Solche Taten lassen nur eine einzige Reaktion zu: Wir müssen uns mit Abscheu von diesen Verbrechen abwenden. Wir müssen alles tun, um aufzuklären. Wir müssen alles tun, um solche Taten zu verhindern.
In Deutschland haben viele eine Heimat, einer aber nicht: Das ist der Extremismus, unabhängig davon, von welcher Seite er kommt.
Deswegen muss der Extremismus bekämpft werden, unabhängig davon, ob er von rechts, von links kommt oder ob es islamistischer Extremismus ist.
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung hat sich in den letzten 60 Jahren bewährt. Wir, die Mitglieder der demokratischen Parteien, haben sie gemeinsam verteidigt.
Noch nie hat unsere Nation über so viele Jahrzehnte in Sicherheit gelebt. Noch nie haben wir über so viele Jahrzehnte die äußeren und inneren Angriffe abwehren können. Noch nie haben wir so friedlich mit den Menschen anderer Nationen um uns herum und in unserem Land leben dürfen.
Der Frieden und die Sicherheit unserer Bürger sind nach wie vor das höchste Gut. Das werden wir auch weiterhin mit präventiven und, wenn es sein muss, mit repressiven Maßnahmen verteidigen.
Das Land Hessen ist gerade auch bei der Bekämpfung der rechten Gewalt engagiert. Stellvertretend nenne ich das Kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus, die Ausstiegshilfen bei Rechtsextremismus und das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus. Damit wird seit dem Jahr 2007 ressortübergreifend der Verfestigung des Rechtsextremismus, der Fremdenfeindlichkeit und dem Antisemitismus entgegengewirkt.
Auch der Verfassungsschutz leistet zur Bekämpfung der Feinde der Demokratie und der Freiheit einen unverzichtbaren Beitrag. Auch deswegen sind wir erfreulicherweise Schlusslicht, wenn es um Straftaten Rechtsextremer in Deutschland geht.
Umso schlimmer ist es, wenn es zu solch verabscheuungswürdigen Taten kommt. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Gewalt gegen anders Denkende, gegen anders Gläubige oder anders Abstammende keinen Platz hat.
(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Her- mann Schaus (DIE LINKE))
Mit dem Dringlichen Entschließungsantrag und seinen deutlichen Worten gegen Extremismus wollen wir Zeichen setzen. Wir wollen eine friedliche Gesellschaft ohne Hass und Gewalt. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und deren Angehörigen. – Vielen Dank.
Herr Bellino, vielen Dank. – Das Wort erhält nun Herr Kollege Al-Wazir für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dafür dankbar, dass wir bei diesem Dringlichen Entschließungsantrag jetzt wohl eine einstimmige Beschlussfassung dieses Hauses hinbekommen werden. Denn jenseits all dessen, was wir noch aufzuklären haben und worüber es unterschiedliche Meinungen gibt, was die richtigen Maßnahmen sind, glaube ich, sollte zuallererst einmal von diesem Parlament das deutliche Signal ausgehen, dass das, was da passiert ist, ungeheuerlich ist. Bis zum letzten Freitag, als klar wurde, was da offensichtlich die Hintergründe sind, war das Ausmaß dieser Mordserie für uns so nicht vorstellbar. Deswegen muss auch ein deutliches Zeichen des Mitgefühls für die Angehörigen der Opfer von hier ausgehen.
Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass ich dafür dankbar bin, dass Bundespräsident Wulff mitgeteilt hat, dass er die Angehörigen der Opfer einladen möchte. Ich glaube, dass das ein Zeichen des Staates an Mitgefühl und das Signal ist, dass das nicht ein Angriff auf eine Minderheit in der Gesellschaft, sondern ein Angriff auf die Gesellschaft insgesamt ist. Das ist etwas, was uns in den nächsten Tagen unbedingt gelingen muss.
Ich möchte auch nie wieder den Begriff nennen, den Herr Schaus zu Recht kritisiert hat. Diese Mordserie ist eine, die man als Nazi-Mordserie bezeichnen muss.
Ich glaube, dass wir uns über den Grad der Menschenverachtung und die fremdenfeindlichen Motive hinsichtlich der neun Opfer dieser Serie im Klaren sein müssen. Das betrifft aber auch den Grad an Verachtung für den Rechtsstaat, der sich mit dem Mord an der Polizistin in Heilbronn gezeigt hat. Das rüttelt in besonderer Art und Weise an den Grundfesten dieser Gesellschaft. Damit sollen die Grundregeln dieser Gesellschaft angegriffen wer
den. Ich denke schon, dass wir deswegen sehr ausdrücklich und sehr bewusst sagen, dass wir eine freie und offene Gesellschaft haben wollen, in der niemand um sein Leben fürchten muss. Das sehen wir als überragendes Gut dieses Rechtsstaats an und werden wir auch mit allen Mitteln verteidigen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abge- ordneten der CDU)
Natürlich stellt sich auch die Frage, wie so etwas geschehen konnte. Wir sehen jetzt, was da offenbar wird. Es ist so, dass es uns nicht gelungen ist, so etwas zu verhindern, zu stoppen oder rechtzeitig aufzuklären.
