Protocol of the Session on December 15, 2011

Wenn das einer sagt, dann will ich es jetzt einfach einmal konkret haben. Wen meinen Sie? – Meinen Sie den Innenminister, den Justizminister oder den Ministerpräsidenten? Wen meinen Sie? Und insbesondere: Was meinen Sie? Welche Sachverhalte meinen Sie? Das sind so dahingesagte Sachen. „Auf dem rechten Auge blind“, das hört sich gut an. Wo sich aber die Sinnhaftigkeit ergibt, muss man schon einmal sehr klar und konkret darlegen. Da bin ich dann gespannt, ob Sie dazu überhaupt eine Aussage haben, außer dieser modischen Aussage.

Wir sollten vielleicht eines nicht tun. Wir sollten diese reflexhaften Forderungen nicht immer wieder dann aufstellen, wenn sie gar nichts bringen. Dazu gehörte natürlich die Diskussion über das Verbot der NPD, so wie sie eingangs geführt worden ist. Wir haben über diesen Bereich im Kreise der Innenminister, auf der Innenministerkonferenz in Wiesbaden, ausführlich beraten. Die Ministerpräsidenten haben hierüber heute beraten, und ich sage jetzt wieder, nach dem, was heute auch bei uns beraten worden ist: Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. Das ist wichtig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Innenminister, ich gestatte mir den Hinweis, dass die Redezeit der Fraktionen erreicht ist.

Ja, ich komme zum Ende. – Ich glaube auch, dass man in diesem Bereich eines sehr deutlich sagen muss: Wenn man das sagt, ist man keiner, der die NPD will. Wenn man das sagt, ist man nicht einer, der bei der NPD steht.

(Nancy Faeser (SPD): Das haben wir nicht gesagt!)

Frau Faeser, das haben Sie auch nicht getan. Das will ich Ihnen überhaupt nicht vorwerfen. Aber vielleicht sollten Sie es einmal mit einem Innenminister halten, der wirklich einen ordentlichen Job gemacht hat. Das ist nämlich der Vorgänger von Herrn Lewentz, der ehemalige Innenminister Bruch. Der hat am Abend auf der Verabschiedung im Kloster Eberbach seinen sozialdemokratischen Freunden, Genossen, ins Stammbuch geschrieben: Leute, lasst die Finger davon. Macht das nicht überstürzt. Macht das nicht übereilt. Ich erinnere euch an 2006. Ich bin dabei gewesen, und das, was 2006 passiert ist, darf uns nicht wieder passieren. – Da hat er vollkommen recht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Nichtsdestotrotz sind wir uns doch absolut einig, dass es sich bei der NPD um eine Partei handelt, deren Ideologie menschenverachtend ist, die demokratiefeindlich, antidemokratisch und antisemitisch ist. Genau deswegen streben wir ein NPD-Verbot an. Wir streben ein NPD-Verbot an, aber es muss auch erfolgreich sein.

(Nancy Faeser (SPD): Da sind wir doch bei Ihnen!)

Es darf nicht wieder scheitern. Deswegen müssen davor – ich betone: davor – die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen geschaffen werden, weil es keine einfache

Sache ist. Herr Abg. Frömmrich hat darauf hingewiesen. Es muss ordentlich vorbereitet werden.

Ich glaube, dass wir uns auch darüber einig sind, dass, wenn wir ein Verbotsantrag gestellt haben, manche Probleme erst beginnen, Probleme zu sein. Dann werden die Probleme teilweise erst losgehen. Es ist nicht so, dass die Partei dann übermorgen verboten wird, sondern das wird Jahre dauern. Insoweit glaube ich, dass man sehr deutlich sagen kann: Auch hier haben wir die Dinge bei den Hörnern gepackt.

(Nancy Faeser (SPD): Nein, das haben Sie nicht!)

