Protocol of the Session on December 15, 2011

Aus dem Parlament liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor. – Herr Kollege Lenders.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Lenders, sagen Sie einmal: „Öffentlich vor privat“!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Öffentliche Daseinsvorsorge in Bezug auf Wohnungsbau, das entspringt einem Gedanken aus den Fünfziger-/Sechzigerjahren.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das steht in der Verfassung!)

Heute muss man solch eine Vorstellung deutlich differenziert betrachten. Längst haben wir einen Wohnungsmarkt, der an der einen Stelle ein Überangebot hat und an der anderen Stelle, zumal im Ballungsraum, immer noch Probleme aufweist.

Meine Damen und Herren, ich komme zu dem Antrag der SPD. Darin wird die Forderung nach der Sicherung der gleichen Lebensverhältnisse aufgestellt. Ich habe mir ein paar Auszüge angeschaut, was die Verfassungskommentare dazu sagen. Ich will jetzt aber nicht im Einzelnen darauf eingehen. Aber sehr schön ist ein Zitat. Herr Präsident, Sie gestatten mir, dass ich die „Financial Times“ aus dem Jahr 2004 zitiere:

Bekenntnis zum sozialen Bundesstaat nach Art. 20 Grundgesetz muss „allüberall“ verwirklicht werden, gleichwertig ist aber nicht gleich. Im Sauerland hätten die Löhne früher bei 85 % des Niveaus im Ruhrgebiet gelegen. „Aber die Mieten waren billiger und die Luft gesünder.“

Meine Damen und Herren, das ist ein Zitat von Franz Müntefering, SPD.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wir kommen mit dem Vergleich der Lebensverhältnisse und mit dem Verweis auf die Verfassung also nicht wirklich weiter. Schauen wir uns an, wo das Problem bei der Nassauischen Heimstätte liegt. Ich will für die Liberalen sagen: Privatisierung an sich ist noch kein Wert. Aber bei der Nassauischen Heimstätte und vor allem bei der Wohnstadt haben wir strukturelle Probleme in der Personalstruktur. Auch beim Portfolio haben wir Probleme, weil die Wohnstadt stark verankert ist im schwachen nordhessischen Markt.

Wir haben aber auch Liquiditätsprobleme. Das führt dazu, dass wir einen Investitionsstau haben. Würde man den Wohnungsbestand der Wohnstadt sanieren wollen – ich habe es einmal ausgerechnet –, bräuchte man rund 30 Jahre, um aus den Möglichkeiten, die die Wohnstadt hat, zu einem adäquaten Wohnbestand zu kommen.

Meine Damen und Herren, das heißt übersetzt: Die Wohnstadt, die Nassauische Heimstätte brauchen neue Impulse von außen. Die Lösung kann natürlich nicht sein, um wieder Franz Müntefering zu zitieren, das an eine Heuschrecke zu verkaufen. Das wollen wir als FDP mit Sicherheit nicht. Aber es gibt auch andere Unternehmen. Ich kann mir z. B. vorstellen, dass die GWH in ein solches Modell eintritt. Ich kann mir vorstellen, dass es unter dem Dach der Helaba passiert.

Herr Siebel, Sie wollen doch nicht allen Ernstes behaupten, dass die GWH ein unsoziales Unternehmen sei, das keine Verantwortung für die Mieter trage. Das werden Sie doch nun wirklich nicht behaupten wollen. Herr Siebel, Sie sind es, der die Mieter ein Stück weit verunsichert.

(Michael Siebel (SPD): Sie verunsichern die Mieter! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Herr Siebel, ich hoffe, dass Sie nicht deshalb Ängste schüren wollen, weil Sie meinen, daraus politischen Vorteil schlagen zu können. Ich fordere Sie auf, über das Thema „Veräußerung der Nassauischen Heimstätte“ sachorientiert zu diskutieren und keine Ängste zu schüren. So etwas sollten wir aus den Debatten heraushalten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Caspar, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Immer dann, wenn irgendeine Wahl anliegt – in diesem Fall die Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main –, zieht die SPD ein Thema hoch, um den Menschen, in dem Fall den Mieterinnen und Mietern, Angst zu machen. So ist es auch diesmal wieder.

