Protocol of the Session on April 21, 2009

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne meine heutige Haushaltsrede mit dem Bekenntnis eines höchst bedauerlichen Irrtums: Sie mögen, wie der Kollege Milde, überrascht sein, da so etwas in der Politik eher selten geschieht.Aber es ist mir ein echtes Bedürfnis.

(Zuruf von der CDU)

Als ich das letzte Mal anlässlich der gleichen Angelegenheit im Plenum am Rednerpult vor Ihnen stand, nämlich bei der ersten Lesung des Haushaltsplanentwurfs 2008 am 26. September 2007,

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das ist eineinhalb Jahre her!)

äußerte ich meine große Freude darüber, dass wir es endlich hinter uns hätten und dass das Schlimmste überstanden sei.Damit meinte ich die weimarschen Haushalte und die dazugehörigen Einbringungsreden.

Meine Freude war vor allem eine Vorfreude; denn ich war ganz fest davon überzeugt, dass die Stunde der Befreiung von der desaströsen weimarschen Finanzwirtschaft wirklich unmittelbar vor der Tür stand.

(Horst Klee (CDU): So kann man sich täuschen!)

Meine Damen und Herren, wie man sich doch täuschen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es leider immer noch nicht hinter uns.Wir müssen uns, wie das heutige Beispiel zeigt, stattdessen wieder anhören, dass das, was der Kollege Finanzminister uns erzählt, grundsätzlich und immer alternativlos ist.

Es ist allerdings alternativlos schlecht, aber keineswegs unabänderlich. Der Herr Finanzminister bringt einmal wieder einen Haushaltsentwurf im Landtag ein,er steigert die Neuverschuldung einmal wieder auf einen neuen Rekord,und er lobt sich dafür einmal wieder in den höchsten Tönen.

Meine Damen und Herren, an Letzterem fühle ich mich absolut unschuldig. Sie wissen, ich würde so etwas niemals machen. Ich betone deshalb umso mehr mein Verständnis und meine Betroffenheit angesichts Ihrer tiefen Enttäuschung über das soeben Erlebte. Ich habe Ihnen – ich bekenne es – seinerzeit ein falsches Versprechen gegeben. Es geht nun leider doch „als so weiter“, wie der Hesse sagt.

Es gibt immerhin einen winzigen Trost dabei: Das berühmte Zitat bleibt aktuell. Herr Kollege Schmitt hat sich schon daran versucht.Das klügste Urteil aller Zeiten über die weimarsche Haushaltspolitik wurde durch die heutige Rede des Finanzministers wieder eindrucksvoll bestätigt. Es kann, es darf, ja es muss in Zukunft weiterhin zutreffend zitiert werden:

Solide und transparent, wahr und klar, wie Haushaltswirtschaft zu sein hat, ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei hatte doch alles so hoffnungsvoll ausgesehen. Am Anfang – das war bald nach der Verabschiedung des letzten weimarschen Haushalts – stand die krachende Wahlniederlage der CDU vom 27. Januar 2008, die von dem diesjährigen Stimmenverlust noch überboten wurde.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wir sind aber immer noch am Regieren!)

Sie machte in diesem Landtag endlich den Weg frei für sachorientierte Debatten anstelle der ewig gleichen Zelebrierung der jeweils fest gefügten und bar aller Argumente unverrückbar eingenommenen Standpunkte. In diesen Debatten zeigte sich sehr rasch – Herr Kollege Milde,Sie werden sich daran erinnern,dass wir sie auch zu Haushaltsthemen hatten –, dass Karlheinz Weimars Finanzwirtschaft selbst unter den neuen politischen Verhältnissen mit Argumenten allein nicht zu korrigieren war.Er zeigte sich nämlich ausgesprochen sträubig,sodass sich im Ergebnis gesetzgeberische Aktivitäten als notwendig erwiesen.

(Dr. Walter Arnold (CDU): So kennen wir ihn gar nicht!)