Auch hier ist keiner auf dem rechten Auge blind. Auch hier haben wir uns der Sache wirklich intensiv mit hoher Seriosität gewidmet – genauso wie wir uns dem Thema gemeinsames Abwehrzentrum und dem Thema zentrale Datei gewidmet haben, um eben wichtige Schritte zu gehen, um diesem braunen Spuk ein Ende zu bereiten. Dazu gehört auch, dass wir die rechte Szene im Internet stärker beobachten werden. Dazu zählt beispielsweise die Beobachtung rechtsextremistischer Kameradschaften, der Autonomen Nationalisten usw. usf. Am Ende steht – und deswegen brauchen wir uns da wirklich von niemandem irgendeine Nachhilfestunde erteilen zu lassen –: Wir treten dem Rechtsextremismus mit allen Mitteln des Rechtsstaates entgegen. Hier gibt es niemanden, der auf dem rechten Auge blind ist.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Fahren Sie mit nach Dresden! 18. Februar!)

Wir unternehmen enorme Anstrengungen im Kampf gegen rechts. Deswegen ist Hessen in dieser Frage auch so erfolgreich. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Rhein. – Zweite Runde. Frau Kollegin Wissler für DIE LINKE hat sich gemeldet. Fünf Minuten Redezeit stehen zur Verfügung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Innenminister Rhein, ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil Sie doch recht klar gesagt haben, dass Sie sich natürlich ein Verbot der NPD wünschen und dass Sie das auch für richtig und sinnvoll halten. Ich will noch einmal sagen, dass das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle auch einen Weg aufgezeigt hat, wie ein NPD-Verbot funktionieren könnte. Dazu müsste man die V-Leute aus der NPD abziehen. Deswegen stelle ich die Frage: Warum tun Sie das nicht in Vorbereitung auf ein neues Verbotsverfahren?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin der Meinung, dass auch aus inhaltlichen Gründen die V-Leute abgezogen werden müssen. Ich glaube, es war Herr Greilich, der gesagt hat, wir bräuchten diese Informationen und Quellen, und uns würden sicherheitsrelevante Informationen verloren gehen. Aber ich frage Sie: Welche Informationen sind das denn? Was sind das denn für Quellen, wenn eine solche Mordserie über Jahre hinweg nicht bemerkt, geschweige denn verhindert wurde? – Dieses Versagen zeigt doch, dass das V-Leute-System überhaupt nicht funktioniert und offensichtlich überhaupt nicht dabei hilft, solche Straftaten zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Was heißt das?)

Das heißt, dass V-Leute selbst Straftaten begehen. Herr Blechschmidt, es gibt doch Aussagen von V-Leuten, die sagen: Ich habe die NPD vor Ort überhaupt erst aufgebaut und gegründet. – Solche Aussagen gibt es z. B. in Nordrhein-Westfalen. Es gibt V-Leute, die selbst rechtsradikale Straftaten begehen. Das Problem ist: Das V-LeuteSystem ist doch gerade die Überlebensgarantie der NPD. Herr Innenminister, das sage nicht ich. Ich will den ehemaligen CDU-Innenminister von Baden-Württemberg zitieren, Heribert Rech. Er hat gesagt – ich zitiere –: „Wenn ich alle meine verdeckten Ermittler aus den NPD-Gremien abziehen würde, dann würde die NPD in sich zusammenfallen.“

Da frage ich mich: Warum macht man das denn nicht? Warum zieht man denn dann die verdeckten Ermittler nicht ab?

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

An der Stelle würde mich auch interessieren, wie Sie diese Aussage Ihres ehemaligen Kollegen Rech sehen und ob Sie glauben, dass sie für Hessen auch zutreffen würde.

Ich bin der Meinung, dass man das V-Leute-System beenden muss. Damit muss Schluss sein. Denn es hat sich wieder gezeigt, dass in dieser ganzen Angelegenheit der Verfassungsschutz eben nicht Teil der Lösung ist. Der Verfassungsschutz ist Teil des Problems. Rechtsradikale Strukturen bekämpft man eben nicht mit Inlandsgeheimdiensten, sondern durch gesellschaftliche Mobilisierung. Deswegen ist es doch so wichtig – und dazu haben Sie nichts gesagt –, wie man Initiativen gegen Rechtsextremismus stärken kann, und zwar unabhängig von den staatlichen Institutionen.

