Protocol of the Session on February 1, 2012

Auch dass die Kommunen erst im Jahr 2013 eine Entlastung in ihren Haushalten spüren werden, ist sehr bedauerlich. So müssen sie sich noch aus für sie finanziell schwe

ren Zeiten ein Jahr hinüberretten. Hier hätten wir uns eine schnellere und wirksamere Hilfe für die Kommunen gewünscht.

Ob der Schutzschirm wirklich ein attraktives Angebot für die Kommunen ist, wird sich erst noch zeigen. Es ist ein zwiespältiges Angebot für die Kommunen, weil sie sich strengsten Sparauflagen unterwerfen müssen, um die 46 % Entschuldung zu erhalten. Für die Kreise gibt es sogar nur 34 %.

(Zuruf von der CDU: Das war der Wunsch der Kreise!)

Schauen Sie sich nur einmal die Verschuldung der Kreise an. Aber danke schön. Wie titelte eine Zeitung so schön: Schuldenfrei, aber tot. – Mittlerweile ist es so, dass sich Bürgermeister und auch Landräte zumindest in der Presse skeptisch äußern, weil sie zu Recht die Gefahr sehen, jegliche kommunale Autonomie zu verlieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Großes Jubelgeschrei sieht also anders aus. Hier ist eher eine kritische Zurückhaltung zu vermelden.

Es ist richtig, das Problem der hohen Kassenkredite anzugehen. Während im Jahr 2009 noch 246 Kommunen da rauf verzichten konnten, Kassenkredite aufzunehmen, waren es im Jahr 2010 nur noch 173 Kommunen. Das zeigt sich auch in den absoluten Zahlen: Hier gibt es eine Steigerung von 3,7 Milliarden € in 2009 auf 5 Milliarden € in 2010 zu verzeichnen.

Die mit den Kommunalen Spitzenverbänden geschlossene Rahmenvereinbarung sieht mehrere Stufen der Auflagen vor. Es ist keine leichte Entscheidung, die die Gemeindevertretungen hier zu fällen haben. Ich hoffe sehr, dass die Diskussionen dort sachlich-konstruktiv geführt werden und nicht in einem ideologischen Schlagabtausch enden. Deshalb sehen wir auch das Land in der Verantwortung, die Verantwortlichen vor Ort tatkräftig zu unterstützen und die Gespräche nicht nur mit Bürgermeistern und Gemeindevertretern, sondern auch mit wichtigen Akteuren in den Kommunen zu suchen, damit für die Aufnahme des Angebots auch in der Bevölkerung eine breite Zustimmung gewonnen werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So ist es auch zu begrüßen, dass es Zinshilfen geben wird. Dies erhöht auch für die Kommunen die Flexibilität. Aber durch die lange Laufzeit von 30 Jahren werden die Kommunen in den Ergebnishaushalten in den ersten Jahren nur eine geringe Entlastung durch reduzierte Zinsbelastungen erfahren. Sie werden sicher ganz genau nachrechnen, inwieweit sich der Rettungsschirm für sie lohnt und ob die Auflagen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Deshalb ist die Forderung der Landesregierung nach einer großen Mehrheit, am besten einer Zweidrittelmehrheit, durchaus nachzuvollziehen.

Die in den Kommunen individuell abzuschließenden Vereinbarungen und Auflagen müssen über einen langen Zeit raum in der Gemeindevertretung gehalten und auch erfüllt werden. Bis zum Jahr 2020 soll immerhin ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. Auf meine Nachfrage im Ausschuss, wie die einzelnen Stufen der Konsolidierungsauflagen aussehen würden, erschien mir die Antwort, dass dies in die Selbstverantwortung der Kommunen gelegt werden solle, doch zu dünn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich wird die Begleitung vom Landesrechnungshof in Kooperation mit der Uni Hamburg eine Unterstützung für die Kommunen sein; auch die Benchmarks können helfen. Aber die Unsicherheit und die Ungewissheit darüber, wie die Auflagen konkret aussehen, schüren die Angst bei den Menschen vor Ort – und dem muss abgeholfen werden.

Das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Kommunen an einer chronischen Unterfinanzierung leiden und ihr strukturelles Defizit auch mit diesem Rettungsschirm nicht ausgleichen können. Es gehört zur Wahrheit, dass es Kommunen gibt, die die Bedingungen nicht erfüllen können. Auch die erfreulicherweise wieder steigenden Steuereinnahmen reichen in etlichen Kommunen eben nicht aus, um die immer noch drückenden Soziallasten und andere Steuerausfälle, die von der Bundesebene zu kompensieren sind, auszugleichen.

