Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beide Gesetzentwürfe werden aus sehr gutem Grund gemeinsam behandelt. Beide betreffen nämlich den Umgang und die Nutzung moderner Informationstechnologie im Bereich der Justiz.
Die Errichtung der IT-Stelle der hessischen Justiz als eigenständige Landesoberbehörde ist ein konsequenter Schritt zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der hessischen Justiz. Die bisherigen, durchaus schwerfälligen organisatorischen Strukturen werden mit dem Ziel der Effizienzsteigerung umfassend reformiert, und es wird eine gemeinsame Einrichtung für alle Gerichtsbarkeiten, für die Staatsanwaltschaften und für den Justizvollzug geschaffen.
Herr Weiß, ich erlaube mir in dem Zusammenhang, auf Ihre Frage 590 einzugehen. § 7 Abs. 2 Satz 1 LHO ordnet an, dass für alle finanzwirksamen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen sind. Eine sogenannte Nutzen-Kosten-Untersuchung ist nicht zwingend notwendig. Das sehen auch die Verwaltungsvorschriften zur LHO in Nr. 2.2.4 zu § 7 vor. Eine Nutzen-Kosten-Untersuchung ist nur dann sinnvoll, wenn ein Vergleich des Nutzens und der Kosten der einzelnen Maßnahmen für sich allein entscheidungserheblich ist. Die Neustrukturierung der IT-Stelle ist aus den im Gesetzentwurf genannten Gründen organisatorisch notwendig. Dies gelingt, wie bereits dargestellt, nur mit der Errichtung einer eigenständigen Landesoberbehörde.
Nr. 2.2.2.2 zu § 7 der Verwaltungsvorschriften zur LHO sagt, dass eine solche Untersuchung überhaupt nur dann vorgenommen werden soll, wenn es sich um einen maßgeblichen Anteil an den voraussichtlichen Finanzmitteln des Landes handelt. Wir haben ausdrücklich dargestellt, dass die Neuorganisation lediglich Mehrkosten in Höhe von 15.000 € hervorruft. Dies ist bei einem Landeshaushalt von 22 bis 23 Milliarden € keine wesentliche Mehrausgabe, sodass allein aus diesen Gründen eine solche Nutzen-Kosten-Analyse nicht erforderlich gewesen ist und wir von daher bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs genau richtig gehandelt haben.
Meine Damen und Herren, mehrfach ist auf die Anhörung hingewiesen worden. Es ist zutreffend, dass in der Anhörung Kritik geübt worden ist. Es ist allerdings auch zutreffend – das sollte man nicht vergessen –, dass in der Anhörung sehr wohl auch die Einführung einer Gemeinsamen IT-Stelle außerordentlich begrüßt worden ist.
Ich möchte nun auf die Alternativen zur Einbindung der IT-Stelle in die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung
eingehen. Es ist zutreffend: Die HZD ist in die Abläufe eingebunden. Allerdings werden das Verfahren und die Fachaufsicht über die HZD in dem Gesetzentwurf so klar und eindeutig geregelt, wie es möglich und notwendig ist.
Wer dies nicht will, müsste ein eigenes Rechenzentrum für die Justiz und eine eigenständige Netzinfrastruktur fordern. Dieser Aufwand stünde in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Deswegen möchte ich, wenn es der Herr Präsident erlaubt, gern den zentralen Satz aus dem schon erwähnten Urteil des Bundesgerichtshofs – Richterdienstgericht des Bundes – vom 6. Oktober 2011 zitieren:
Die Administration des EDV-Netzes der hessischen Justiz für den Rechtsprechungsbereich... durch die HZD gibt Richtern vernünftigerweise keine Veranlassung, damit zu rechnen, das EDVNetz werde von dienstvorgesetzten Stellen oder Dritten, die nicht allein der Aufsicht und Leitung der Gerichte... unterstehen, zu einer inhaltlichen Kontrolle richterlicher Dokumente im Kernbereich der Rechtsprechung genutzt, und deshalb von der Erstellung und Speicherung solcher Daten im EDV-Netz abzusehen.