Wenn Sie hier davon sprechen, dass ein „vergiftetes Paket“ unter den Weihnachtsbaum gelegt werde,

(Zurufe von der SPD)

dann muss man antworten, dass Sie den Menschen auf perfide Art und Weise Angst machen wollen und dabei die Tatsachen völlig verdrehen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Tatsache ist doch, dass es seit Langem Überlegungen gibt, wie man die Dinge besser strukturieren kann. Selbstverständlich ist keineswegs daran gedacht, die Wohnungsbestände an Heuschrecken zu verkaufen, dass die Mieterinnen und Mieter Angst haben müssen, wie Sie es hier dargestellt haben.

Das Beste waren die Ausführungen von Herrn Schaus, der Boris Rhein attackiert hat.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nein, ich habe meine Sorge zum Ausdruck gebracht! Ich habe ihn nicht attackiert!)

Wenn Sie das Thema schon ansprechen, Herr Schaus: Sie liegen völlig falsch, denn Boris Rhein war derjenige, der sofort Gespräche in Frankfurt am Main geführt hat, als das Thema aufkam, und sich mit dafür eingesetzt hat, dass das ganze Paket in öffentlicher Hand bleibt, wenn es Veränderungen gibt. Wenn die Mieterinnen und Mieter also jemandem in dieser Situation ihre Sicherheit zu verdanken haben, wenn ihnen jemand ein beruhigendes Geschenk unter den Weihnachtsbaum gelegt hat, dann waren dies Boris Rhein und Finanzminister Schäfer, die sich für die Nassauische Heimstätte eingesetzt haben. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie „sorgfältig“ Sie von der SPD-Fraktion diesen Antrag produziert haben, sieht man daran, dass Sie nicht einmal in der Lage sind, die Gesellschaft, um die es geht, richtig zu schreiben. Herr Siebel, die Gesellschaft heißt Nassauische Heimstätte, nicht „Heimstädte“.

(Lachen bei der SPD)

Sie sehen, auf welchem Niveau Sie hier agieren, wenn Sie noch nicht einmal den Namen kennen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ihnen geht es nur darum, den Menschen Angst zu machen – und das in der Vorweihnachtszeit. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Lebhafte Zurufe von der SPD und der LIN- KEN)

Die Landesregierung wird, wie ich annehme, hierzu etwas sagen und darlegen, was sie vorhat. Wir von der CDUFraktion sind natürlich für Veränderungen offen. Wir wollen aber immer sichergestellt haben, dass die Rechte der

Mieterinnen und Mieter gewahrt bleiben. Diese werden am besten dadurch gewährleistet, dass das Unternehmen in Strukturen verbleibt, die der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Insoweit glaube ich, dass die Mieterinnen und Mieter der Nassauischen Heimstätte die Weihnachtszeit sehr beruhigt verbringen können.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der LINKEN)

