkunde haben. Züchter und Tierheime sollten sich überlegen, ob sie nicht entsprechende Nachweise fordern.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sollten da aber nicht übertreiben. Deshalb setzen wir bei dieser Frage vor allem auf die freiwillige Teilnahme an Hundelehrgängen und Prüfungen. Das gibt es z. B. vom Verband für das Deutsche Hundewesen, dem VDH.

Die Kosten einer Haftpflichtversicherung könnten hier entsprechend steuernd wirken. Auch ist es den Kommunen möglich, im Rahmen der Hundesteuer entsprechende Anreize zu schaffen. Die Situation in einer Großstadt ist auch anders zu bewerten als die im ländlichen Raum.

Information ist jedoch das A und O. Die Internetseite des schweizer Bundesamt für Veterinärwesen hält beispielsweise sehr viele Informationen für Menschen bereit, die ein gespaltenes Verhältnis zu Hunden haben. Dort können sie sehr interessante Broschüren herunterladen. Zum Beispiel gibt es die Broschüre:

Ich habe Angst vor Hunden – ein kleiner Ratgeber zur Bissprävention

Für Kinder gibt es:

Tapsi, komm...

Das ist ein Ratgeber für Kinder ab vier Jahren.

Ich komme zurück zu der Frage: Brauchen wir ein Hundegesetz, oder können angedachte Veränderungen nicht mit der gültigen Hundeverordnung geregelt werden? – Wir werden hinsichtlich dieser Frage ergebnisoffen in die Anhörung und die Beratungen gehen. Dabei werden wir sowohl die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Interessen der überwiegend verantwortungsvollen Mehrheit der Hundehalter angemessen berücksichtigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat nun Herr Abg. Bocklet für die Fraktion der GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, viele Abgeordnete dieses Hauses sind offensichtlich schon Gassi gegangen. Es sind ein bisschen wenig hier im Saal zu diesem Thema.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es ist in der Tat doch ein sehr ernstes Thema. Ich will das einmal an einer Zahl deutlich machen.

Herr Innenminister, wie Sie sehen können, habe auch ich jetzt schon die Boris-Rhein-Lesebrille. – Die hessische Beißstatistik zeigt, dass wir im Jahr 2010 in Hessen 278 verletzte Menschen hatten. Sieben davon waren schwer verletzt. Lassen Sie mich das betonen: Jeder einzelne Vorfall ist einer zu viel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Darüber darf es in diesem Haus keine zwei Meinungen geben. Ich will noch hinzufügen: Laut dem Berufsverband der Kinderärzte wurden im Jahr 2010 rund 40.000 Menschen in Krankenhäusern aufgrund von Bissen behandelt. Das waren 40.000 Menschen in Deutschland. 60 % davon sind Kinder.

Ich finde, das kann nur eine Diskussion darüber auslösen, wie dem Schutzauftrag des Staates auf körperliche Unversehrtheit und dem Leben aller Menschen in diesem Land noch besser Rechnung getragen werden kann. Da darf es keine zwei Meinungen geben. Dem Schutz unserer Menschen in diesem Land muss der Vorrang gelten. Ich glaube, darin muss sich dieses Haus einig sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich noch einen Satz hinzufügen. Ich glaube, dass wir uns da sehr einig sein werden. Für viele Menschen ist das Halten eines Hundes eine Bereicherung ihres Lebens.

Mit Rücksicht und Toleranz ließen sich in unseren Städten und Gemeinden die meisten Konflikte vermeiden. Ich glaube, auch das ist sicherlich eine Binsenweisheit. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir diese oftmals vorkommenden Vorfälle haben. Wir müssen alles daran setzen, dass deren Zahl reduziert wird.

Ich möchte mit meinen Ausführungen hinsichtlich der Frage fortfahren, wie einig wir uns bei bestimmten Vorschlägen sind. Meine Fraktion hat bereits im Juni 2011 einen Antrag zu diesem Thema eingebracht. In diesem Zusammenhang haben wir die in dem Gesetzentwurf angesprochenen Punkte mit bearbeitet.

Einigkeit herrscht hinsichtlich der Frage, dass wir das Wiedererkennen eines entlaufenen Hundes durch das sogenannte Chippen sicherstellen wollen. Ich glaube, das ist die richtige nachsorgende Maßnahme. Wenn der Hund entlaufen ist, kann man den Hundehalter feststellen.