Eine Regierungskommission wollten wir damals nicht haben, und auch das, was gerade vorgetragen wurde, deutet eher darauf hin, dass Sie eigentlich eine „Oppositionskommission“ berufen müssten; denn Sie fragen uns immer händeringend: Ja, wie sollen wir es denn machen? Was würdet ihr denn vorschlagen? – Nun,lassen Sie uns in Form einer Oppositionskommission doch mal ran. Dann sagen wir Ihnen, was wir Ihnen vorschlagen.

Sie erinnern sich sicherlich an das letzte Jahr: Mehrheitlich beschlossene Aufforderungen des Landtags an die Landesregierung, einen Nachtragshaushalt und eine gesetzeskonforme Vorlage für den Haushaltsentwurf 2009

vorzulegen, wurden vom Finanzminister schlicht ignoriert. Er stritt damals lieber an der Seite seines Chefs für den Erhalt der Studiengebühren an den Hochschulen, anstatt sich für eine geordnete Finanzwirtschaft einzusetzen und seine Aufgaben termingerecht zu erledigen. Diese Ignoranz der geschäftsführenden Regierung war im Übrigen zumindest nach meiner Beurteilung die wirklich beklagenswerte Seite der hessischen Verhältnisse, zugleich eigentlich auch die einzige.

Vom Finanzminister wurde schließlich im letzten Sommer – wir hörten heute bereits davon – eine Haushaltssperre verhängt, die Einsparungen in Höhe von 100 Millionen c erbringen sollte, deren quantitative Rechtfertigung zu dem damaligen Zeitpunkt z. B. aus dem Finanzstatusbericht, der hier kurz zuvor vorgelegt wurde, überhaupt nicht herzuleiten war.

Insgesamt beurteilt, kann man sagen: Der Finanzminister hatte im Sommer letzten Jahres überhaupt keine Lust, den Entwurf eines Haushaltes 2009 zu erarbeiten und hier zu präsentieren.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist doch dummes Zeug!)

Der Grund dafür ist wohl der, dass er sich mit seiner eigenen Finanzplanung jede Menge Fallen und schwere Brocken auf den Weg geworfen hatte.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Herr Kaufmann, das glaubt doch kein Mensch!)

Herr Kollege Dr. Arnold, Ihnen sind doch noch die berüchtigten „globalen Mehreinnahmen“ in Erinnerung. Im Finanzplan des Jahres 2008 sind sie mit immerhin 500 Millionen c notiert. Dies war aber noch nicht alles: In der weimarschen Finanzplanung kamen noch 250 Millionen c globale Minderausgaben dazu. Zu Deutsch heißt das doch nichts anderes, als dass beim Finanzminister Ahnungslosigkeit in Höhe von mindestens 750 Millionen c vorhanden und in den Finanzplan eingepreist war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben das damals im Plenum heftig kritisiert und gefordert, dass uns die dahinterstehenden finanzpolitischen Absichten erläutert werden.Uns wurde dann aber erklärt, so etwas wie der Einbezug einer „globalen Mehreinnahme“ sei das natürlichste Verfahren der Welt. Diese globalen Wunschzahlen würden erst bei der Aufstellung des Haushaltsplans – damals wurde das „Finalisierung“ genannt – endlich konkretisiert.

Herr Kollege Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr.Arnold?

Frau Präsidentin, ich möchte das gerne im Zusammenhang vortragen. Der verehrte Herr Kollege Dr. Arnold kann sich gerne danach einer Kurzintervention bedienen.

Der Finanzminister wusste im letzten Sommer offensichtlich überhaupt nicht, wie er die selbst gestellten Vorgaben erfüllen sollte. Denn vor der Landtagswahl im Jahr 2008, als der Finanzplan präsentiert und diskutiert wurde, wollte man eine wirksame Begrenzung der Ausgaben für das Jahr 2009 nicht hineinschreiben und vorzeigen müs

sen. Also floh man in die Vernebelung durch die Definition des Globalen.

Doch nun war guter Rat teuer. Nachdem der Finanzminister immer wieder angekündigt hatte, er werde das Problem hinsichtlich der Konkretisierung der globalen Mehreinnahmen lösen, dabei aber nie sagte, wie er das tun will, räumte er schließlich am 24. September 2008, also genau zu dem Zeitpunkt, zu dem der Entwurf des Haushalts 2009 eigentlich hätte präsentiert werden müssen, hier vor diesem Hause endlich ein – ich zitiere –:

Diese 500 Millionen c … sind realistisch nicht mehr einzuplanen.