Ich wiederhole: Es gibt vernünftigerweise überhaupt keinen Zweifel daran, dass diese Möglichkeiten zur Kontrolle nur von den aufsichtsrechtlich dazu befugten Gerichtspräsidenten und -direktoren verwendet werden. Dieser Feststellung ist nichts hinzuzufügen.
Gleichwohl haben wir die Anregungen, die es vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main in diesem Verfahren gab, in den Gesetzentwurf aufgenommen und unter anderem mit der IT-Kontrollkommission etwas eingerichtet, was die Mitwirkung und die Mitsprache der Richter beim Einsatz der EDV in Hessen auf jeden Fall gewährleistet.
Zu dem zweiten Gesetzentwurf möchte ich einige wenige Sätze sagen. Im Ausschuss haben wir – mit der Ausnahme der Fraktion DIE LINKE – einhellig die Einrichtung einer gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder im Zusammenhang mit der Neuordnung der Sicherungsverwahrung begrüßt. Hessen hat seit über zehn Jahren sehr gute Erfahrungen mit der elektronischen Fußfessel in der bisherigen Form gesammelt. Mit der neuen elektronischen Fußfessel, die um eine Ortungsfunktion mit GPS ergänzt wird, ermöglichen wir zu jeder Zeit die Aufenthaltsbestimmung der Menschen, bei denen dies vom Gericht im Rahmen der Führungsaufsicht angeordnet worden ist.
Hessen wird die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder – GÜL – mit Sitz in Bad Vilbel einrichten. Bis auf Brandenburg haben alle Bundesländer den Beitritt zu dem vorliegenden Staatsvertrag erklärt und der entsprechenden Verwaltungsvereinbarung zugestimmt. Dies ist nach meiner Einschätzung ein hervorragendes Beispiel für eine effiziente länderübergreifende Zusammenarbeit.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich stelle zunächst fest, dass die mündliche Frage des Abg. Weiß gemäß § 37 Abs. 8 GOHLT vom Herrn Staatssekretär im Rahmen der Aussprache beantwortet worden ist. – Herr Weiß stimmt dem zu. Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5, zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Errichtung der Informationstechnik-Stelle der hessischen Justiz (IT-Stelle) und zur Regelung justizorganisatorischer Angelegenheiten sowie zur Änderung von Rechtsvorschriften, Drucks. 18/4824 zu Drucks. 18/4261. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP bei Ablehnung durch die Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN angenommen und somit zum Gesetz erhoben worden ist.
Wir stimmen nun über Tagesordnungspunkt 6 ab, zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder, Drucks. 18/4825 zu Drucks. 18/4656. Wer dem Entwurf zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf mit den Stimmen aller Fraktionen dieses Hauses – mit Ausnahme der Fraktion DIE LINKE – angenommen und damit zum Gesetz erhoben worden ist.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, weise ich darauf hin, dass Tagesordnungspunkt 8 abgesetzt worden ist. Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 7:
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches – Drucks. 18/5019 zu Drucks. 18/4272 –
Berichterstatterin ist Frau Kollegin Wiesmann. Für die nachfolgenden Redner füge ich hinzu: Wir haben die Redezeit auf fünf Minuten verkürzt. Frau Wiesmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Beschlussempfehlung: Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Berichterstatterin. – Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abg. Dr. Jürgens das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der Anhörung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf wurde von den Sachverständigen weniger darüber geredet, was in Ihrem eher unspektakulären Entwurf steht, als vielmehr darüber, was alles fehlt. Wir haben aktuell vom Hessischen Städte- und Gemeindebund – er hat uns angeschrieben – erhebliche Kritik an der vorgesehenen Regelung zur Kostenerstattung in § 28 gehört.
In der Praxis gibt es offensichtlich erhebliche Unterschiede. Wie es immer ist, geht es um die Kosten, die eine Gemeinde der anderen zu erstatten hat, z. B. wenn ein Kind in der einen Gemeinde wohnt und in der anderen den Kindergarten besucht. Wie es immer ist: Für den, der es bezahlen muss, ist es zu viel, und für den, der es bekommt, ist es zu wenig. Wir meinen, hier müssen die Kommunen selbst zu tragfähigen und möglichst einvernehmlichen Lösungen kommen.