Weitgehende Einigkeit mit diesem Flügel des Hauses besteht auch darin, dass wir eine Haftpflichtversicherung für

alle Hundebesitzer brauchen. Ich denke, das wird zukünftig eine Selbstverständlichkeit sein.

Ich glaube auch, dass Einigkeit hinsichtlich der Frage besteht, dass alle Hundebesitzer zukünftig einen Sachkundenachweis erbringen müssen. Die Frage ist nur noch, wie man das regelt. Da warte ich auf die Ergebnisse der Anhörung und die Diskussion im Ausschuss. Das könnte man z. B. mit dem goldenen Zügel tun, indem man sagt: Ihr müsst Hundesteuer bezahlen, wenn ihr aber den Sachkundenachweis erbringt, wird die Hundesteuer geringer sein.

Man könnte das auch mit einer landesweiten Verpflichtung machen. Über den Weg können wir streiten. Aber das Ziel ist doch, dass wir am Ende erreicht haben wollen, dass alle Hundebesitzer dieses Landes nachweisen, dass sie Sachkunde besitzen. Darüber darf es doch keine zwei Meinungen geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD))

Jetzt komme ich zu dem Thema, das nachhaltig umstritten ist. Da möchte ich noch einmal ausdrücklich Frau PaulyBender und Frau Ursula Hammann danken, dass sie mit ihrer Beharrlichkeit dieses Thema seit über einem Jahr immer wieder auf die Tagesordnung dieses Hauses gebracht haben. Wie ich finde, weisen beide Abgeordnete zu Recht darauf hin, dass mit der Hunderasseliste nur ein Teil des Problems gelöst werden kann und dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, ob das Aufstellen dieser Rasseliste richtig ist und, falls das nicht der Fall ist, was wir damit tun.

Frau Pauly-Bender und die Mitglieder der SPD-Fraktion kommen zu der Auffassung, die Rasseliste sollte abgeschafft werden, weil der Sachkundenachweis ein hinreichender Ersatz wäre. Meine Fraktion teilt diese Position nicht.

Frau Pauly-Bender, Sie haben insofern recht, als dass die Hunderasseliste das Problem allein nicht lösen wird. Wir sind aber der Auffassung, dass auf dieser Rasseliste Tiere zu finden sind, die grundsätzlich ein größeres Gefahrenpotenzial darstellen. Da können Sie als Beispiel Nord rhein-Westfalen, die Fragestellung hinsichtlich der gefährlichen Hunde oder die großen Hunde nehmen. Grundsätzlich stellen manche Hunde ein größeres Gefahrenpotenzial dar. Dabei geht es nicht um die Frage in einer Debatte über Biologie und Philosophie, ob jedes Hündlein, das auf die Welt kommt, per se gefährlich ist.

Natürlich ist es eine Binsenweisheit, zu sagen, ein großes Problem sei auf der anderen Seite der Leine zu finden, denn die Hundehalter würden die Hunde scharfmachen. Ein gewisses Milieu macht nun halt einmal nicht einen Pudel oder einen Dackel scharf, sondern es macht die Kampfhunde scharf. Warum tun sie das? – Sie tun das, weil es dort ein größeres Gefahrenpotenzial gibt. Das muss man anerkennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da nützt es auch nichts, zu sagen: Ach du liebe Güte, auch ein Dackel und ein Pudel haben schon einmal gebissen. – Natürlich ist das so. Es ist auch schon einmal jemand in einer Pfütze ertrunken. Das ist überhaupt nicht das Problem.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Natürlich kommt so etwas vor. Aber unsere Lebenserfahrung, ein Blick in die Großstädte und ein Blick in die Milieus zeigt, dass mit der Hunderasseliste ein Steuerungsinstrument implantiert wurde, das nachhaltig erfolgreich ist.

Herr Innenminister, wir haben da in Hessen keine große Berichterstattung. Da könnte man auch noch ein bisschen nachbessern. In Nordrhein-Westfalen ist vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2010 die Zahl der Hunde, die sich auf dieser Liste befinden, von 12.000 auf 10.000 zurückgegangen. Bei der Gruppe der betroffenen Hunde, über die wir reden, ist ein deutlicher Rückgang zu erkennen.