Herr Weimar konnte also, obwohl der Termin bereits überschritten war, den Entwurf des Haushaltsplans 2009 überhaupt nicht ordentlich „finalisieren“. Seine Planung erwies sich schlicht als Illusion, wenn nicht gar als arglistige Täuschung des Parlaments und der Öffentlichkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie so wollen, könnte man sagen: Das war schwarze Magie mit roten Zahlen.

Man mag es durchaus verstehen, dass unser Finanzminister angesichts all der von mir geschilderten Schwierigkeiten einfach keine Lust mehr hatte, sich seinem Geschäft zu widmen. Am 7. Oktober 2008 stellte er denn auch die Arbeit getreu dem Motto: „Ich bin dann mal weg“, einfach ein.

Nachdem wir, d. h. die Vertreterinnen und Vertreter der SPD und der GRÜNEN, bei ihm vorstellig geworden waren, kannten wir immerhin einige rudimentäre Planungsdaten für den Entwurf des Haushalts 2009, die, zusammengefasst, nur als riesiger finanzpolitischer Scherbenhaufen beschrieben werden konnten. Der eine oder andere wird sich noch an unsere Presseerklärung vom 8. Oktober 2008 erinnern.Ohne irgendwelche Folgen der Finanzkrise überhaupt berücksichtigt zu haben, lag das Defizit damals bereits bei 1.500 Millionen c, also bei 1,5 Milliarden c.Von denen sollten nach den uns damals mitgeteilten Überlegungen allerhöchstens 210 Millionen c durch Einsparungen gedeckt werden.

Meine Damen und Herren, Sie werden sich fragen: Warum erzählt er uns das eigentlich alles?

(Zurufe von der CDU: Genau!)

Die Frage hat verschiedene Aspekte.Die Antwort ist dennoch recht einfach.Wir haben soeben bei der Einbringung eine Lobrede des selbst erwählten Oberkrisenmanagers Staatsminister Weimar gehört, der uns darzulegen versuchte, dass er, erstens, ohne Alternative ist, dass er, zweitens, wichtig ist und dass, drittens, seine finanzpolitischen Fähigkeiten für uns in dieser Krise besonders bedeutsam seien. Wir sollen glauben – und als Botschaft heute hier mitnehmen –, dass die Menschen unseres Landes es als ungeheuren Segen erachten müssen, dass ausgerechnet Kapitän Karlheinz an Bord ist und das Vollschiff Hessen vor der Havarie rettet und durch die Strudel der tobenden Finanzkrise in einen sicheren Hafen steuert.– Jetzt dürfen Sie klatschen.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Walter Ar- nold (CDU))

Dabei verschweigt der Kapitän natürlich, dass die Hessen zwar einst ein sehr stolzes Schiff war, inzwischen aber durch überbordende Schulden schon heftig Schlagseite hat, von den schwarzen Leichtmatrosen bereits ziemlich

abgetakelt wurde und in Wahrheit sogar in einen weitgehend manövrierunfähigen Zustand gebracht wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, bei der Betrachtung der Abläufe des vergangenen Jahres ist Ihnen sicherlich deutlich geworden, dass genau das Gegenteil von dem richtig ist, was in der weimarschen Eloge zu hören war. Verantwortet von ihm sieht sich Hessen in der Finanzkrise mit einer Situation konfrontiert, in der sich der Fiskus in einem äußerst miserablen Zustand befindet, weil trotz der Jahre der sprudelnden Steuereinnahmen nicht nur keine Rücklagen gebildet, sondern sogar immer noch neue Schuldenberge angehäuft wurden.

Angesichts der Realität in Hessen war Kapitän Weimar nämlich schon lange dem Untergang geweiht. Das seit Jahren von ihm verwaltete strukturelle Defizit des Haushalts wurde um keinen Deut abgebaut. Vielmehr wurde lediglich durch den Verkauf des Vermögens und die Aufnahme von Schulden versucht, das zu kaschieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)