Ich denke, wir sind uns auch darüber einig, dass natürlich alles auf den Prüfstand gehört. Dabei geht es auch um die Einschätzung der Gefährlichkeit der Rechtsextremisten. Wir wissen, dass die gefährlich sind. Wir wussten das auch schon vorher. Niemand konnte sich aber vorstellen, dass es Menschen in einer Zelle gibt, die kaltblütig mordend über Jahre hinweg durch die Lande gezogen sind und ihnen völlig unbekannte Menschen bei der Arbeit erschießen.
Ich glaube, die Frage, was die Antwort darauf ist, wird uns noch lange beschäftigen. Ich sage ausdrücklich: Das ist nichts, worüber man sich einmal ein paar Wochen lang in der Mediendemokratie echauffiert und was man nach drei Monaten wieder vergessen hat. Das, was da passiert ist, und auch die Frage, was das hinsichtlich der gesellschaftlichen Gegenwehr bedeutet, die wir als Demokratinnen und Demokraten einem solchen menschenverachtenden und rassistischen Gedankengut nach außen gegenüberstellen müssen, wird uns noch lange beschäftigen.
Ich sage das sehr deutlich: Es geht um die Frage, was die staatlichen Sicherheitsorgane richtig und was sie vielleicht auch falsch gemacht haben. Es geht auch um die Frage, was wir verändern müssen. Ich habe da keine einfachen Antworten. Das ist völlig klar. Wir müssen aber am Ende gemeinsam zu Antworten kommen, weil die Gesellschaft sie von uns zu Recht verlangt.
Insofern sage ich ausdrücklich: Es geht auch darum, mit einer gewissen Verharmlosung Schluss zu machen. Wer sich einmal mit gesellschaftlicher Hegemonie des Rechtsextremismus in bestimmten Gebieten dieses Landes beschäftigt hat, der muss einfach ganz deutlich sagen: Schluss mit der Verharmlosung. Denn wir haben jetzt gesehen, was am Ende aus solch einem Gedankengut entstehen kann.
Ich sage deswegen sehr deutlich: Ein Nazi bleibt ein Nazi, auch wenn er freundlich grüßt und vielleicht der Sohn des Nachbarn ist, den man schon ewig kennt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)
Ich glaube, dass die Frage, wie wir mit dem, was da ans Licht gekommen ist und noch ans Licht kommen wird, und mit der Aufarbeitung des Ganzen umgehen, ganz wichtig für das Zusammenleben in der Gesellschaft dieses Landes ist. Denn es ist so, dass die Minderheit in diesem Land – das ist eine starke Minderheit, aber eben nur eine Minderheit; die Eltern oder sie selbst sind aus anderen Ländern zugewandert – das Gefühl bekommen muss, dass wir alle sagen: Das ist nicht nur ein Angriff auf die Minderheit, sondern das ist ein Angriff auf uns alle.
Die Minderheit, das sind diejenigen, die der Auffassung sind, solche Taten begehen zu können, oder die durch ihre Äußerungen oder die Stimmung, die sie verbreiten, das Gefühl verbreiten wollen, dass man in dieser Gesellschaft Menschen aufgrund ihrer Herkunft voneinander abspalten kann. – Das darf am Ende nicht gelingen, das muss geächtet werden. Da muss jedem bewusst sein, wozu dies am Ende führen kann.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abge- ordneten der CDU)
Ein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Deswegen hoffe ich, dass wir hier einstimmig beschließen können und bei allen Unterschieden, die wir haben, am Ende auch zu gemeinsamen Konsequenzen kommen können, die so etwas für die Zukunft hoffentlich nach menschlichem Ermessen verhindern und ausschließen können. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erst ganz wenige Tage her, dass wir gemeinsam – in Hessen, aber auch bundesweit – des 50. Jahrestages des Beginns der Migration aus der Türkei nach Deutschland gedacht haben. Diese Feierlichkeiten sind durch die schon Jahre zurückliegenden, jetzt aber auf sehr überraschende Art und Weise aufgeklärten bzw. noch in der Aufklärung befindlichen Morde an ausländischen Mitbürgen mit dunklen Schatten überzogen.
Wir müssen alle gemeinsam entsetzt sein über das, was dort zum Vorschein kommt, insbesondere auch über die fremdenfeindlichen Hintergründe, die hier offenbar werden.