Mittlerweile haben die hessischen Kommunen mit ihrem Gesamtdefizit einen Anteil von 34 % am gesamtdeutschen Finanzierungsdefizit aller Kommunen. Bei den Landkreisen sieht es sogar noch schlimmer aus. Deshalb muss diese Landesregierung auch durch aktives Handeln auf Bundesebene die Einnahmeseite der Kommunen verbessern und z. B. auch für die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer sorgen, anstatt für weitere Steueränderungen den Kommunen dringend notwendige Finanzmittel zu entziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gemeindefinanzen müssen auf solide Füße gestellt werden. Die Landesregierung hat für eine angemessene kommunale Finanzausstattung zu sorgen und dafür insbesondere auch den KFA grundlegend zu reformieren. Der Schutzschirm ist ein kleiner Schritt, um die Kommunen zu unterstützen, aber er ist nicht mehr. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Enslin. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Noll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist manchmal sehr hilfreich, wenn man sich vor Beginn der Debatte und auch vor Beginn der Stellungnahmen zum Thema Gedanken darüber macht, wie die Ausgangslage war und ist. Deswegen möchte ich zu Beginn einmal das zitieren, was Ministerpräsident Volker Bouffier als Eingangs- und Startsignal für den kommunalen Schutzschirm in seiner Regierungserklärung gesagt hat. Ich glaube, das war auch Maßstab für die Regierungsfraktionen, den kommunalen Schutzschirm zu gestalten – nichts anderes, keine Wunschkiste, kein Wolkenkuckucksheim, sondern die nackte und klare Ausgangslage.

(Heiterkeit des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung am 7. September 2010 Folgendes gesagt

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auch nackt?)

nein, aber mit nackten Fakten unterlegt –:

Wir bieten den hessischen Kommunen die Einrichtung eines kommunalen Schutzschirms an, um die Bekämpfung der Verschuldung unserer Kommunen gemeinsam angehen zu können.... Wir bieten an, kommunale Verbindlichkeiten nach dem Bedürftigkeitsprinzip in einem Fonds zu bündeln und zur langfristigen Tilgung einen Betrag von bis zu 3 Milliarden € aus Landesmitteln zu leisten.... Mit dieser partiellen Schuldenübernahme wollen wir Not leidenden Städten, Gemeinden und Landkreisen spürbar helfen.... Wir wollen bedarfsorientiert und zielgenau und nicht nach dem Gießkannenprinzip helfen. Unser Konsolidierungsangebot meint Hilfe zur Selbsthilfe.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

... Dieser kommunale Schutzschirm ist ein Hilfsangebot, das jede einzelne Kommune annehmen kann, aber nicht muss.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vor diesem Hintergrund hat sich für die Gestaltung dieses Schutzschirms natürlich auch eine klare Rahmenbedingung ergeben. Es musste zunächst einmal sichergestellt werden, dass nur bedürftige Kommunen diesen kommunalen Schutzschirm in Anspruch nehmen und nicht nach dem Gießkannen- und Ausschüttungsprinzip verfahren wird, wie ich das jetzt aus den beiden von SPD und GRÜNEN eingebrachten Anträgen leise erkenne, ebenso von Stimmen, die im Lande so laut werden und rufen, was die Landesregierung alles hätte machen können sollen, und die mehr Geld fordern. Nein, es galt das Bedürftigkeitsprinzip.

Es galt auch, Kriterien festzulegen, die für jeden gleich sind – diesen Schutzschirm nicht nach dem Nasenprinzip, sondern nach klaren und objektiven Kriterien zu gestalten. Das ist ebenfalls eine Aufgabe gewesen. Es galt auch, diesen Schutzschirm zielgenau zu gestalten. Das heißt nicht irgendwie, sondern klar, konzentriert auf die Reduzierung der Schuldenlasten der Kommunen, und dies nicht in Investitionszuschüssen oder Ähnlichem untergehen zu lassen. Er musste ausschließlich und allein passgenau auf die Schuldensituation der Kommunen ausgerichtet werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es galt natürlich, das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe umzusetzen, aber nicht nach dem Motto: Land, dann gib einmal. Dann geht es uns wieder ein paar Jahre gut, und dann sind wir in der gleichen Ausgangssituation wie zuvor.