Das Wort hat der Kollege Klose für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Caspar, ich finde Ihre Ausführungen bemerkenswert: Der Finanzminister gibt der „FAZ“ ein Interview, verunsichert die Beschäftigten, die Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner, die Mieterinnen und Mieter, und Sie beschuldigen die Opposition, die Menschen zu verunsichern. Es waren Ihr Minister und Herr Rentsch, die sich dazu geäußert haben, sonst niemand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Deshalb erhebe ich jetzt die Forderung, die Landesregierung möge uns sagen, was damit gemeint ist. Der Herr Finanzminister hätte sich ja vorher überlegen können, ob er das Thema im Interview anspricht und wie er das tut. Er sollte eigentlich dankbar sein, dass er jetzt und hier von der SPD-Fraktion die Gelegenheit eingeräumt bekommt, das näher zu erläutern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zur Begründung: Die Landesregierung und ihre Vorgängerin stellen die Heimstätte seit 1999 immer wieder in Abrede. Zur Begründung für diesen neuerlichen Aufguss können wir in der „FAZ“ – und zwar bemerkenswerterweise nicht vom Finanzminister, sondern aus dem Munde von Herrn Rentsch – lesen: „Wir trennen uns von Sachen, die wir nicht mehr benötigen. Und wir setzen um, was wir im Koalitionsvertrag beschlossen haben.“ – Das ist beinahe peinlich, denn auch wenn man das vielleicht auf die aktuell sehr bewegte Lage Ihrer Partei zurückführen will, muss man sagen: Das steht nicht in Ihrem Koalitionsvertrag – jedenfalls nicht in dem Teil, der öffentlich bekannt ist.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da steht nämlich, dass Sie die Landesbeteiligungen auf ihre strategische Sinnhaftigkeit untersuchen wollen; wenn Sie dabei zu dem Schluss kommen, eine Beteiligung sei nicht sinnvoll, dann wollen Sie die Finanzkrise vorbeigehen lassen, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Das steht in Ihrem Koalitionsvertrag. Falls Sie heute von hier aus die Finanzkrise für erledigt erklären wollen, bitte sehr. Für die „heute-show“ morgen Abend dürfte es noch reichen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Auf der nächsten Seite wird Finanzminister Dr. Schäfer in der Überschrift mit den Worten zitiert: „Privatisierung ist kein Selbstzweck“. – Herr Minister, das ist richtig. Diese Erkenntnis scheint bei Ihnen zumindest vorhanden zu sein. Es fehlt Ihnen aber offensichtlich entweder an der richtigen didaktischen Vermittlung oder an der Durchsetzungskraft gegenüber Ihrem Koalitionspartner. Das ist bedauerlich. Für Ihren Koalitionspartner steht der Verkauf nämlich offenbar fest, während Sie noch nicht ganz so sicher zu sein scheinen; jedenfalls wollen Sie den Eindruck erwecken. Das muss uns große Sorgen machen, denn bei allen Themen der sozialen Infrastruktur des Landes hat sich in dieser Regierung bisher der Schwanz durchgesetzt und mit dem Hund gewackelt. Sie haben die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft – übrigens nach wie vor ohne jeden Ersatz. Sie sind hier und im Bund munter dabei, wenn die „Soziale Stadt“ kaputtgespart wird. Jetzt legen Sie die Axt an ein öffentliches Wohnungsunternehmen. Sie schlagen sich Ast für Ast Ihre sozialpolitischen Identität ab – auch die war einmal ein zentraler Teil des Programms der Volkspartei CDU – und werfen die Äste Ihrem ertrinkenden Koalitionspartner zu. So, meine Damen und Herren von der CDU, werden Sie am Ende mit untergehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Minister Schäfer, Sie halten laut dem Interview die Beteiligung an der Fraport für eine strategische Beteiligung, die an der Nassauische Heimstätte aber nicht. Ich sage Ihnen: Das Engagement des Landes bei der Heimstätte ist ein strategisches Investment, auf das gerade jetzt nicht verzichtet werden darf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Gerade in den Ballungsräumen – Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt gehören nach wie vor zu den teuersten Pflastern in der Republik – ist es notwendig, dass es jemanden gibt, der preisgünstigen Wohnraum anbietet. Gerade bei den verbliebenen „Soziale Stadt“-Projekten, die Herr Posch gern in Broschüren preist, ist die Zusammenarbeit der Kommunen mit den öffentlichen Wohnungsgesellschaften ein ganz unverzichtbarer Bestandteil für den Erfolg der Projekte. Herr Minister, Sie haben auf dem Energiegipfel die Arbeitsgruppe zu Energieeffizienz und Energieeinsparung geleitet. Sie wissen wohl, welche Herkulesaufgabe gerade im Bereich der Mietwohnungen vor uns liegt. Auch dafür brauchen wir öffentliche Unternehmen am Markt, die dafür sorgen, dass die nötige Modernisierung und Sanierung für die Mieterinnen und Mieter bezahlbar bleibt.

Die Nassauische Heimstätte ist ein strategisches Investment. Ihre Vorstellung von Weihnachten, die darin besteht, den einen die stille Nacht zu nehmen und den anderen Angst davor einzujagen, dass sie die eigene Wohnung nicht mehr finanzieren können, hat mit dem Fest der Liebe nichts mehr gemeinsam. Nutzen Sie die Feiertage.