Für mich ist der Kernsatz in dem von uns gemeinsam vorgelegten Antrag der erste Satz der Ziffer 3. Deswegen will ich ihn hier auch wörtlich zitieren:
Der Landtag betrachtet eine freie und offene Gesellschaft, in der niemand um sein Leben fürchten muss, als ein überragendes Gut, welches es mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu schützen gilt.
Meine Damen und Herren, das ist die Kernbotschaft, auf die wir uns im Gedenken an die Opfer dieser menschenverachtenden Straftaten verständigen.
Wir als Parlament sind gefordert, auch unseren Beitrag zur Aufarbeitung und Klärung aller Hintergründe, die es dort gegeben hat, zu leisten. Wir haben schon gestern hier mit der Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission begonnen, die in der Berichterstattung auch entsprechend ihren Niederschlag gefunden hat. Ich glaube, man kann sagen, die gestrige Sitzung hat erste klare Erkenntnisse erbracht. Wir werden diese Arbeit fortsetzen – sowohl in der Parlamentarischen Kontrollkommission wie auch bei den Dingen, die nicht geheimhaltungsbedürftig sind, auf jeden Fall rückhaltlos im Innenausschuss.
Gestern war ein guter Anfang, an dem wir gesehen haben, dass es einerseits auch sinnvoll ist, Spekulationen, die da und dort aus Versatzstücken entstehen, sehr schnell abzu
räumen. Ich glaube, das ist gestern schon ein ganzes Stück weit gelungen – das ist gut so –, was nichts daran ändert, dass, auch bezogen auf den Kasseler Mord, noch viele Fragen bleiben, die sicherlich im Innenausschuss und vielleicht auch noch ein Stück weit in dem Geheimschutzgremium aufzuklären sind. Das ist die eine Seite.
Es bleibt aber – und das soll meines Erachtens an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben – auch eine ganze Reihe von Fragen, die weit über den Mord in Kassel hinausgehen. Das sind Fragen, die sich mir aufdrängen, die sich insbesondere an die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern richten, vor allem aber auch die Frage der Rolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Wir haben den Sachverhalt, dass schon lange bekannt ist, dass in verschiedenen Bundesländern bei verschiedenen Morden die gleiche Tatwaffe verwendet wurde. Das ist ein Tatbestand, bei dem sich – bei der Betrachtung der Zusammenhänge, der Betrachtung der Opfer – viele Ansatzpunkte für Zusammenhänge aufdrängten. Da kann man bei der Frage anfangen – die in der Vergangenheit auch erörtert worden ist –: Hat es etwas mit organisierter Kriminalität zu tun? Es drängte sich die Frage auf: Könnte es einen ausländerfeindlichen Hintergrund geben? Und es drängte sich genauso die Frage auf: Wenn es schon einen ausländerfeindlichen Hintergrund gibt, gibt es vielleicht einen rechtsextremistischen Zusammenhang? – Diese Fragen wurden ja von vereinzelten Landesverfassungsschutzämtern, insbesondere in Bayern, auch gestellt.
Da drängt sich mir die Frage auf, warum ein Bundesamt für Verfassungsschutz – zumindest nach allem, was wir bis jetzt wissen – nicht in ausreichendem Maße tätig geworden ist. Da sich die Morde mit ein und derselben Tatwaffe immer gegen Ausländer – wie auch in einem Fall gegen die Polizistin – richteten, drängte sich die Frage auf, ob es verfassungsfeindliche Bestrebungen gab, die gegen die Völkerverständigung gerichtet waren. Solches war jedenfalls nicht auszuschließen, und das hätte das Eingreifen des Bundesamtes gerechtfertigt und aus meiner Sicht zwingend erforderlich gemacht. Ich nenne das hier, um deutlich zu machen, dass wir weit über das hinaus, was unser Bundesland betrifft, tätig werden und Licht ins Dunkel bringen müssen.
Dabei wird es auch notwendig sein – bei aller Aufrechterhaltung föderaler Prinzipien, zu denen ich uneingeschränkt stehe –, die Strukturen der Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter der Länder und des Bundes zu prüfen. Wir haben das gemeinsame Terrorabwehrzentrum für den Bereich des islamistischen Terrorismus. Für mich ist es nicht ganz nachvollziehbar, warum dies auf einen Bereich beschränkt ist – wir brauchen das generell für jede terroristische Bedrohung. Die Schwachstellen, die dort zutage getreten sind, müssen beseitigt werden.
Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss sagen – und damit auf das Grundsätzliche zurückkommen –: Diese brutalen Gewaltverbrechen an Menschen, die friedlich unter uns gelebt haben, müssen uns alle beschämen. Sie sind zugleich ein Weckruf, Terrorismus und Rassismus in unserem Land nicht zu unterschätzen. Das Signal, das heute von dieser Sitzung des Landtags ausgeht, muss und wird sein: Der Hessische Landtag steht in dieser Frage ungeteilt zusammen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeord- neten der LINKEN)