Vielmehr galt es, das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe umzusetzen. Der Herr Ministerpräsident hat dies in seiner Regierungserklärung klar formuliert. Die Konsolidierungsbemühungen der Kommunen in Verbindung mit der Teilschuldenübernahme durch das Land sind das Konzept.

Genau das war die Grundlage für die Umsetzung dieses kommunalen Schutzschirms. Dies war also kein Wolkenkuckucksheim. Dies umfasste auch keine anderen Begehrlichkeiten, wie es zum Teil aus den Anträgen der Opposition herauszulesen ist. Das ist die Ausgangslage, meine Damen und Herren.

Das Land wird deswegen insgesamt 3,2 Milliarden € für diese Hilfe zur Verfügung stellen. Es werden ausschließlich Teilschuldenreduzierungen vorgenommen und nichts

anderes. Darüber hinaus wird es eine Zinsunterstützung geben, damit man trotz der zinsschwachen Zeiten mittelfristig und langfristig eine Entlastung der Haushalte erreicht.

Das mag bei einigen Kommunen nicht sofort zu einer Entlastung des Ergebnishaushalts führen. Das ist aber auch nicht die gesamte Palette der Erscheinung. Sie werden im Finanzhaushalt eine deutliche Veränderung spüren, wenn 100 Millionen € bei Landkreisen oder eine andere Summe sofort an Schuldenlasten reduziert werden. Dann reduziert sich dementsprechend auch die Tilgung. Das hat also eine unmittelbare Auswirkung auf die Liquidität der Kommunen. Das ist auch ein ganz wesentlicher Aspekt, der zur Entlastung der kommunalen Haushalte beiträgt. Das kann man doch nicht einfach unter den Tisch kehren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aufgrund der Zinssicherheit wird sich mittelfristig eine deutliche Entlastung für die kommunalen Haushalte ergeben, sofern die Entlastung nicht schon jetzt stattfindet. Ich weiß nicht, was Sie unter kommunaler Haushaltspolitik verstehen. Für Sie ist offensichtlich nur der Ergebnishaushalt relevant. Aber auch die Finanzhaushalte stellen einen wesentlichen Aspekt der kommunalen Haushaltswirtschaft dar. Deshalb muss auch an dieser Stelle angesetzt werden.

(Torsten Warnecke (SPD): Ah, ja!)

Ich stelle fest, dass Sie mit permanenter Akribie diesen kommunalen Schutzschirm schlechtmachen.

(Zuruf von der SPD: Ist er auch!)

Dies will ich Ihnen an einem Beispiel aufzeigen. Es gibt den Vizepräsidenten des Hessischen Landkreistages, Erich Pipa.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Das ist dein Freund! Gell?)

Ja, er ist aber auch immer wieder eine profunde Quelle, wenn es um Zitate geht. – Dieser hat am 14. Dezember 2011 Folgendes öffentlich erklärt. Dies ist sicherlich in einem Provinzblatt erschienen. Als Vizepräsident des Hessischen Landkreistages erscheint man aber nicht nur in Provinzblättern. Jetzt gebe ich aber einmal seine Äußerung gegenüber dem „Gelnhäuser Tageblatt“ wieder. Es ist schließlich egal, wo es stand, auf alle Fälle hat er es gesagt. Da heißt es:

Wie Erich Pipa, Landrat des Main-Kinzig-Kreises und Vizepräsident des Hessischen Landkreistags, auf Anfrage bestätigte, habe sich nach interner und auch leidenschaftlicher Debatte

bei Erich Pipa kann ich verstehen, wie leidenschaftlich die Debatte war –

die Ansicht durchgesetzt, dass der Rettungsschirm aus Wiesbaden für die nur rund 100 der 426 Gemeinden, die unter diesen Rettungsschirm schlüpfen könnten, ein schlechtes Geschäft sei; denn – so verdeutlichte Pipa –, „man nimmt uns 14 Milliarden € in 30 Jahren weg und gibt uns dafür 2,8 Milliarden € zurück.“

(Zuruf des Abg. Manfred Görig (SPD))

In der vergangenen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des Kreistages hat der gleiche Vizepräsident ein Blatt in die Masse gewedelt und mit stolzgeschwellter Brust verkündet, wie toll er doch den Rettungsschirm