(Beifall bei der LINKEN)

Statt diese zu stärken, werden ihnen noch Knüppel zwischen die Beine geworfen, indem es so etwas gibt wie die Extremismusklausel, sodass Initiativen, die gut arbeiten, Bekenntnisse abgeben müssen, gegängelt werden und ihnen die Mittel gekürzt werden. Diese zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüsse im Kampf gegen rechts müssen wir doch stärken, Herr Innenminister, statt sie zu schwächen. Es ist eine Bundesfamilienministerin, die auch dem Biotop der Hessen-CDU entstammt, die genau diesen Fehler macht, nämlich diese Strukturen zu schwächen, statt sie aufzubauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gesellschaftliche Mobilisierung gegen rechts – ich denke, genau das muss der Ansatzpunkt sein. Herr Innenminister, deswegen fordere ich Sie auf, dass auch Sie angesichts der jetzigen Situation im Februar mit nach Dresden fahren. Das ist der größte Naziaufmarsch Europas. Meine gesamte Fraktion war in den letzten Jahren da. Es waren viele Abgeordnete von der SPD und den GRÜNEN, aber stellenweise auch von CDU und FDP da. Ich bin der Meinung, angesichts dieser Situation müssen doch im Februar nächsten Jahres doppelt und dreimal so viele Menschen in Dresden auf die Straße gehen wie zuvor, um zu zeigen: Wir stehen gemeinsam gegen rechts, und wir wollen, dass dieser braune Terror und diese Gewalt ein Ende haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es ist vorgeschlagen, Tagesordnungspunkt 40, Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Neonaziterror bekämpfen – Demokratie und Toleranz stärken, und Tagesordnungspunkt 58, Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, dem Innenausschuss zu überweisen. – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend europäische Agrarpolitik zum Wohl der hessischen Bauern – Drucks. 18/4626 –

(Wortmeldung des Abg. Holger Bellino (CDU))

Entschuldigung, das habe ich übersehen.

Herr Präsident, Entschuldigung, ich konnte Ihnen das vorhin im Präsidium nicht sagen, weil wir das gerade informell innerhalb der Geschäftsführer abgestimmt haben. Ich hoffe, dass auch jeder zugestimmt hat. Das wurde mir so signalisiert. Wir bieten an, unseren Setzpunkt ins nächste Plenum zu schieben. Normalerweise bereinigt man, indem das weggibt, aber das war anders geplant. Das würde die Situation heute entspannen. Wenn das Haus zustimmt, dann machen wir das so, weil es ein Setzpunkt ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darf ich Konsens voraussetzen? Ich sah, dass man gewissermaßen mit Applaus diesem Vorschlag zustimmt. Das hieße dann, dieser Punkt der CDU würde in der nächsten Plenarwoche Setzpunkt sein.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Große Anfrage wird dann mit geschoben. Das ist doch wohl die Logik.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alles gut!)

Dann rufe ich jetzt Tagesordnungspunkt 9 auf:

a) Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Stärkung der hessischen Kommunen und der Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene – Drucks. 18/5069 zu Drucks. 18/4650 zu Drucks. 18/3006 –

Der Berichterstatter gibt schon die Wortmeldung ab. Das ist gut. Herr Bauer, Sie dürfen auch zu Tagesordnungspunkt 9 b den Bericht erstatten.

b) Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung – Drucks. 18/5070 zu Drucks. 18/4651 zu Drucks. 18/3116 –

c) Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Landkreisordnung – Drucks. 18/5071 zu Drucks. 18/4652 zu Drucks. 18/3117 –

d) Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und anderer Gesetze – Drucks. 18/5072 zu Drucks. 18/4653 zu Drucks. 18/4031 –