Allerdings kann das aus unserer Sicht nicht bedeuten, dass der Herr Minister einfach zuschaut und nichts macht.
Wieder einmal war es die Opposition, die durch eine Kleine Anfrage überhaupt erst eine gewisse Faktengrundlage geschaffen hat. Jetzt kommt es darauf an, dass der Herr Minister den Diskussionsprozess mit den Vertretern der Gemeinden fördert und nicht, wie bisher, in Untätigkeit verharrt.
Ich habe schon gesagt, das Wichtigste an dem Gesetzentwurf ist eigentlich das, was nicht drinsteht. Aus unserer Sicht ist ein wesentliches Versäumnis die mangelnde Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Es war schon bemerkenswert: Am Vormittag des 1. Dezember präsentierte Minister Grüttner in Bad Nauheim den Entwurf eines hessischen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Ich habe ihn mitgebracht. Dort findet sich auf Seite 29 folgender bemerkenswerter Satz, den ich hier zitieren möchte:
Seit Geltung der UN-Behindertenrechtskonvention werden in Hessen die in diesem Zeitraum erarbeiteten Gesetzentwürfe auch im Hinblick auf ihre Konformität mit der Konvention überprüft.
Auch bei der Novellierung anderer Gesetze (Ge- setzentwurf zur Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches)... wird geprüft, inwiefern Anpassungen oder Neufassungen von Landesnormen an die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention erforderlich sind.
Das verkündete der Minister am 1. Dezember 2011 vormittags. Am 1. Dezember 2011 nachmittags, also an dem gleichen Tag, wird genau dieser Gesetzentwurf, der hier zur Überprüfung angekündigt wurde, im Sozialpolitischen Ausschuss behandelt. Dabei stellten wir natürlich fest: Der Entwurf des Herrn Ministers Grüttner enthält keinerlei Anpassung an die UN-Behindertenrechtskonvention.
Das wollte meine Fraktion dann mit einem Änderungsantrag korrigieren. Wir haben mit dem Änderungsantrag vorgeschlagen, die Inklusion in die Zielsetzung des Gesetzes und in die Aufgaben der Einrichtungen aufzuneh
men. Außerdem wollten wir die Förderung der Einrichtungen an die Einhaltung der Barrierefreiheit binden. Das ist in der Regel die Voraussetzung für eine Inklusion. Das sollte zumindest als Regelprinzip mit Ausnahmemöglichkeiten dann gelten, wenn die Einhaltung z. B. aus topografischen oder baulichen Gründen nicht möglich ist.
Dieser Änderungsantrag meiner Fraktion wurde von der Mehrheit der Fraktionen der CDU und der FDP plötzlich abgelehnt. Das ist aus unserer Sicht völlig unverständlich. Denn in dem Entwurf des Aktionsplans heißt es in Bezug auf die Kindertagesstätten:
Alle Kinderbetreuungseinrichtungen (Krippen, Ki- tas, Horte etc.) müssen grundsätzlich dazu ausgerüstet werden, um alle Kinder der jeweiligen Altersgruppe aufnehmen zu können.
Am Vormittag wurden also Versprechen abgegeben, die am Nachmittag bereits gebrochen wurden. Den schönen Worten folgen keine Taten. Ein Minister, der seine eigenen Worte noch an demselben Tag durch seine eigenen Taten Lügen straft, ist wohl auch in der wendungsreichen schwarz-gelben Landesregierung ziemlich einmalig.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Willi van Ooyen und Hermann Schaus (DIE LINKE))
Die Mitglieder der Fraktionen der CDU und der FDP sind im Sozialpolitischen Ausschuss inzwischen ohnehin zum Prinzip der Fundamentalablehnung übergegangen. Was immer die Opposition vorschlägt, wird aus Prinzip abgelehnt, auch wenn es richtig ist. Dafür findet sich ein Beispiel in dem Entwurf des Aktionsplans.